Erkenntnisse für die Möglichkeit einer entsprechenden Erhöhung liefert das Verhalten der Bürger während der SARS-CoV-2/Covid-19-Pandemie. Die extrinsisch wirkenden Kontaktbeschränkungen der Bundesregierung vom 22.03.2020 umfassten (je nach konkreter Situation) u. a.:
- möglichst nur Kontakt zu Personen des eigenen Hausstands,
- Mindestabstand zu Personen außerhalb von (1.) von 1,5 Meter,
- Aufenthalt im öffentlichen Raum mit max. einer nicht zu (1) gehörenden Person und
- das vorübergehende Schließen nahezu aller Geschäfte.
Die Pflicht des Staates, Leib und Leben der Bürger und der Bedürftigen (Sozialstaatsprinzip) zu schützen, machte es verhältnismäßig, vorübergehend in andere Grundrechte der Bürger einzugreifen. Diese Eingriffe waren zum Teil massiv und betrafen u. a. die jeweiligen Grundrechte
- der Fortbewegungsfreiheit
- der Ausübung des Berufs
- zur Versammlung
- der Teilnahme an religiösen Veranstaltungen sowie
- der Allgemeinen Handlungsfreiheit.
Am tragischsten war jedoch, dass auf beiden Seiten des Spektrums die Menschenwürde in Bedrängnis kam.
3.2.1 Reaktion der Menschen und deren Motivation
Gleichzeitig offenbarten sich auch beeindruckende Aspekte. So nahmen viele Bürger all diese zum Teil massiven Grundrechtseingriffe hin und hielten sich an zuvor kommunizierte Sicherheitsmaßgaben (z. B. Social Distancing), sogar bevor sie offiziell durch die Bundesregierung am 22.3.2020 verkündet wurden. Dies ergaben empirische Erhebungen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Es bedurfte für diese Bürger daher keinerlei extrinsischer Motivation. Stattdessen war intrinsische Motivation für sie alleinig maßgeblich – es galt die eigene Gesundheit zu schützen, die Gesundheit der Mitbürger (vor allem der Risikogruppen) und somit die Gesellschaft selbst. Ein fantastisches "Wir-Gefühl" entstand, dass uns als Volk einander noch näherbringt und unseren "Gesellschaftsvertrag" stärkt.
3.2.2 Gründe des abweichenden Verhaltens einzelner Menschen
Wenn Bürger die Verfassungsmäßigkeit entsprechender Regelungen anzweifeln und Beschränkungen gerichtlich überprüfen lassen, ist dies Ausdruck einer zu begrüßenden lebendigen Demokratie. Wenn sich Bürger hingegen ohne gerichtliche Überprüfung über entsprechende Vorgaben hinwegsetzen, kann dies – positiv betrachtet – als kritisch reflektierter ziviler Ungehorsam dargestellt werden und/oder – negativ betrachtet – droht es den "Gesellschaftsvertrag" ins Wanken zu bringen. Oft dürfte es jedoch vor allem von einer "individuellen Risikoabwägung" geprägt sein (3. Faktor). In diese Abwägung flossen wohl unterschiedlich intensiv verschiedene Argumente ein: Erwägungen zu den Grundrechten einerseits und andererseits ein Gefühl, entweder selbst nicht im ausreichend intensiven Maße gesundheitlich gefährdet zu sein oder (nach Infektion) andere Personen nicht zu gefährden. Eine Diskussion, die in stärker betroffenen Ländern wie Italien (soweit ersichtlich) nicht in gleicher Intensität auftrat.