Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Rentenanpassung zum 1.7.2007 in Höhe von 0,54%. Nachhaltigkeitsfaktor. Vergleichbarkeit von Alterssicherungssystemen
Orientierungssatz
1. Die durch den Nachhaltigkeitsfaktor, der durch das Gesetz zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RVNG) vom 21.7.2004 (BGBl I 2004, 1791) eingeführt wurde, verminderte Rentenanpassung zum 1.7.2007 verletzt verfassungsrechtliche Vorschriften nicht.
2. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, andere Systeme der Altersicherung hinsichtlich der Anpassung ihrer Leistungen anders zu behandeln, da sie wesentliche inhaltliche Unterschiede aufweisen und in ihnen unterschiedliche Rechtsgrundlagen gelten (vgl BSG vom 20.12.2007 - B 4 RA 51/05 R).
Tenor
I. |
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Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 8. Mai 2008 wird zurückgewiesen. |
II. |
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Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. |
III. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger ab 1. Juli 2007 einen Anspruch auf höhere Regelaltersrente hat.
Die Beklagte gewährte dem ... 1942 geborenen Kläger auf seinen Antrag vom 22. Februar 2002 ab dem 1. Juni 2002 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Bescheid vom 11. April 2002).
Mit Bescheid vom Juli 2007 erfolgte zum 1. Juli 2007 die Rentenanpassung um 0,54 Prozent. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein und begehrte die Anhebung seiner Rente ab 1. Juli 2007 um mindestens 1,7 Prozent. Die Anpassung um nur 0,54 Prozent verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) und Art. 14 GG und widerspreche dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 31. Juli 2002 (Az.: B 4 RA 120/00), wonach die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers dann ihre Schranken finde, wenn er eine Rentenanpassung unterhalb der Inflationsrate vornehme, obwohl die Lohn- und Gehaltsentwicklung der aktiven Versicherten wenigstens eine Anpassung nach der Inflationsrate zulasse. Insoweit wirke die die Existenz sichernde Funktion des individualgrundrechtlichen Renteneigentums. Der Verbraucherpreisindex sei im Jahr 2006 um etwa 1,7 Prozent gestiegen. Die vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer im produzierenden Gewerbe hätten im Oktober 2006 durchschnittlich 1,8 Prozent mehr als im Oktober 2005 verdient. Das BSG habe entschieden, dass die Nichtanpassung der Renten zum 1. Juli 2004 rechtens sei, und das öffentliche Interesse an der Sicherung der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung betont. Die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung sei aber seit fünfzig Jahren überwiegend dadurch infrage gestellt, dass der Gesetzgeber diese mit Aufgaben der Allgemeinheit belaste, ohne die dafür notwendigen Mittel in vollem Umfang zur Verfügung zu stellen. Allein zwischen 1960 und 2002 ergebe sich ein Defizit zu Lasten der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von fast 400 Mrd. EUR. Ob eine solche gigantische Umverteilung zu Gunsten derer, die nicht Zwangsmitglieder seien, wirklich im öffentlichen Interesse sei, könne durchaus infrage gestellt werden. Die Begründung des BSG, warum der Altersvorsorgeanteil nicht als sachwidrig angesehen werden könne, sei nicht nachvollziehbar. Es berücksichtige nicht, dass die private Vorsorge freiwillig sei, dass diejenigen, die diese in Anspruch nehmen würden, erhebliche öffentliche Subventionen erhalten würden, Rentner hingegen diese Subventionen nicht in Anspruch nehmen könnten, und heutige Rentner diese Art der privaten Zusatzversicherung nicht zur Verfügung hätten. Auf die Verletzung des Gleichheitssatzes gehe das BSG nicht ein. Bis heute seien das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und das BSG eine Antwort auf die Frage schuldig geblieben, warum die Aufteilung der Bevölkerung auf verschiedene Altersvorsorgesysteme, die auf den Ständestaat des 19. Jahrhunderts zurückgehe, im demokratischen Rechtsstaat des 21. Jahrhunderts immer noch als Begründung dafür ausreiche, dass für Arbeitnehmer und Rentner im Gegensatz zu Politikern, Selbstständigen, Beamten und Richtern elementare Grundrechte außer Kraft gesetzt seien, um sie durch politische Beliebigkeit zu ersetzen, mit verheerenden Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer und Rentner. Mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Durch die Rentenwertbestimmungsverordnung (RWBestV) 2007 vom 14. Juni 2007 seien der aktuelle Rentenwert und der aktuelle Rentenwert (Ost) zum 1. Juli 2007 neu bestimmt worden. Berücksichtigt seien die Veränderung der durchschnittlichen Bruttolöhne und Bruttogehälter je Arbeitnehmer im Jahr 2006 gegenüber dem Jahr 2005 um 0,98 Prozent bzw. um 0,49 Prozent, die Veränderung bei den Aufwendungen für eine geförderte private Altersvorsorge (Altersvorsorgeanteil) des Jahres 2006 gegenüber dem Jahr 2005 um 0,5 Prozent und der Nachhaltigkeitsfaktor mit 1,0019. Der durchschnittliche Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung des Jahres 2006 von 19,5 Prozent habe sich gegenüber dem durchschnittlichen Beitr...