Dr. Josef Baumüller, Astrid Leben
Rz. 43
Das Ziel der Angabepflicht ESRS S1-2 besteht darin, ein Verständnis dafür zu schaffen, wie das Unternehmen den laufenden Stakeholder-Dialog mit den eigenen Arbeitskräften oder deren Repräsentanten führt
- über wesentliche, tatsächliche und potenzielle, positive und/oder negative Auswirkungen, die Auswirkungen auf alle Arbeitskräfte des Unternehmens haben oder haben können, und
- ob und wie die Sichtweisen der eigenen Arbeitskräfte in den Entscheidungsprozessen des Unternehmens berücksichtigt werden (ESRS S1.26).
Rz. 44
Die Angabepflichten des ESRS S1-2 adressieren eine Darstellung über allgemeine Verfahren für die Einbeziehung der eigenen Arbeitskräfte und deren Repräsentanten in Bezug auf tatsächliche und potenzielle Auswirkungen auf die Arbeitskräfte des Unternehmens (ESRS S1.25). Das Unternehmen muss dafür folgende Darstellungen in die Berichterstattung aufnehmen:
- ob der Austausch direkt mit den Arbeitnehmern erfolgt oder auf Ebene der Mitbestimmungsakteure bzw. Arbeitnehmervertreter (Gewerkschaftsvertreter, Betriebsrat; ESRS S1.27(a));
- die Phasen, die Art der Einbeziehung (z. B. Meeting mit dem Management) sowie die Häufigkeit bzw. Regelmäßigkeit des Austauschs (ESRS S1.27(b));
- die Funktion und höchste Position jener Person im Unternehmen, die die operative Verantwortung dafür trägt, dass die Einbeziehung tatsächlich stattfindet ("and that the results inform the undertaking’s approach"; ESRS S1.27(c));
- wo zutreffend, globale Rahmenvereinbarungen oder andere Vereinbarungen mit Arbeitnehmervertretern im Kontext der Achtung der Menschenrechte (ESRS S1.27(d));
- wo zutreffend, die Bewertung der Wirksamkeit der Einbeziehung der eigenen Arbeitskräfte, einschl. – wenn wesentlich – erzielte Vereinbarungen (z. B. Betriebsvereinbarungen) oder Ergebnisse (ESRS S1.27(e)).
Rz. 45
Bei der Erfüllung der Angabepflicht zur Einbindung der eigenen Arbeitskräfte und deren Repräsentanten bzw. Mitbestimmungsakteuren hat das Unternehmen gem. Anwendungsanforderungen folgende Informationen zu berichten (ESRS S1.AR24):
- die Art der Einbeziehung (z. B. Information, Anhörung oder Mitbestimmung) und Häufigkeit (z. B. fortlaufend, vierteljährlich, jährlich),
- wie Rückmeldungen erfasst und in die Entscheidungsfindung einbezogen werden und inwiefern Personen innerhalb der eigenen Arbeitskräfte darüber informiert werden, wie ihre Rückmeldungen Entscheidungen beeinflusst haben,
- ob die Aktivitäten zur Einbeziehung auf Organisationsebene oder auf einer niedrigeren Ebene, z. B. auf Standort- oder Projektebene, stattfinden, und in letzterem Fall, wie die Informationen über Aktivitäten zur Einbeziehung zentralisiert werden,
- die Mittel (z. B. finanzielle oder personelle Mittel), die der Einbeziehung zugewiesen werden, und
- wie es Personen innerhalb seiner Arbeitskräfte und Arbeitnehmervertreter in Bezug auf Auswirkungen einbezieht, die sich aus der Reduktion der CO2-Emissionen (§ 6 Rz 82 ff.) und dem Übergang zu umweltfreundlicheren und klimaneutralen Tätigkeiten für seine eigenen Arbeitskräfte ergeben können, insbes. im Hinblick auf Umstrukturierung, Verlust oder Schaffung von Arbeitsplätzen, Ausbildung und Weiterbildung, Gleichstellung der Geschlechter und soziale Gerechtigkeit sowie Gesundheit und Sicherheit.
Darüber hinaus finden sich in den Anwendungsanforderungen (ESRS S1.AR18–AR23 sowie ESRS S1.AR25 f.) zahlreiche Empfehlungen, welche weiterführende Informationen im Zusammenhang mit ESRS S1-2 offenzulegen sein könnten, um ein umfassendes Verständnis zur Einbeziehung der eigenen Arbeitskräfte und der Arbeitnehmervertreter zu entwickeln, bspw. im Zusammenhang mit Diversität (Rz 93 ff.).
Praxis-Beispiel WMBC – Einbindung der eigenen Arbeitskräfte
„Stakeholdergruppe: eigene Arbeitskräfte
Wie wir uns engagieren
- Globale und lokale Bürgerversammlungen mit Fragen- und Antwortrunden
- Intranet
- Regelmäßige Mitarbeiterumfragen
- Regelmäßige Zusammenarbeit mit Gewerkschaften
- Regelmäßige Beurteilungen der Arbeit
- Training, Coaching und Mentorenschaften
- Training und Bewusstseinsbildung zu Gesundheit, Umwelt, Sicherheit, Qualität
- Ethik- und Compliance-Schulungen und Bewusstseinsbildung
- Netzwerk Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration und lokale Teams
- Globale Bewusstseinstage
- Betriebsversammlungen und Sicherheitsgespräche
- Netzwerke für unterrepräsentierte Gruppen
Zentrale Themen in 2023
- Sicherheit, Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz
- Vergütung und Lebenshaltungskosten
- Produkteinschränkungen und Umstellungen
- Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration
- Flexible und hybride Arbeitsmodelle
- Karrieremöglichkeiten, Weiterbildung und -entwicklung
- Anerkennung bei der Arbeit
- Ethisches Verhalten und der Wert der eigenen Meinung
- Entwicklung eines unternehmerischen Denkens
- Vereinigungsfreiheit”
Rz. 46
Sofern marginalisierte Arbeitnehmer zu den eigenen Arbeitskräften zählen, ist offenzulegen, welche Schritte vom Unternehmen gesetzt wurden, um Informationen über die Sichtweisen von solchen Beschäftigtengruppen zu erlangen, die besonders von negativen Auswirkung...