Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Honorarverteilung. Jobsharing-Praxis. kein Anspruch auf BAG-Aufschlag von 10%

 

Leitsatz (amtlich)

Die Gewährung des 10%igen Aufschlags für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG-Zuschlag) bei der Berechnung des Regelleistungsvolumens (RLV) steht einer Praxis für einen im Job-Sharing nach § 101 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB V iVm § 33 Abs 2 Ärzte-ZV angestellten Arzt nicht zu.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 17.03.2021; Aktenzeichen B 6 KA 32/19 R)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. März 2018, S 38 KA 338/17, wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt für seine Jobsharing-Praxis bei der Berechnung des Regelleistungsvolumens für das Quartal 1/2016 die Gewährung eines 10%igen Aufschlags für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG-Zuschlag).

Der Kläger ist als Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und beschäftigte seit dem 01.10.2015 und damit auch im streitgegenständlichen Quartal die angestellte Ärztin Frau Dr. M. im Rahmen eines Jobsharings. Im Honorarbescheid vom 17.08.2016 für das Quartal 1/2016 wies die Beklagte der Praxis des Klägers eine Obergrenze (RLV/QZV) von 103.794,10 € aus, ohne einen BAG-Zuschlag in Höhe von 10% gemäß Teil B Nummer 7.3.6 HVM zu berücksichtigen.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2017 zurück. Zur Begründung führte sie aus, bei Jobsharing-Praxen finde die Zuschlagsregelung keine Anwendung. Der Praxisumfang dürfe nicht erweitert werden. Jobsharing-Praxen seien wie Einzelpraxen zu behandeln. Die Auffassung der Beklagten sei durch die Entscheidungen des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23.07.2014 (Az. L 12 KA 40/13 und L 12 KA 41/13) bestätigt worden.

In seiner Klage zum Sozialgericht München trägt der Kläger vor, weder Teil D der Vorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zur Honorarverteilung gemäß § 87b Abs. 4 SGB V noch Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes sei zu entnehmen, dass Jobsharing-Praxen von dem Zuschlag ausgenommen sein sollten. Maßgeblich sei in erster Linie der Wortlaut der Regelungen. Aber auch ein systematischer Einwand ändere nichts, denn das Regelleistungsvolumen erfolge rein tatsächlich praxisbezogen. Entscheidend sei nicht, wie viele Regelleistungsvolumina zugewiesen würden, sondern allein, ob die in der Praxis tätigen Ärzte kooperativ tätig seien. Auch der Sinn und Zweck des Zuschlags spreche für eine Gewährung des Zuschlags. Denn die Vorteile einer Gemeinschaftspraxis, wie kontinuierliche Betreuung von Patienten, Erweiterung des Leistungsspektrums und längere Öffnungszeiten würden genauso für Praxen mit Jobsharing-Angestellten gelten. Insgesamt handle es sich auch bei einer Jobsharing-Praxis um eine Form der kooperativen Behandlung von Patienten (vgl. BT-Drs 13/7264, S. 65). Ziel des Zuschlags sei nicht ein Nachteilsausgleich, sondern die Förderung der kooperativen Versorgung, wozu auch Jobsharing-Praxen gehörten. Zudem verwies der Kläger auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Hamburg vom 25.02.2015 (Az. L 5 KA 10/12). Dieses habe die Rechtsauffassung der Klägerseite bestätigt und stehe im Widerspruch zur Auffassung des Bayerischen Landessozialgerichts und Sozialgerichts München (28. Kammer).

Die Beklagte führte aus, Jobsharing-Praxen seien nicht auf die kooperative oder interdisziplinäre Behandlung von Patienten ausgelegt. Es gehe nur darum, dass durch Teilung die Praxistätigkeit in vollem Umfang aufrechterhalten werde. Im Übrigen setze die Anwendung von Teil B Nr. 7.3.6 des Honorarverteilungsmaßstabes voraus, dass für jeden Teilnehmer in den genannten Versorgungsformen überhaupt ein eigenes RLV zu ermitteln sei. Eine solche Ermittlung erfolge aber nur für angestellte Ärzte ohne Leistungsbegrenzung, nicht aber für angestellte Ärzte einer Jobsharing-Praxis.

Das SG wies die Klage mit Urteil vom 21. März 2018 ab. Anzuwenden seien die nicht nur auf dem Gebiet des Sozialrechts entwickelten allgemeinen Auslegungsregeln. Unter Beachtung dieser Auslegungsregeln habe der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des BAG-Zuschlags nach Teil B Nummer 7.3.6 des HVM im Quartal 1/2016. Eine Auslegung der streitigen Regelung nach dem Wortlaut führe mangels Erwähnung von Jobsharing-Praxen nicht weiter. Das SG führte aus, dass eine Jobsharing-Anstellung nicht zu einer Berufsausübungsgemeinschaft führe, die Praxis vielmehr weiter eine Einzelpraxis bleibe, wenn auch eine "sui generis". Die streitige Regelung erwähne zwar Praxen mit angestellten Ärzten. Dabei könne es sich in der Tat um so genannte Jobsharing-Praxen, aber auch um Praxen im Sinne von § 95 Abs. 9 Satz 1 SGB V (mit Angestellten ohne Leistungsbegrenzung) handeln. Wäre auch Jobsharing-Praxen ein Zuschlag zu gewähren, wäre dies ausdrücklich hervorgehoben worden, was jedoch nicht der Fall se...

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