Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Unfallversicherung. höhere Verletztenrente. Jahresarbeitsverdienst: Anspruch auf Neufestsetzung gem § 90 Abs 1 S 1 SGB 7. erfolgreicher Abschluss ohne zeitliche Verzögerung. kein Bestandteil einer Stufenausbildung. keine Gesamtausbildung: BWL-Studium nach erfolgreicher Ausbildung zur Bankkauffrau. Anspruch gem § 90 Abs 2 SGB 7. Diplom-Kauffrau
Leitsatz (amtlich)
1. Angesichts der rückwirkenden Änderung des § 90 SGB 7 durch das 5. SGB 4 ÄndG (juris: SGB4ÄndG 5) steht der erfolgreiche Abschluss von Abitur, Lehre und Studium ohne Verzögerungen der Anwendung von § 90 Abs 1 SGB 7 nicht entgegen.
2. Ein im Anschluss an das Abitur und eine Banklehre begonnenes Studium der Betriebswirtschaftslehre ist kein Teil der Stufenausbildung.
3. Vorliegend ist auch nicht von einer Gesamtausbildung auszugehen. Ua fehlt ein objektiver Aufbau des BWL Studiums auf der Banklehre.
4. Der Senat lässt offen, ob eventuell eine Gesamtausbildung bejaht werden kann, wenn ein BWL- Studium mit dem klaren Ziel durchgeführt wird, nach Banklehre und Studium wieder eine Tätigkeit in einer Bank in höherer Position als vor dem Studium einzunehmen, und die Studieninhalte dementsprechend auf eine solche Tätigkeit abgestimmt werden, vergleichbar dem sog dualen Studium.
Orientierungssatz
Eine Neufeststellung auch nach § 90 Abs 2 SGB 7 kommt ebenfalls nur in Betracht, wenn Schulausbildung, Banklehre und Studium als Einheit im Sinne einer Gesamtausbildung anzusehen sind.
Normenkette
SGB VII §§ 81, 85-86, 90 Abs. 1 S. 1, Abs. 2-3, § 214 Abs. 2; RVO § 571 Abs. 1 S. 1, § 573 Abs. 1
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 04.08.2011 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 15.09.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2009 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die Klägerin Anspruch auf Berechnung ihrer Verletztenrente nach einem höheren Jahresarbeitsverdienst (JAV) wegen Abschlusses der Ausbildung zur Diplomkauffrau (Universitätsstudium BWL) hat.
Die 1974 geborene Klägerin hatte in der 5. Klasse des E-S-Gymnasiums in A-Stadt am 30.01.1986 einen Unfall im Sportunterricht erlitten und sich dabei einen Bruch des Speichenköpfchens rechts zugezogen, der operativ versorgt wurde. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 25.01.1988 den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt mit Erstschaden des Speichenköpfchenbruchs rechts und eine Teilrente in gestaffelter Höhe zuerkannt, ab 1.8.1986 nach einer MdE von 20 v.H. Mit weiteren Bescheiden hatte die Beklagte die Rente jeweils nach neuerem JAV wegen Rentenanpassungsgesetzen (RAG) neu festgestellt.
Nach Ablegen des Abiturs 1994 mit Notendurchschnitt 2,7 absolvierte die Klägerin zunächst vom 01.09.1994 bis 31.08.1996 eine Lehre zur Bankkauffrau bei der M. Bank eG. Die Prüfung zur Bankkauffrau legte die Klägerin erfolgreich am 05.07.1996 ab. Sie bewarb sich 1996 bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) um einen Studienplatz für Betriebswirtschaftslehre (BWL) in A-Stadt. Mit Bescheid vom 02.09.1996 wurde ihr ein Studienplatz für BWL an der Universität E.-N. zugewiesen. Die Klägerin lehnte diesen Studienplatz ab und hielt die Bewerbung um einen Studienplatz für BWL an der LMU A-Stadt aufrecht. Sie arbeitete ab November 1996 bis April 1997 bei der M. Bank eG. Vereinbart war eine Kündigungsfrist von einem Monat, damit sie jederzeit bei Zusage eines Studienplatzes ein Studium aufnehmen konnte. Nachdem der Klägerin im März 1997 von der ZVS ein Studienplatz für BWL an der LMU in A-Stadt zugewiesen worden war, kündigte sie ihren Arbeitsvertrag und nahm im April 1997 (Sommersemester) das BWL-Studium auf. Sie schloss es nach ca. 12 Semestern ab, wobei sie die Diplomarbeit am 30.09.2002 einreichte und am 30.04.2003 das Diplom für Kaufleute (Gesamturteil "gut" - 2,06) erhielt. Weitere Prüfungen waren nach Abgabe der Diplomarbeit nicht mehr nötig.
Die Klägerin teilte der Beklagten ihren erfolgreichen Abschluss des BWL-Studiums mit Schreiben vom 20.02.2003 mit und bat um Anpassung ihrer Verletztenrente.
Zuvor hatte die Beklagte mit Bescheid vom 21.03.1997 den JAV ab 06.07.1996 neu festgestellt. Ausgeführt wurde in der Begründung, dass der JAV für die Zeit nach der voraussichtlichen Beendigung der Ausbildung neu berechnet werde, wenn sich der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls noch in einer Schul- oder Berufsausbildung befunden habe. Der neuen Berechnung sei das Entgelt zugrunde zu legen, das in diesem Zeitpunkt für Personen gleicher Ausbildung und gleichen Alters durch Tarif festgesetzt oder sonst ortsüblich sei gemäß § 573 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO). Danach ergebe sich als Berechnung des JAV für eine 21-jährige Bankkauffrau ein Betrag von 45.084 DM. Daraus wurde eine Rente in Höhe von 500,93 DM monatlich berechnet.
Hintergrund dieser Entscheidung war, dass auf Nachfrage der Beklagt...