Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Grenze für die Ausübung der abrechnungsfähigen fachärztlichen Tätigkeit. Maßgeblichkeit der Gebietsdefinition der jeweiligen Weiterbildungsordnung (hier: Weiterbildungsordnung der Ärztekammer Bayern idF vom 25.10.2015. juris: ÄWeitBiO BY). kein Vergütungsanspruch für die Behandlung von Erwachsenen durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin wegen Fachfremdheit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Grenze für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit bestimmt sich nach der Gebietsdefinition in der maßgeblichen Weiterbildungsordnung.
2. Für einen Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin ist die Behandlung von Erwachsenen wegen Fachfremdheit nach der in den streitgegenständlichen Quartalen geltenden Weiterbildungsordnung grundsätzlich ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 10. Oktober 2018, S 20 KA 674/17, wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen von Leistungen, die in den Quartalen 4/2016, 1/2017 und 2/2017 vom Kläger bei Patienten über 18 Jahren erbracht worden sind.
Der Kläger ist Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin mit Schwerpunkt Neuropädiatrie. Er ist als Oberarzt am Klinikum A-Stadt tätig und verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum über eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung in folgendem Umfang:
a. einmalige konsiliarische Beratung von niedergelassenen Ärzten bei der Behandlung epilepsiekranker Kinder
b. ambulante therapeutische Behandlung von epilepsiekranken Kindern
c. pädiatrische Schlaf-EEG-Untersuchung abzurechnen nach GOP 04435 EBM
In diesem Zusammenhang sind folgende Gebührenordnungsnummer abrechenbar:
01100, 01101, 01102, 01321, 01420, 01430 - 01436, 01600 - 01602, 01620, 01622, 04430, 04431, 04433, 04434, 04436, 04437, 40120 EBM
1) Mit Bescheid vom 17.05.2017 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal 4/2016 fest und setzte zugleich u.a einen Behandlungsfall ab, der wegen des Umfangs der Ermächtigung nicht abgerechnet werden könne. Den ausschließlich gegen diese Absetzung erhobenen Widerspruch begründete der Kläger damit, dass es sich bei diesem Patienten um einen geistig behinderten Patienten handele, der seit dem Kindesalter von ihm betreut werde. Eine Weiterbehandlung des Patienten sei dringend erforderlich. Es sei nicht verständlich, weshalb die bislang gelebte Kulanzregelung nun ohne jegliche Vorankündigung verwehrt werde. Darüber hinaus befänden sich Jugendliche und junge Erwachsene im Transitionsalter zwischen 18 und 25 Jahren in einer besonderen Lebensphase, welche eine Zeit des psychosozialen Umbruchs und der Adoleszenzkrisen mit sich brächte. Bestehe zusätzlich noch wie hier eine geistige Behinderung oder wie in anderen Fällen eine schwere Mehrfachbehinderung sei diese Phase noch problematischer und der Patient bedürfe erst recht der Weiterbehandlung durch den Kinder- oder Jugendarzt. Außerdem berief sich der Kläger auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes. Zwar sei sein Antrag auf Erteilung einer Ermächtigung für die Versorgung von über 18 Jahre alten Patienten vom Zulassungsausschuss abgelehnt worden (Beschluss vom 09.12.2015). In dem Beschluss würde aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er im Rahmen der gelebten Kulanzregelung Patienten über 18 Jahren behandeln dürfe. Auch sei mit Schreiben der KVB vom 16.11.2015 mitgeteilt worden, dass er für solche Fälle keine besonderen Anträge stellen müsse und die Weiterbehandlung aus Kulanzgründen möglich sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Arzt, der eine Gebietsbezeichnung führe, dürfe grundsätzlich nur in diesem Gebiet tätig werden. Das Gebiet Kinder- und Jugendmedizin umfasse nach der Weiterbildungsordnung nicht die Behandlung Erwachsener. Bei Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, könne regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es sich nicht mehr um Kinder handele. Denn in aller Regel sei das körperliche Wachstum mit 18 Jahren im Wesentlichen abgeschlossen und auch die geistig-seelische Entwicklung in ihren wesentlichen Grundlagen festgelegt. Die Allgemeinen Bestimmungen I. Nummer 4.3.5 EBM würden überdies bestimmen, dass die Verwendung des Begriffs Jugendlicher an den dort genannten Zeitraum vom Beginn des 13. Lebensjahrs bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gebunden sei. Zwischenzeitlich sei auch durch das Bundessozialgericht in einem Beschluss vom 28.10.2015, Az.: B 6 KA 12/15 B, entschieden worden, dass einem Kinderarzt keine Ermächtigung für die Erbringung von Leistungen für Erwachsene erteilt werden dürfe. Eine eventuelle Kostenübernahme durch die jeweilige Krankenkasse im Wege der Direktabrechnung wäre gegebenenfalls mit dem betreffenden Kostenträger zu klären.
2) Mit Bescheid vom 23.08.2017 setzte die B...