Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Rentenversicherung: Rückforderung von Übergangsgeld. grob fahrlässige Unkenntnis der Rechtswidrigkeit eines Bewilligungsbescheids

 

Leitsatz (amtlich)

I. Der Versicherte ist rechtlich gehalten, einen ihm günstigen Bewilligungsbescheid zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen.

II. Von grob fahrlässiger Unkenntnis iS von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X ist auszugehen, wenn der Adressat des Bescheides, hätte er den Bewilligungsbescheid gelesen und zur Kenntnis genommen, auf Grund einfachster und naheliegender Überlegungen sicher hätte erkennen können, dass der zuerkannte Anspruch nicht oder jedenfalls so nicht besteht.

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 24.02.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die (teilweise) Rücknahme einer Bewilligung von Übergangsgeld und um die Erstattung einer eingetretenen Überzahlung in Höhe von 5.166,51 EUR.

Der 1966 geborene Kläger übte den erlernten Beruf eines Malers und Lackierers bis Februar 2001 aus. Mit Bescheid vom 09.07.2002 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Qualifizierungsmaßnahme zum Maler- und Lackierermeister als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Unter Hinweis auf die Verpflichtung, den Bezug von Erwerbseinkommen der Beklagten mitzuteilen, bewilligte die Beklagte mit den Bescheiden vom 08.08.2002 und 27.08.2002 Übergangsgeld in Höhe von kalendertäglich 43,53 EUR. Mit Bescheid vom 02.02.2004 und Widerspruchsbescheid vom 10.09.2004 hob die Beklagte die Bewilligung von Übergangsgeld auf, weil der Kläger gleichzeitig mit der Leistung zur Teilhabe Entgelt aus einer abhängigen Beschäftigung, Fahrtkosten und Mittagessenpauschalen bezogen habe. Die Beklagte forderte vom Kläger die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von insgesamt 21.762,66 EUR. Auf die am 30.09.2004 erhobene Klage zum Sozialgericht Würzburg hob das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide hinsichtlich der Erstattung der Fahrkosten und der Mittagessenpauschalen auf und wies im Übrigen die Klage hinsichtlich des Übergangsgeldes (19.276,06 EUR) ab (S 13 R 682/04). Die hiergegen gerichtete Berufung wies das Bayer. Landessozialgericht mit Urteil vom 10.11.2010 zurück (L 20 R 261/07). Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil vom 10.11.2010 blieb erfolglos (BSG Beschluss vom 10.03.2011 - B 5 R 426/10 B).

Der Kläger bezog zuletzt vom Dezember 2013 bis Mai 2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom Jobcenter Landkreis B-Stadt. Seit dem 01.01.2014 war er arbeitslos. Zuvor war der Kläger nach der von der Fa. W. GmbH mit Datum 10.04.2014 übersandten Entgeltbescheinigung zur Berechnung des Übergangsgeldes dort seit dem 08.04.2013 beschäftigt gewesen. Monatliches Entgelt habe der Kläger in Höhe von 1.200,00 EUR brutto (957,90 EUR netto) bezogen. Zum 31.12.2013 sei er abgemeldet worden.

Auf Antrag vom 22.04.2013 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 25.02.2014 idF vom 01.04.2014 dem Kläger eine Ausbildung zum Eisenbahnfahrzeugführer für die Dauer vom 17.03.2014 bis 17.12.2014.

Unter dem 02.03.2014 beantragte der Kläger für die Zeit der Ausbildung zum Eisenbahnfahrzeugführer die Gewährung von Übergangsgeld. In der Erklärung hierzu gab er an, dass er während der Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben kein Einkommen erzielen werde. Er verpflichte sich, dem Rentenversicherungsträger jede Änderung seiner Angaben ohne Aufforderung unverzüglich mitzuteilen.

Auf Nachfrage des Klägers vom 23.03.2014, ob "man auch z.B. am Wochenende was dazu verdienen kann (450,- € Basis)? Und wie würde das angerechnet werden auf das Überbrückungsgeld?", wies die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 24.03.2014 darauf hin, dass neben dem Bezug von Übergangsgeld die Ausübung einer geringfügigen Beschäftigung bis zu einem Arbeitsentgelt in Höhe von 450,00 EUR unschädlich sei. Ein diesen Betrag übersteigendes Arbeitsentgelt sei auf das Übergangsgeld anzurechnen.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit bestandskräftigem Bescheid vom 14.04.2014 Übergangsgeld ab dem 17.03.2014 in Höhe von täglich 38,03 EUR. Die Beklagte wies darauf hin, dass jede Änderung in den Einkünften des Klägers der Beklagten ("uns") mitzuteilen sei, da sich diese auf die Höhe des Übergangsgeldes oder auf den Zahlungszeitraum auswirken könne. Zu den Einkünften gehöre insbesondere der Bezug von Arbeitsentgelt (auch aus einer geringfügigen Beschäftigung) oder von Arbeitseinkommen (unabhängig von der Höhe). Eine Auszahlung des Übergangsgeldes erfolgte aufgrund der Aufrechnung mit dem Erstattungsanspruch aus der früheren Überzahlung und eventueller Erstattungsansprüche des Jobcenters gegen die Beklagte nicht. Nach Ausgleich des Erstattungsanspruches des Jobcenters für die Zeit vom 17.03.2014 bis 31.05.2014 und hälftiger Aufrechnung des restlichen Zahlungsanspruches auf das Übergangsgeld wies die Beklagte am 21.05.2015 einen Betrag in Höhe von 239,84 ...

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