Prof. Dr. Anja Mengel, Jan Peters
Für dieses konkretisierende Recht folgt der europäische Normgeber einer speziellen Regelungstechnik: Die Anwendbarkeit einzelner Differenzierungskriterien wird durch Primärrecht und durch Richtlinien ausgeschlossen (sog. Anknüpfungsverbote). So untersagt Art. 18 AEUV die Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, während Art. 157 Abs. 1 AEUV die Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechts untersagt. In der Richtlinie 2000/43/EG vom 29.6.2000 ist die Diskriminierung wegen der Rasse oder ethnischen Herkunft verboten, in der Richtlinie 2000/78/EG vom 27.11.2000 die Ungleichbehandlung wegen des Alters, der Religion oder Weltanschauung, wegen einer Behinderung oder der sexuellen Ausrichtung. Die Richtlinie 76/207/EWG, geändert durch Richtlinie 2002/73/EG vom 23.9.2002, ersetzt durch die Richtlinie 2006/54/EG vom 5.7.2006, untersagt schließlich – über das Entgelt hinaus – die Diskriminierung wegen des Geschlechts. Dabei gelten für alle Diskriminierungsverbote des Unionsrechts gemeinsame Grundsätze.
3.1.1 Arten von Diskriminierungen
Wird an ein verbotenes Differenzierungskriterium unmittelbar angeknüpft, z. B. bei einem Nachtarbeitsverbot für Frauen, spricht man von einer unmittelbaren Diskriminierung. Eine unmittelbare Diskriminierung wird auch dort angenommen, wo das Unterscheidungsmerkmal derart eng mit dem verbotenen Differenzierungskriterium verbunden ist, dass andere (nicht von dem Diskriminierungsverbot geschützte) Personen es gar nicht erfüllen können. So sind nachteilig wirkende Regelungen aufgrund einer Schwangerschaft unmittelbare Diskriminierungen wegen des Geschlechts.
Eine sog. mittelbare Diskriminierung liegt dagegen vor, wenn nach einem (scheinbar) neutralen Merkmal differenziert wird, die faktischen Auswirkungen der Unterscheidung aber eine, durch ein Differenzierungsverbot des Unionsrechts geschützte Personengruppe in besonderer Weise benachteiligen. So wird regelmäßig eine mittelbare Diskriminierung in einer Schlechterstellung von Teilzeitbeschäftigten gesehen, weil Teilzeitstellen weit überwiegend mit Frauen besetzt sind. In Art. 2 Abs. 3 und 4 der Richtlinien 2000/43/EG, 2000/78/EG und 76/207/EWG, geändert durch die Richtlinie 2002/73/EG, ersetzt durch die Richtlinie 2006/54/EG, werden diesen Diskriminierungsformen die Belästigung und die Anweisung zur Diskriminierung gleichgestellt.
3.1.2 Beweislast
Eine mittelbare Diskriminierung könnte ein Anspruchsteller vor Gericht selten in vollem Umfang nach den allgemeinen Beweislastregeln beweisen. Um die Diskriminierungsverbote effektiv zu machen, hat der EuGH deshalb früh eine Erleichterung nationaler Beweislastregeln gefordert. Im Anschluss an diese Rechtsprechung sieht das Europarecht nun Beweiserleichterungen vor: Danach muss zwar für die Ungleichbehandlung der Vollbeweis geführt werden. Dass die Differenzierung aber gerade aufgrund des verbotenen Merkmals erfolgte, muss nur glaubhaft gemacht werden. Für die Glaubhaftmachung ist heute kein statistischer Nachweis mehr nötig, sondern nur noch die Glaubhaftmachung, dass eine Regelung diskriminierend wirken kann. Ist das verbotene Differenzierungskriterium glaubhaft gemacht, muss der Anspruchsgegner voll beweisen, dass es eine objektive, also nicht diskriminierende Rechtfertigung für die Differenzierung gibt.
3.1.3 Rechtfertigung
Für die Rechtfertigung ist zwischen unmittelbaren und mittelbaren Diskriminierungen zu unterscheiden. Letztere sind allgemein einer Rechtfertigung zugänglich, wenn die Ungleichbehandlung einem rechtmäßigen Ziel dient, das nichts mit dem verbotenen Differenzierungsmerkmal zu tun hat und in verhältnismäßiger Weise eingesetzt wird. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit soll (bisher) stets ein rechtmäßiges Differenzierungsziel sein. Dagege...