Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosenhilfe. Anwartschaftszeit. Antrag. Arbeitslosmeldung. Jährlicher Bewilligungsturnus. Einbeziehung eines neuen Verwaltungsakts in das Verfahren. Prozessökonomie. Dispositionsbefugnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Ablehnung eines Antrags auf Arbeitslosenhilfe durch die Agentur für Arbeit erfasst den gesamten Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung durch das Landessozialgericht. Eine Beschränkung der Regelungswirkung auf einen (fiktiven) Bewilligungszeitraum von einem Jahr findet nicht statt.
2. Stellt der Arbeitslose während des laufenden Gerichtsverfahrens gegen die Ablehnung von Arbeitslosenhilfe erneut einen Antrag auf Arbeitslosenhilfe und bewilligt ihm die Agentur für Arbeit nun diese Leistung, wird der Bewilligungsbescheid nicht gem. § 96 SGG in das Verfahren einbezogen.
Normenkette
SGB III § 190 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 S. 1, §§ 196, 198; SGG § 96 Abs. 1
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.04.2004 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Am 1. März 2002 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Arbeitslosenhilfe (Alhi), den die Beklagte mit Bescheid vom 18.03.2002/Widerspruchsbescheid vom 14.05.2002 mangels Vorbezugszeiten (versicherungsrechtliche Voraussetzung gemäß § 190 Abs. 1 SGB III, Vorfrist: 01.03.2001 bis 28.02.2002) ablehnte.
Die dagegen zum Sozialgericht Landshut (SG) gerichtete Klage unter dem Az.: S 6 AL 173/02 war erfolglos (Urteil vom 28.04.2004).
Hiergegen hat die Klägerin Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt (Az.: L 8 AL 233/04).
Zur Begründung trägt die Klägerin vor (Schriftsatz 11.07.2005), dass durch die Entscheidung des SG Landshut in der Krankenversicherungssache die Probleme geklärt würden. Das eine Jahr, das ihr fehle, sei nun ersetzt. Beschwert sei sie aber, weil sie im Zeitraum vom 19.03.2002 bis 31.08.2003 keine Leistung bekäme.
Mit Bescheid vom 05.07.2005 hat die Beklagte ab 01.09.2002 Arbeitslosengeld (Alg) geleistet, aber ab 19.03.2002 den Anspruch nicht weiter erfüllt, weil es an der Meldung gefehlt habe (Säumniszeitbescheid vom 05.07.2005). Des Weiteren hat die Beklagte vom 01.09.2003 bis 13.02.2004 für 166 Tage (Erschöpfung des Anspruchs) Alg geleistet.
Gegen den versagenden Bescheid (Säumniszeitbescheid vom 05.07.2005) erhob die Klägerin, was der beigefügten Rechtsmittelbelehrung entsprach, Widerspruch; später Klage und Berufung (S 6 AL 269/05 bzw. L 8 AL 93/08).
Mit Bescheid vom 20.03.2006 bezog die Klägerin vom 14.02.2004 bis 31.12.2004 erneut Alhi.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG vom 28.04.2004 sowie des Bescheides vom 18.03.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.05.2002 zu verurteilen, ihr Arbeitslosenhilfe ab dem 01.03.2002 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten beider Instanzen und der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Ein Rechtsschutzbedürfnis ist nicht zu verneinen. Anders als durch eine Berufung kann die Klägerin ihren behaupten Anspruch auf Alhi nicht durchsetzen, da die Beklagte diesen weiterhin verneint.
Gegenstand des Verfahrens ist das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 28.04.2004, mit welchem der Bescheid der Beklagten vom 18.03.2002/Widerspruchsbescheid vom 14.05.2002 bestätigt worden ist. Dieser Bescheid hat zum Gegenstand die Versagung von Alhi ab dem 01.03.2002 ohne einen Endzeitpunkt zu nennen. Allgemein ist damit nicht nur eine im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Ablehnung des Anspruchs auf Alhi bezogen auf den betreffenden Beginnenszeitpunkt, sondern die gesamte Folgezeit bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung beim LSG Gegenstand des Verfahrens.
Zwar soll nach § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III in der bis zum 31.03.2004 geltenden Fassung die Alhi "jeweils für längstens ein Jahr bewilligt werden" und sind vor einer erneuten Bewilligung die Voraussetzungen des Anspruchs zu prüfen. Daraus folgt jedoch nicht, dass sich der den Alhi-Anspruch ablehnende Bescheid der Beklagten nur auf den Zeitraum eines Jahres bezieht und mangels Dauerwirkung nur eine zeitlich eingeschränkte Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen erfordert (vgl. BSG SozR 4100 § 138 Nr. 26 - zur Vorgängervorschrift des § 139a Arbeitsförderungsgesetz). Der Arbeitslose ist nicht gehalten, die Anspruchsvoraussetzungen für den Alhi-Anspruch ständig bzw. jährlich zu erneuern. § 323 Abs. 1 Satz 2 SGB III bestimmt, dass Alg und Alhi als mit der persönlichen Arbeitslosmeldung beantragt gelten. Weder § 323 noch § 190 SGB III kann entnommen werden, dass der Arbeitslose seine Arbeitslosmeldung entsprechend dem jährlichen Bewilligungsturnus des § 190 Abs 3 SGB III zu erneuern hätte. Dies hat das BSG für den nach früherem Recht noch als materielle Anspruchsvoraussetzung konzipierten Antrag auf Alhi bereits mehrfach en...