Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Tätigkeit eines Arztes für eine Gemeinschaftspraxis in Form einer GbR im Operationsbereich eines Krankenhauses auf der Basis eines Kooperationsvertrages der GbR mit dem Krankenhaus. Gesellschafter der GbR. abhängige Beschäftigung. selbstständige Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Unter bestimmten Umständen können externe Ärztinnen und Ärzte, die in einem Krankenhaus bei Abrechnung des Krankenhauses mit den Krankenkassen der Patienten tätig werden, als Selbständige und nicht als abhängig Beschäftigte beurteilt werden.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 23. Juni 2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Beigeladenen zu 1).
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf 5.000,00 Euro.
Tatbestand
Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Beigeladenen zu 1 in seiner Tätigkeit als Gynäkologe im Operationsbereich (OP) der Klägerin, einer Frauenklinik.
Der Beigeladene zu 1, Professor für Gynäkologie, war von Januar bis Juni 2018 als angestellter Arzt bei der Klägerin tätig. Nach Beendigung dieser Tätigkeit trat der Beigeladene zu 1 im Januar 2019 als Gesellschafter der Gemeinschaftspraxis "M GbR" (im Folgenden: GbR) bei. Der GbR gehören zwei weitere Gynäkologen als Gesellschafter an; hinzu kommen bei der GbR angestellte Ärztinnen und Ärzte. Schwerpunkt der GbR sind minimalinvasive gynäkologische Eingriffe.
Die GbR hat ihre Praxis am Flughafen A (Jahresmiete 62.000 €), zusätzlich einen Raum in der W-Klinik (Jahresmiete 6.600 €), jedoch keinen OP. Die GbR hat weitere laufende Ausgaben für die Praxis, vor allem in Form von Personalkosten für angestellte Fachärzte und nichtärztliche Mitarbeiter. Ferner wurden auch für Ausstattung, medizinische Geräte und Marketing Investitionen getätigt.
Da die GbR über keinen eigenen OP verfügt, wurde eine Kooperation mit der Klägerin über die Bereitstellung von OP-Kapazitäten inklusive Infrastruktur und OP-Team seitens der Klägerin an die GbR vereinbart. Die Klägerin hat keinen Einfluss darauf, welcher der für die GbR tätigen Ärzte die jeweilige OP durchführt; dies wird allein von der GbR bestimmt. Der Kooperationsvertrag wurde zunächst mündlich geschlossen und am 22.05.2020 auch schriftlich niedergelegt. Nach dem bei den Akten befindlichen Kooperationsvertrag werden die Ärzte der GbR bei der Klägerin weisungsfrei tätig.
Die GbR ist aufgrund des Vertrages zu bestimmten Zeiten zur Nutzung des OPs und der dort befindlichen Geräte berechtigt. Die ärztlichen Leistungen (OP und stationäre Versorgung) werden seitens der Klägerin gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet. Von den Zahlungen der Krankenkasse erhält die GbR einen bestimmten Prozentsatz, mindestens 19%, wobei für jeden anstehenden Angriff separat verhandelt zwischen der Klägerin und der GbR. Privatversicherte werden im Rahmen der streitgegenständlichen Kooperation nicht operiert.
Während der Operationen arbeitet der jeweilige Arzt der GbR mit dem nichtärztlichen OP-Team der Klägerin zusammen und ist diesem gegenüber auch weisungsberechtigt. Sofern ein Assistenzarzt, der bei der Klägerin angestellt ist, mit im OP tätig ist, was nur der Fall ist, wenn die GbR nicht einen eigenen Assistenzarzt einsetzt, unterliegt auch dieser dem Weisungsrecht des Operateurs der GbR.
Die Patientinnen und Patienten, die im Rahmen der Kooperation im OP der Klägerin operiert werden, werden ausschließlich von der GbR akquiriert. Nach der OP werden sie stationär im Rahmen des Krankenhausbetriebes der Klägerin betreut, wobei die GbR verpflichtet ist, regemäßige Visiten bei diesen Patientinnen durchzuführen, und auch in eigener Verantwortung eine Rufbereitschaft für Notfälle zu organisieren.
Vertragliche Verpflichtungen des Beigeladenen zu 1 gegenüber der Klägerin bestehen nicht. Vertragspartner ist alleine die GbR. Demzufolge besteht auch kein Anspruch der Klägerin gegen den Beigeladenen zu 1 auf Erbringung konkreter Arbeitsleistungen, etwa auf Durchführung einer bestimmten OP zu einer bestimmten Zeit, oder auf seine Anwesenheit oder Einsatzbereitschaft zu bestimmten Zeiten.
Ebensowenig besteht ein direkter Anspruch des Beigeladenen zu 1 gegen die Klägerin auf Vergütung, wenn er im OP der Klägerin tätig wird. Welcher Anteil der von der Klägerin an die GbR geleisteten Zahlungen letztlich dem Beigeladenen zu 1 zufließt im Rahmen der internen gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen, ua etwa der Mitgesellschafter der GbR zur Gewinnverteilung, entzieht sich sowohl dem Einfluss, als auch der Kenntnis der Klägerin.
Soweit von Seiten der Krankenkassen Kürzungen gegenüber der Klägerin vorgenommen werden, kürzt die Klägerin auch ihre prozentuale Zahlung an die GbR entsprechend. Zuviel geleistete Beträge werden mit den weiteren Zahlungen verrechnet.
Die Klägerin und der Beigeladene zu 1 beantragten bei der Beklagten die Statusfeststellung für die streitgegenständ...