Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren: Beschwerdewert bei Geltendmachung mehrerer Ansprüche in Bezug auf dieselbe Forderung mit einer Klage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Feststellung des Beschwerdewerts nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wird bei mehreren mit einer Klage geltend gemachten Ansprüchen deren Wert nicht zusammengerechnet, wenn die Ansprüche wirtschaftlich gesehen identisch sind, also auf dasselbe Interesse bzw. dasselbe wirtschaftliche Ziel gerichtet sind. Dies ist bei Aufhebung, Rückforderung und Aufrechnung in Bezug auf dieselbe Forderung der Fall.

2. § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG verlangt, dass ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. Aus den vorgetragenen Tatsachen muss sich jedenfalls schlüssig ergeben, welcher Mangel gerügt werden soll bzw. in welchem Vorgehen des Sozialgerichts ein Verfahrensmangel gesehen wird.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 24. März 2021 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer (Bf) wendet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts München vom 24.03.2021. In der Sache ist die teilweise Aufhebung der dem Bf für Januar 2019 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) wegen Berücksichtigung eines Guthabens aus der Betriebskostenabrechnung des Vermieters für das Jahr 2017, die Forderung ihrer Erstattung in Höhe von 513,07 Euro sowie die Aufrechnung in Höhe von 10 % der Regelleistung ab August 2019 streitig.

Der 1954 geborene Bf stand beim Beschwerdegegner (Bg) im Leistungsbezug. Mit Bescheid vom 21.06.2018 bewilligte der Bg dem Bf Leistungen für die Zeit vom 01.07.2018 bis 30.06.2019 in Höhe von 1.139,74 Euro. Am 24.11.2018 erging wegen der Erhöhung des Regelbedarfs ein Änderungsbescheid und es wurden Leistungen für die Zeit von 01.01.2019 bis 30.06.2019 in Höhe von 1.147,74 Euro monatlich gewährt. Im November 2018 wurde dem Bf von der Vermieterin die Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2017 übermittelt, die ein Guthaben von 513,07 Euro ausweist. Eine Auszahlung des Guthabens erfolgte im Dezember 2018.

Mit streitigem Bescheid vom 31.07.2019 hob der Bg die vorangegangenen Bewilligungen für den Monat Januar 2019 auf, forderte eine Erstattung in Höhe von 513,07 Euro und rechnete den Erstattungsbetrag in Höhe von 42,40 Euro monatlich ab 01.08.2019 gegen den Anspruch des Bf auf Leistungen nach dem SGB II auf. Den hiergegen mit Schreiben vom 11.08.2019 eingelegten Widerspruch wies der Bg mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2019 zurück. Mit Bescheid vom 31.07.2019 bewilligte der Bg dem Bf für die Zeit vom 01.08.2019 bis 31.03.2020 (wegen Erreichens der Regelaltersgrenze am 26.03.2020) Leistungen nach dem SGB II und berücksichtigte hierbei die Aufrechnung in Höhe von 42,20 Euro monatlich.

Am 28.11.2019 (Eingang) erhob der Bf Klage zum Sozialgericht München. Zur Begründung trug er insbesondere vor, dass er sich gegenüber dem Bg in keiner Weise falsch verhalten habe, aber durch 10 %-Abzüge bestraft werde. Die zurückerstattete Summe sei auf das Konto seiner Schwester gezahlt worden, die die Zahlung nicht an ihn überwiesen habe. Er schulde seiner Schwester noch Geld. Der Bg verwies darauf, dass die Klage unzulässig, da verfristet erhoben worden sei.

Am 24.02.2020 erhob der Bf erneut wegen des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 31.07.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2019 Klage (S 19 AS 314/20). Mit Beschluss vom 06.04.2020 wurde die Klage zum Verfahren S 19 AS 2525/19 verbunden und unter diesem Aktenzeichen fortgeführt.

Die Beteiligten erklärten mit Schreiben vom 11.07.2020 und 27.07.2020 ihr Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 24.03.2021 ab. Die Anfechtungsklage sei bereits unzulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben worden sei. Der angefochtene Widerspruchsbescheid trage das Versendedatum 23.10.2019 und gelte damit am 26.10.2019 als zugegangen. Ein späterer Zugang sei nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden. Die Klage hätte bis zum 26.11.2019 bei Gericht eingehen müssen und sei bei ihrem Eingang am 28.11.2019 verfristet gewesen. Hinweise darauf, dass der Bf ohne Verschulden verhindert gewesen sei, diese Frist einzuhalten, lägen nicht vor und seien auch nicht geltend gemacht worden. Die am 24.02.2020 erneut gegen den streitigen Bescheid erhobene und hinzuverbundene Klage sei wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Die Klagen seien zudem unbegründet. Durch das Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung im Dezember 2018 sei nach Erlass der Bewilligungsentscheidungen vom 21.06.2018 und 24.11.2018 in den Verhältnissen betreffend den Monat Januar 2019 nachträglich eine wesentliche Änderung iSd § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) e...

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