Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. Sozialversicherungsfreiheit von Warengutscheinen bis zu 1.080 Euro nur, wenn Rabattfreibetrag für solche Waren gewährt wird, die der Arbeitgeber selbst herstellt oder vertreibt
Leitsatz (amtlich)
Warengutscheine bis zu 1080,00 Euro sind nur dann sozialversicherungsfrei, wenn der Rabattfreibetrag für solche Waren gewährt wird, die der Arbeitgeber selbst herstellt oder vertreibt.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 06. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Revision wird zugelassen.
IV. Der Streitwert wird festgesetzt auf 37.875,86 Euro.
Tatbestand
Streitig ist die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung iHv 37.875,86 Euro aufgrund einer sozialversicherungsrechtlichen Verbeitragung von Warengutscheinen für Beschäftigte der Klägerin.
Die Klägerin betreibt nach entsprechenden Umstrukturierungsmaßnahmen im N-Konzern als 100-prozentige Tochtergesellschaft der N Marken-Discountstiftung und Co. KG Logistikzentren und ist mittels Beherrschungs-und Ergebnisabführungsvertrages wirtschaftlich, finanziell und organisatorisch in die KG eingegliedert. In den Logistikzentren werden ausschließlich zum Verkauf durch N bestimmte Waren gelagert und an N-Filialen ausgeliefert.
Bei einer in der Zeit vom 15.05.2017 bis 26.6.2017 durchgeführten Lohnsteueraußenprüfung betreffend den Zeitraum November 2013 bis März 2017 wurde von der Steuerbehörde beanstandet, dass die Beschäftigten der Klägerin Warengutscheine zum Einkauf in N-Filialen erhalten hatten. Der Rabattfreibetrag von 1080 € jährlich für Warengutscheine könne nur vom Arbeitgeber gewährt werden (§ 8 Abs. 3 Einkommensteuergesetz - EStG). Bei einer Rabattgewährung durch Dritte sei der Rabattfreibetrag nicht anwendbar. Arbeitgeber sei hier aufgrund der Arbeitsverträge die Klägerin und nicht der Konzern, so dass die Warengutscheine als Sachbezüge nachversteuert werden müssten.
Die Beklagte führte aufgrund der Ergebnisse der Steuerprüfung bei der Klägerin vom 03.08.2020 bis 03.03.2021 eine Betriebsprüfung betreffend den Zeitraum 01.11.2013 bis 31.03.2017 durch. Mit Bescheid vom 03.03.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2021 forderte die Beklagte von der Klägerin - neben unstreitigen weiteren Nachforderungen - für die im Prüfzeitraum von der Klägerin an deren Beschäftige ausgegebenen Warengutscheine einen Betrag iHv 37.875,86 Euro nach.
Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt richte sich grundsätzlich nach dem Steuerrecht (§§ 14 und 17 SGB IV iVm § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung - SvEV). Bei der Gewährung des Rabattfreibetrags mittels Warengutscheinen müsse es sich nach § 8 Abs 3 EStG um Waren handeln, die vom Arbeitgeber hergestellt oder vertrieben werden. Wegen des Fehlens einer Konzernklausel in § 8 Abs. 3 EStG entfiele innerhalb eines Konzerns die Rabattmöglichkeit, wenn die jeweilige Tochtergesellschaft - wie hier die Klägerin - Arbeitgeber sei und nicht der Konzern. Die geldwerten Vorteile durch Warengutscheine von N an eigene Beschäftigte der Klägerin stellten damit sozialversicherungspflichtiges Entgelt dar und blieben nur im Rahmen der Freigrenze des § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG außer Ansatz.
Wegen der engen Anknüpfung des Beitragsrechts der Sozialversicherung an das Steuerrecht gelte bei Beitragsansprüchen auf der Grundlage eines Berichtes bzw Bescheides der Finanzverwaltung die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Des Weiteren sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 30.03.2000 - B12 KR 14/99 R) von bedingtem Vorsatz auszugehen, da die Entgeltabrechnung im Betrieb von eigenem fachkundigen Personal vorgenommen worden sei.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Regensburg mit Gerichtsbescheid vom 06. Juli 2022 als unbegründet ab.
Die geldwerten Vorteile durch die Gewährung der Warengutscheine stellten sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV bzw. § 3 SvEV dar. Diese geldwerten Vorteile seien gemäß § 3 SvEV iVm § 8 Abs 3 Satz 2 EStG steuer- und beitragsfrei, soweit sie 1.080 € jährlich nicht übersteigen ("sog. Rabattfreibetrag"), wenn die Waren vom Arbeitgeber überwiegend für den Bedarf seiner Beschäftigten hergestellt, vertrieben oder erbracht würden (§ 8 Abs 3 Satz 1 EStG). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gelte die Vergünstigung des § 8 Abs 3 EStG allerdings grundsätzlich nur für Waren oder Dienstleistungen, die der Arbeitgeber als eigene herstellt, vertreibt oder erbringt (Urteile vom 28.08.2002 in BFHE 200, 254, BStBl II 2003, 154, und vom 9. Oktober 2002 VI R 164/01, BFHE 200, 354, BStBl II 2003, 373).
Hersteller einer Ware oder Erbringer einer Dienstleistung iS des § 8 Abs. 3 EStG sei nach dieser Rechtsprechung des BFH sowohl der Arbeitgeber, der den Gegenstand oder die Dienstleistung selbst produziert, vertreibt oder erbringt, al...