Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Zulässigkeit des Sozialrechtswegs bei einer Streitigkeit aus einer Leistungsvereinbarung zwischen Einrichtungsträger und Sozialhilfeträger
Leitsatz (amtlich)
Für die Klage eines Einrichtungsträgers gegen den Sozialhilfeträger aus der Leistungsvereinbarung wegen Vertragsverletzung ist der Sozialrechtsweg eröffnet.
Für die Bestimmung des Rechtswegs kommt es nicht darauf an, ob die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage erfüllt sind, z.B. ob sie statthaft und der Kläger klagebefugt ist (BSG, 6. Dezember 2018, B 8 SO 9/18 R, BSGE 127, 92).
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 10. Februar 2021 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist zulässig.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
III. Der Streitwert wird auf 3.534,11 Euro festgesetzt.
IV. Die Beschwerde zum Bundessozialgericht wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger und Beschwerdeführer wendet sich gegen eine Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht München I.
Der Kläger ist ein privatrechtlich organisierter Träger unter anderem einer im Stadtzentrum von A-Stadt gelegenen stationären Einrichtung (A.), in der er Leistungen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten erbringt, §§ 67 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Der Beklagte und Beschwerdegegner ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe. Mit dem Beklagten hat der Kläger für den sog. Übergangsbereich eine Leistungsvereinbarung nach den §§ 75 ff. SGB XII geschlossen. Gegenstand der Leistungen sind neben der Überlassung eines Wohnplatzes Beratung und Betreuung auf Grundlage einer individuellen Hilfeplanung, Tagesstrukturangebote, die Einbindung in die Hausgemeinschaft, Therapie- und Freizeitangebote oder auch die Vermittlung von Arbeits- und Beschäftigungsangeboten. Die Einrichtung gehört zu den anerkannten Einrichtungen nach der sog. Bayreuther Vereinbarung, mit der die Bezirke Regelungen zum Verwaltungsablauf für diesen Leistungsbereich getroffen haben.
Ab dem 26.11.2018 nahm der Kläger Herrn D. (L.), kroatischer Staatsangehöriger, in die Einrichtung auf und teilte dies dem Beklagten am selben Tag mit. Herr L. beantragte beim Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII, die ihm nach Aufnahme einer Beschäftigung ab 03.04.2019 mit Bescheid vom 24.05.2019 vom 03.04.2019 bis 31.12.2019 bewilligt wurden. Der Beklagte erklärte hierfür die Kostenübernahme. Für den Zeitraum vom 26.11.2018 bis 02.04.2019 lehnte der Beklagte die Leistungsgewährung mit weiterem, bestandskräftigem Bescheid vom 13.09.2019 ab, weil Herr L. als Ausländer konkret für diesen Zeitraum von Leistungen ausgeschlossen sei.
Mit Schriftsatz vom 15.12.2019 hat der Kläger beim Sozialgericht München Klage erhoben und beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 17.670,56 Euro zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Er stütze den Zahlungsanspruch auf eine Verletzung der Pflichten des Beklagten aus der Leistungsvereinbarung. Diese enthalte bereits umfangreiche Pflichten für den Kläger, z.B. die Durchführung eines persönlichen Vorstellungsgespräches, die Klärung der Notwendigkeit einer stationären Aufnahme sowie die Einleitung des Hilfeplanverfahrens. Zwar sehe die Leistungsvereinbarung die Aufnahme der Betroffenen in die Einrichtung erst nach einer positiven Entscheidung des Beklagten zur Kostenübernahme vor. Es sei aber gelebte Vertragspraxis, dass die Betroffenen von der Einrichtung tatsächlich aufgenommen würden und dann unverzüglich der Leistungsantrag beim Beklagten gestellt werde. Der Kläger sei hierbei behilflich.
Im Fall von Herrn L. habe der Beklagte am 05.12.2018 den Leistungsantrag erhalten. In der Folgezeit sei durch den Kläger bei der zuständigen Sachbearbeiterin und deren Vertreter wiederholt bezüglich der Kostenübernahme nachgefragt worden. Am 30.01.2019 sei die baldige Übersendung des Bescheides zugesagt worden. Erst am 13.09.2019 sei der Ablehnungsbescheid ergangen. Für die im Zeitraum vom 26.11.2018 bis 02.04.2019 erbrachten Leistungen (z.B. Gewährung von Unterkunft, Vollverpflegung, Wäscheversorgung sowie Maßnahmen im sozialen, arbeitstherapeutischen und psychologischen Bereich) stünden gemäß der Vergütungsvereinbarung mit dem Beklagten insgesamt 17.230,56 Euro offen. Hinzu kämen Vorschüsse auf den Barbetrag von insgesamt 440,- Euro.
Es sei rechtswidrig, wenn der Kläger auf diesem Aufwand ohne Erstattung sitzen bliebe. Die Leistungsvereinbarung begründe wechselseitig Rechte und Pflichten, für den Kläger eine Aufnahmeverpflichtung und für den Beklagten eine Verpflichtung zur unverzüglichen Entscheidungsfindung. Aus der Leistungsvereinbarung sei zumindest eine vertragliche Nebenpflicht des Beklagten abzuleiten, wonach die Entscheidungsprozesse zur Kostenträgerschaft nicht länger brauchen dürften als erforderlich. Sie dürften auch nicht so gestaltet werden, dass der Träger der Einrichtung durch ungede...