Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragserstattung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Beweis des ersten Anscheins
Leitsatz (amtlich)
Der Beweis des ersten Anscheins gilt auch für die Wirksamkeit von Beitragserstattungen nach dem Rentenversicherungsrecht.
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2010 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen
Tatbestand
Streitig ist, ob der Klägerin ihre zur deutschen Sozialversicherung geleisteten Beiträge erstattet wurden und ob ein Anspruch auf Regelaltersrente besteht.
Die 1942 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in der Türkei. Sie war vom 26.06.1963 bis 17.05.1968 sozialversicherungspflichtig in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt und kehrte anschließend in die Türkei zurück. Nach den Angaben im Versicherungsverlauf erstattete die Landesversicherungsanstalt (LVA) Baden-Württemberg mit Bescheid vom 20.02.1979 auf den Antrag vom 20.09.1978 hin Beiträge in Höhe von 2.220,20 DM.
Am 15.10.2007 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Vorlage zweier sog. Aufrechnungsbescheinigungen in Kopie die Gewährung von Regelaltersrente. Diese Aufrechnungsbescheinigungen waren mit einem Stempelvermerk "Beiträge erstattet (§ 1303 RVO)" versehen. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit streitgegenständlichem Bescheid vom 02.05.2008 ab. Der Klägerin seien die zur deutschen Rentenversicherung entrichteten Beiträge mit Bescheid vom 20.02.1979 erstattet worden. Damit seien keine auf die Wartezeit anrechnungsfähigen Zeiten mehr vorhanden, so dass ein Anspruch auf Versichertenrente nicht bestehe. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2009 als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobene Klage ist durch Gerichtsbescheid vom 02.02.2010 als unbegründet abgewiesen worden. Das SG stützte sich dabei auf die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins sowie auf die im Original bei der DRV Baden-Württemberg noch vorhandenen und mit dem Stempelaufdruck "Beiträge erstattet durch LVA Baden am 22.Febr.1979" versehenen Versicherungskarten der Klägerin.
Zur Begründung der gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 02.02.2010 zum Bayer. Landessozialgericht eingelegten Berufung hat die Klägerin unter Bezug auf ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und im sozialgerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass ein Antrag auf Beitragserstattung nicht gestellt worden sei. Es sei ihre Absicht gewesen, nach Vollendung des 65. Lebensjahres die Altersrente zu beantragen. Es widerspreche jeglicher allgemeiner Lebenserfahrung, wenn die Klägerin sich trotz erfolgter Erstattung im besonderen Maße seit 15.10.2007 unnötig die Mühe mache, die ihr nicht mehr zustehende Rente zu beantragen und in zahlreichen ausführlichen Schreiben, auch durch Einschaltung des türkischen Konsulats und mehrerer Rechtsanwälte die Beklagte davon zu überzeugen, dass sie die Erstattung nicht beantragt und auch nicht erhalten habe. Der zeitliche, geistige und emotionale Aufwand der Klägerin, der hier nicht zu übersehen sei, liefere einen Anscheinsbeweis dafür, dass ihre Schilderung der Wahrheit entspreche. Dies gelte in besonderem Maße, weil die Beklagte keinerlei Unterlagen bezüglich der Beitragserstattung mehr vorlegen könne. Es existiere weder der Antrag der Klägerin auf Beitragserstattung noch der angebliche Erstattungsbescheid vom 22.02.1979. Die vom SG herangezogenen Grundsätze für den Anscheinsbeweis könnten nicht so weit gehen, dass sämtliche von der Beklagten zu beweisenden Tatsachen wie Antragstellung, Erstattungsbescheid und Nachweis der Erstattung, bereits durch den Stempelaufdruck auf den Versicherungskarten als bewiesen gelten würden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Altersrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.02.2010 zurückzuweisen.
Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat zu Recht mit dem Bescheid vom 02.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2009 einen Anspruch der Klägerin auf Regelaltersrente abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Alters.
Ein Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Regelaltersrente setzt gemäß § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) voraus, dass sie die Regelaltersgrenze erreicht hat und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt ist (...