Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsprüfung. Beitragsnachforderung. arbeitsvertraglich wirksam vereinbarter Lohnverzicht bei im Gegenzug gewährten lohnsteuerfreien oder pauschal besteuerten Leistungen. Gehaltsumwandlung. beitragsrechtliche Relevanz gegenüber bloßer Lohnverwendungsabrede. zum Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" iSv § 40 Abs 2 S 1 Nr 5 EStG bzw § 40 Abs 2 S 2 EStG
Leitsatz (amtlich)
Ein arbeitsvertraglich wirksam vereinbarter Lohnverzicht bei im Gegenzug gewährten lohnsteuerfreien oder pauschal besteuerten Leistungen stellt keine Lohnverwendungsabrede dar, sondern eine beitragsrechtlich zu beachtende Entgeltumwandlung (Gehaltsumwandlung).
Orientierungssatz
Zum Tatbestandsmerkmal "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" iSv § 40 Abs 2 S 1 Nr 5 EStG bzw § 40 Abs 2 S 2 EStG.
Normenkette
SGB IV § 28p Abs. 1 Sätze 1, 5, § 14 Abs. 1 S. 1; EStG § 40 Abs. 2 S. 1 Nrn. 1, 5, § 40 Ab S. 2, § 3 Nr. 33, § 8 Abs. 2 Sätze 1, 9, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, Abs. 2; SvEV § 1 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-3, S. 4, § 3; SGB V § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; SGB III § 342; SGB VI § 162 Nr.1; SGB XI § 57 Abs. 1; SGG § 197a Abs. 1 S. 1, § 202 S. 1; ZPO § 524; VwGO § 154 Abs. 3, § 155 Abs. 1, § 162 Abs. 3
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 03.06.2014 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 10.02.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2012 in der Fassung des Bescheides vom 19.03.2013 aufgehoben, soweit die Beklagte Beiträge nebst Säumniszuschlägen nachfordert aus bisher unberücksichtigtem Entgelt von mehr als
für den Beigeladenen zu 1: |
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4.950,00 € |
für die Beigeladene zu 2: |
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1.104,00 € |
für die Beigeladene zu 3: |
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2.130,00 € |
für die Beigeladene zu 4: |
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1.914,00 € |
für die Beigeladene zu 5: |
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1.104,00 € |
für den Beigeladenen zu 6: |
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1.212,00 € |
für die Beigeladene zu 7: |
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1.155,00 € |
für die Beigeladene zu 8: |
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3.642,00 € |
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Die Klägerin und die Beklagte tragen jeweils die Hälfte der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 12.982,53 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 12.982,53 € verpflichtet ist.
Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG ein Einrichtungszentrum. Persönlich haftender Gesellschafter ist die A. GmbH.
Ende 2009 schloss die nicht tarifgebundene Klägerin mit diversen Beschäftigten, den Beigeladenen zu 1 bis 8, eine ergänzende Vereinbarung zum jeweiligen Arbeitsvertrag. In Ziffer I. der Vereinbarung stellen die Arbeitsvertragsparteien klar, dass der Bruttobarlohn bei unveränderter Arbeitszeit ab dem 01.01.2010, im Fall der Beigeladenen zu 7 ab dem 01.02.2010, um einen exakt bestimmten Bruttobetrag reduziert wird (Entgeltverzicht). Ziffer II. enthält die Vereinbarung, dass die Klägerin darüber hinaus bestimmte Leistungen gewährt, die nicht unter den Freiwilligkeitsvorbehalt fallen, nämlich:
- Gutscheine, Waren oder Dienstleistungsbezug
Der Arbeitgeber gewährt einen regelmäßigen Gutscheins-, Waren oder Dienstleistungsbezug nach Wunsch des Arbeitnehmers. Arbeitgeber und Arbeitnehmer verständigen sich darauf, dass die Überlassung des Gutscheins innerhalb des Abrechnungsmonats zu erfolgen hat. Dies kann direkt oder über einen externen Dritten organisiert sein. Der Arbeitnehmer kann bis zum 30.11 eines jeden Jahres bestimmen, welche konkreten Waren, Dienstleistungen oder Gutscheine er im Folgejahr beziehen möchte. An diese Wahl ist er für das folgende Kalenderjahr gebunden. Unterjährige Änderungen sind nur mit Zustimmung des Arbeitgebers möglich.
Der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer wirken darauf hin, dass der Gegenwert der bezogenen Ware, Dienstleistung oder des Gutscheins im jeweiligen Monat 44 Euro nicht übersteigt.
Sollte der Gegenwert 44 € übersteigen, wird der Wert der Besteuerung unterzogen und mit Sozialabgaben belastet. Eventuelle Nachzahlungen an Lohnsteuer sowie den Arbeitnehmeranteil an der Sozialversicherung trägt der Arbeitnehmer.
- Internetpauschale
Der Arbeitgeber leistet zu den Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Internetbenutzung einen Zuschuss. Dieser Zuschuss beträgt 50 € im Monat.
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber auf dessen Anforderung, spätestens jedoch bis zum 28.02. des Folgejahres, zu bescheinigen, ob ihm regelmäßig Aufwendungen für die Internetbenutzung in der Zuschusshöhe entstanden sind und weiterhin entstehen werden.
Sollte die Bestätigung nicht vorgelegt werden, ist der Arbeitgeber berechtigt, eine berichtigte Lohnabrechnung für die betreffenden Lohnabrechnungszeiträume zu erstellen,...