Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachversicherung: Säumniszuschlag wegen verspätet geleisteter Nachversicherungsbeiträge

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen der Glaubhaftmachung der unverschuldeten Unkenntnis von der Zahlungspflicht der Entscheidungsträger einer Behörde.

Zu den Anforderungen an die organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des notwendigen Informationsaustausches innerhalb einer juristischen Person bzw. einer Behörde einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hinsichtlich der Zahlungspflicht von Nachversicherungsbeiträgen.

Zu den Voraussetzungen der Annahme eines (bedingt) vorsätzlichen Verhaltens einer juristischen Person oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts im Rahmen des § 25 SGB IV.

 

Orientierungssatz

1. Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation muss es so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten. Hieraus folgt die Notwendigkeit eines internen Informationsaustausches. Die Notwendigkeit eines Informationsaustausches bedingt entsprechende organisatorische Maßnahmen. Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehlt, muss sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter - auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt sind - zurechnen lassen.

2. Werden bei einigen personalverwaltenden Stellen zwei verschiedene Vorgehensweisen praktiziert, um die Einstellung der Bezüge und die Nachversicherung zu veranlassen, so liegt hierin erkennbar eine potentielle Fehlerquelle. Eine solche Fehlerquelle ist durch konkret auf sie bezogene Maßnahmen auszuschalten und die Weiterleitung der entsprechenden Schreiben sicherzustellen bzw. Kontrollmechanismen zu schaffen.

3. Ist eine natürliche Person Beitragsschuldner, genügt im Regelfall die Kenntnis von der Beitragspflicht und der Nichtzahlung (trotz Fälligkeit), um zumindest bedingten Vorsatz des Beitragsschuldners anzunehmen. Jedenfalls dann, wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt - innerhalb der kurzen Verjährungsfrist - Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz. Auch bei einer juristischen Person oder einer Körperschaft öffentlichen Rechts reicht für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens iS des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV aus, dass dieser die Kenntnis von der Beitragspflicht zugerechnet wird.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 25.01.2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 100.860,50 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der klagende Freistaat einen Säumniszuschlag wegen verspätet geleisteter Nachversicherungsbeiträge zu zahlen hat.

Der 1946 geborene Versicherte G. P. war seit dem 01.07.1968 beim Kläger in einem versicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis als Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst beschäftigt. Aufgrund eigenen Antrags wurde er zum 07.06.1999 aus dem Beamtenverhältnis entlassen.

Die Nachversicherung erfolgte erst aufgrund eines Hinweises des Justizministeriums vom 24.06.2004, dem eine Beanstandung des Versicherten zugrunde lag. Mit Schreiben vom 02.07.2004 wurde darauf hin der Beklagten die Nachversicherungsdaten mitgeteilt. Die Wertstellung der Nachversicherungsschuld erfolgte am 09.07.2004.

Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hatte bereits mit Schreiben vom 02.06.1999 und 09.06.1999 über die Entlassung des Bediensteten die Bezirksfinanzdirektion, Bezügestelle Besoldung, "mit der Bitte um Einstellung der Dienstbezüge und weitere Veranlassung hinsichtlich der Nachversicherung" informiert. Diese Schreiben gingen bei dem für die Festsetzung und Abrechnung der Bezüge zuständigen Referat 51/2 der Abteilung V/2 ein, welches die Einstellung der Dienstbezüge und die Geltendmachung der erfolgten Überzahlung veranlasste. Die Sachbearbeiter dieses Referates unterrichteten jedoch das für die Durchführung der Nachversicherung zuständige Referat 55 vom Eintritt des Nachversicherungsfalls nicht.

Mit Bescheid vom 27.08.2004 setzte die Beklagte gegen den Kläger Säumniszuschläge auf Nachversicherungsbeiträge in Höhe von 100.860,50 € fest und forderte den Kläger zur Zahlung dieses Betrages auf. Auf der Basis eines Fälligkeitstages vom 08.06.1999 und unter Berücksichtigung eines Drei-Monats-Zeitraums zum Zweck der Klärung von Fragen eines etwaigen Aufschubs wurden der Berechnung 59 Monate Säumnis zugrunde gelegt.

Mit Schriftsatz vom 09.09.2004, eingegangen am 10.09.2004, hat der Kläger gegen diesen Bescheid Klage eingereicht und mit Schriftsatz vom 29.10.2004 die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger führte aus, dass die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ...

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