Leitsatz (amtlich)

Ein Fluglehrer, der Mitglied eines Luftsportvereins ist, steht während eines Schulungsfluges mit einem Flugschüler gemäß § 2 Abs. 2 SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn seine Fluglehrertätigkeit nicht von den in dem Verein ausdrücklich geregelten Mitgliedschaftsplichten (Erbringen von Pflichtarbeitsstunden oder Vorstandstätigkeit) umfasst ist und auch nicht zusätzlich zu diesen im Rahmen einer allgemeinen Vereinsübung verlangt werden kann.

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. November 2020 sowie der Bescheid der Beklagten vom 24. Oktober 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. Januar 2019 aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 08. September 2018 ein Arbeitsunfall ist.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines Ereignisses vom 8.9.2018 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).

Der Kläger ist Fluglehrer und Mitglied des Vereins "Fliegerclub E e.V." (nachfolgend: Fliegerclub). Zum Zeitpunkt des Unfalls gehörte der Kläger als Motorflugreferent dem Vorstand des Fliegerclubs an. Der Fliegerclub seinerseits ist gemäß seiner Satzung Mitglied im Luftsport-Verband Bayern e.V. (LVB) sowie im Bayerischen Landessportverband e.V. (BLSV). Der Fliegerclub beschäftigt keine Personen gegen Entgelt. Am 8.9.2018 startete der Kläger gemeinsam mit einem Flugschüler mit einem vereinseigenen Ultraleichtflugzeug, welches kurz nach dem Start abstürzte. Dabei zog sich der Kläger erhebliche Verletzungen zu, u.a. ein schweres Schädelhirntrauma sowie mehrere Frakturen.

Auf Nachfrage der Beklagten gab der 1. Vorsitzende des Fliegerclubs an, dass der Kläger Mitglied des Vereins und zum Unfallzeitpunkt als Trainer/Übungsleiter/Sportleiter ohne Bezahlung tätig gewesen sei. Außerdem wurde die Satzung des Fliegerclubs in der Fassung vom 28.3.1980 übersandt. Nach § 2 der Satzung (Zweck und Ziel) verfolgt der Fliegerclub ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke: "Der Satzungszweck wird insbesondere verwirklicht durch die Förderung der Allgemeinheit auf dem Gebiet des Luftsports, im Einzelnen durch

• Abhaltung von Schulungs-, Übungs- und Leistungsflügen.

• Ausbildung von Nachwuchsfliegern durch sachgemäß ausgebildete Fluglehrer und Übungsleiter.

• Durchführung von Vorträgen, Kursen und luftsportlichen Veranstaltungen."

Zu den Mitgliedspflichten ist in § 12 der Satzung geregelt, dass die Mitglieder die Vereinsbeiträge zu leisten haben.

Mit Bescheid vom 24.10.2018 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger am 8.9.2018 keinen Versicherungsfall erlitten habe, weil er im Unfallzeitpunkt keine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Ein Beschäftigungsverhältnis zum Fliegerclub (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) habe nicht bestanden. Versicherungsschutz habe auch nicht als sog. Wie-Beschäftigter (vgl. § 2 Abs. 2 SGB VII) bestanden. Tätigkeiten von Vereinsmitgliedern, die dem Vereinszweck entsprechen würden, sowie Tätigkeiten, die in der Vereinssatzung geregelt seien, seien nicht versichert. Nach § 2 der Satzung des Fliegerclubs gehöre das Abhalten von Schulungs-, Übungs- und Leistungsflügen zum Zweck und Ziel des Vereins. Bei der unfallbringenden Tätigkeit (Flug als Fluglehrer mit Flugschüler) habe es sich daher nicht um eine Tätigkeit gehandelt, die über die mitgliedschaftsrechtlichen Verpflichtungen hinausgehe.

Hiergegen wurde seitens des Klägers Widerspruch erhoben. Dabei wurde auf einen zwischen dem BLSV und der Beklagten bestehenden öffentlich-rechtlichen Vertrag verwiesen, in dem die vereinfachte Beitragserhebung geregelt sei. Vertragszweck nach § 1 sei die Schließung einer Vereinbarung zur Aufbringung der Beiträge für die nach § 2 Abs. 2 SGB VII versicherten Übungsleiter der dem Landessportbund angeschlossenen Sportvereine mit steuerfreien Einnahmen bis zu der jeweils geltenden Höchstgrenze (Stand 09/2016 = 2.400 Euro) gemäß § 3 Nr. 26 EStG. Der Kläger sei über den Fliegerclub ordnungsgemäß gemeldetes Mitglied im LVB. Der LVB sei wiederum Mitglied im BLSV. Die Beiträge zur Beklagten würden auf Grundlage des genannten öffentlich-rechtlichen Vertrages über die Verbände eingezogen und weitergeleitet. Die Eintrittspflicht der Beklagten sowie der Umfang der Leistungen würden u.a. in der Informationsbroschüre "versichert bei der VBG, Informationen für Sportvereine" (hier Ausgabe 12/2017) dargestellt. Bei dem Flugunfall sei der Kläger als Fluglehrer, d.h. als Übungsleiter im Sinne der Ziffer 3.4.5 (Seite 16 der genannten Broschüre) tätig gewesen. Er sei für den Fliegerclub unentgeltlich tätig und sein Einsatz könne und werde auch von den sonstigen Vereinsmitgliedern nicht erwartet.

Im öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen dem Bayerischen Landes-Sportverband e.V. und der Beklagten für die Jahre ab...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?