Leitsatz (amtlich)
Bei der Beurteilung, ob eine Berufskrankheit vorliegt, können für die Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen die Stellungnahmen der Präventionsdienste der Berufsgenossenschaften herangezogen werden, wenn diese von der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ermittelbaren Belastung ausgehen.
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 08.07.2009 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit (BK) nach den Nummern 2108 beziehungsweise 2109 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Der 1953 geborene Kläger erlernte von 1968 bis 1971 in Rumänien den Beruf eines Schmieds. Von 1975 bis 1978 leistete er Militärdienst und absolvierte anschließend eine Ausbildung als Zimmermann. In diesem Beruf arbeitete er bis 1989. Von März 1990 bis 1993 war er im so genannten Zettelgatter der E. AG in A. beschäftigt. Von 1994 bis Februar 2004 arbeitete er in der Kett-Fertigung der Firma E. AG (heute A.).
Im September 2004 wurde von der Krankenversicherung ein BK-Verfahren wegen eines zervikalen Bandscheibenschadens eingeleitet. Die Beklagte zog die Unterlagen der behandelnden Ärzte bei und hörte ihren Technischen Aufsichtsdienst -TAD- (heute Präventionsdienst) an.
Der TAD ermittelte am 24.11.2004 Folgendes: Während der Tätigkeit im Zettelgatter habe der Kläger keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten ausgeführt. Er habe mit Spulen mit einem Maximalgewicht von 2 kg hantiert und 250 kg schwere Wagen schieben müssen. Ein Tragen von Lasten auf der Schulter habe nicht stattgefunden. In der Kettfertigung habe der Kläger an vier Tagen im Monat Garnspulen mit 11 und 16 kg einsetzen müssen. Die Spulen hätten auf vier Ebenen mit 40 bis 180 cm Höhe eingesetzt werden müssen. An 10 Tagen sei er im Schergatter eingesetzt gewesen. Dabei hätte an sogenannten "Zettelbäumen" die Fadenschar mit einer Teilstange hochgehoben und in verschiedene Höhen eingehängt werden müssen. Hierbei sei eine erhebliche Kraftaufwendung auch über Schulterhöhe erforderlich geworden (pro Schicht 60 bis 120 Stemmvorgänge). Als höchste Last seien 42 kg gemessen worden, durchschnittlich sei die Last geringer gewesen, mind. 24 kg. Ein Tragen von Lasten auf der Schulter habe nicht stattgefunden. Zu seiner Tätigkeit als Hufschmied und Zimmermann habe der Kläger keine schweren Hebe- und Tragearbeiten verrichtet.
Sodann hat die Beklagte eine fachärztliche Stellungnahme des Dr. L. und eine Stellungnahme des gewerbeärztlichen Dienstes eingeholt und anschließend mit Bescheid vom 15.02.2005 (Widerspruchsbescheid vom 06.06.2005) die Anerkennung einer BK abgelehnt. Klage wurde dagegen nicht erhoben.
Am 30.11.2005 beantragte der Kläger erneut die Anerkennung einer BK im Wege eines Zugunstenbescheides. Die Feststellungen seien nicht ausreichend, auch die bisherigen medizinischen Feststellungen seien ungenügend.
Die Beklagte holte eine Stellungnahme des TAD ein, wobei am 06.12.2006 eine Besprechung mit dem Kläger stattfand. Danach wurden in der Zettelei 6 - 7 Wägen mit einem Gewicht von 1000 kg eine ca. 50 m lange Strecke geschoben und Gatterwägen mit 108 Spulen (Gewicht à 1,6 kg) bestückt. In der Kettfertigung seien 8-mal pro Monat 340 Spulen mit einem Gewicht von 11 kg und 200 Spulen mit einem Gewicht von 16 kg von der Palette ins Gatter gehoben worden. Im Schergatter habe der Kläger nunmehr die 2004 festgestellten Werte in Frage gestellt. Die durchschnittliche beidhändige Hebebelastung sei auf 55 kg, 130-mal pro Schicht, anzuheben. Auch seien Webbäume eingestellt, Wägen mit 1-1,5 t geschoben und Gewichte in Assembliermaschinen eingehängt worden. Schließlich seien pro Schicht 30 Eimer Wachs mit 10 kg in einer Höhe von 1,5 m eingefüllt worden.
Diese Tätigkeiten seien bei der Berechnung der MDD-Dosis berücksichtigt worden.
Mit Bescheid vom 14.02.2007 (Widerspruchsbescheid vom 04.04.2007) lehnte die Beklagte die Rücknahme des unanfechtbar gewordenen Bescheides vom 15.02.2005 ab.
Am 04.05.2007 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Das SG hat die Akten der Beklagten sowie Unterlagen der behandelnden Ärzte beigezogen und Kollegen des Klägers als Zeugen angehört.
Sodann hat das SG Prof. Dr. S. mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 17.10.2008 führt der Gutachter aus, beim Kläger liege eine Erkrankung im Bereich der Wirbelsäule vor. In Bezug auf die Lendenwirbelsäule (LWS) handele es sich durchaus um Veränderungen, die mit einem Bandscheiben-Degenerationsprozess vereinbar seien. Als relevant auffällige Befunde am Übergang von der Brustwirbelsäule (BWS) zur LWS hätten sich radiologisch von der Formgebung her eindeutige sogenannte Syndesmophyten gezeigt. Die Beschwerden im Bereich der LWS seien von der Schmerzlokalisation einem Lumbalsyndrom zuzuordnen. Diese würden hervorgerufen durch eine Irritation des h...