Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht: Anspruch auf eine kostenfreie Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr bei Bezug von Hilfe zur Pflege

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach § 145 S. 10 Nr. 2 SGB IX a.F. findet auch im Rahmen des § 228 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX n.F. Berücksichtigung. Danach haben Personen, die ausschließlich Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII beziehen, keinen Anspruch auf eine kostenfreie Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im Nahverkehr.

 

Orientierungssatz

Zitierungen: Vergleiche BSG, 25. Oktober 2012, B 9 SB 1/12 R, BSG, 6. Oktober 2011, B 9 SB 6/10 R, BSG, 12. Mai 2014, B 9 SB 81/13 B

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. August 2018, S 13 SB 406/17, wird zurückgewiesen.

II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind zu erstatten.

 

Gründe

I.

In der Hauptsache streiten die Beteiligten darüber, ob die Klägerin für das Jahr 2018 nach § 228 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) Anspruch auf eine Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr ohne Eigenbeitrag hat.

Die 1936 geborene Klägerin steht unter gesetzlicher Betreuung des Herrn B., B-Stadt. Der Klägerin sind ein Grad der Behinderung (GdB) i.H.v. 100 sowie die Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt (Änderungsbescheid des Beklagten vom 21.05.2014).

Wie schon die Jahre zuvor beantragte die Klägerin, vertreten durch ihren Betreuer, am 11.05.2017 beim Beklagten die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr mit einjährigem Gültigkeitszeitraum ab Juli 2017. Zugleich übersandte sie die Kopie eines Bescheids des Bezirks Mittelfranken vom 12.03.2014, wonach sie ab 01.05.2013 bis auf weiteres Hilfe zur Pflege in einer stationären Einrichtung - K. -Heim, A-Stadt - nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) erhält. In dem Bescheid wird des Weiteren geregelt, dass der Klägerin ein Betrag in Höhe des Barbetrags zur persönlichen Verfügung aus ihrem Einkommen belassen wird. Zudem wurde ein monatlich zu leistender Aufwendungsersatz aus Einkommen und Vermögen der Klägerin festgesetzt.

Der Beklagte forderte vom Bezirk Mittelfranken ein "Berechnungsblatt SGB XII" an.

Mit Bescheid vom 16.05.2017 (Widerspruchsbescheid vom 29.05.2017) lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin vom 11.05.2017 auf kostenfreie Ausgabe einer Wertmarke ab. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen für die Ausgabe einer kostenfreien Wertmarke nicht. Sie gehören nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten; insbesondere beziehe sie keine laufenden Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII, sondern nur Leistungen im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel (§§ 61 bis 66 SGB XII).

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Mit Urteil vom 08.08.2018 hat das SG den Bescheid vom 16.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.05.2017 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine unentgeltliche Wertmarke für die Freifahrt im Nahverkehr ab 2018 auszustellen.

Hiergegen hat der Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben (Az. L 18 SB 144/18). Nach Hinweis des Senats, dass die Berufung unzulässig sei, weil sie der Zulassung bedurft hätte, das SG die Berufung aber nicht zugelassen habe, nahm der Beklagte die Berufung mit Schriftsatz vom 05.11.2018 (Eingang beim LSG am 13.11.2018) zurück. Zugleich hat er gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 08.08.2018 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Der Beklagte begründet seine Nichtzulassungsbeschwerde zum einen damit, dass das SG eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung behandle. Bislang sei noch nicht abschließend geklärt, ob § 228 Abs. 4 Nr. 2 SGB IX analog auf andere Sozialhilfeleistungen, die in der Vorschrift nicht ausdrücklich normiert seien, anzuwenden sei. Zum anderen sei das SG von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, insbesondere vom Urteil vom 06.10.2011 - B 9 SB 6/10 R, abgewichen. Danach habe das BSG eine analoge Anwendung der Anspruchsgrundlage auf Bewilligung einer kostenfreien Wertmarke für die unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr auf Empfänger anderer Sozialhilfeleistungen, als die in der Anspruchsgrundlage genannten, abgelehnt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des SG vom 08.08.2018 ist zulässig.

a. Die Beschwerde wurde form- und fristgemäß eingelegt (§ 145 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Beklagten erfolgte am 13.11.2018 und somit fristgemäß. Das SG hat...

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