Entscheidungsstichwort (Thema)

Tätigkeit einer Steuerberaterin in einer Steuerberatungsgesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Steuerberaterin, die - nach Beendigung einer 18-jährigen Tätigkeit als Angestellte - Mandate derselben Steuerberatungsgesellschaft in deren Namen, überwiegend in deren Kanzleiräumen unter Nutzung der dortigen Ausstattung bearbeitet, teilweise an Dienstbesprechungen teilnimmt und Berichts-, Aktenbearbeitungs- und Aufbewahrungspflichten sowie einer Qualitätskontrolle unterliegt, ist - auch bei überwiegender Vergütung durch eine Umsatzbeteiligung an den von ihr bearbeiteten Mandaten - abhängig beschäftigt.

2. Das Unternehmerrisiko ist auch bei eigener Bezahlung von Fortbildungskosten sowie Beiträgen zur Haftpflichtversicherung und dem Berufsverband gering ausgeprägt, wenn die Umsatzbeteiligung an die Steuerberaterin auch bei Zahlungsausfall der Steuerberatungsgesellschaft geleistet wird und in Monaten mit geringer Umsatzbeteiligung Vorschüsse gezahlt werden, so dass ein monatlich relativ gleich bleibendes Einkommen gesichert ist.

3. Weisungsgebundenheit und Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation müssen zur Annahme einer Beschäftigung iSd§ 7 Abs. 1 SGB IV nicht kumulativ vorliegen.

4. Im Hinblick auf die berufsspezifischen Besonderheiten bei Steuerberatern kommt vor allem der Frage nach der Eingliederung in einen fremden Kanzleibetrieb und dem Unternehmerrisiko maßgebliche Bedeutung zu.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 23. März 2022 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist im Rahmen eines Anfrageverfahrens nach§ 7a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Versicherungspflicht der Tätigkeit der Beigeladenen zu 2 als Steuerberaterin in der Kanzlei der Klägerin und Berufungsklägerin (Klägerin) nach dem Recht der Arbeitsförderung in der Zeit ab 01.04.2018.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GmbH eine Steuerberatungsgesellschaft in A. Sie hat festangestellte und freiberufliche Mitarbeiter. Die Beigeladene zu 2 war bei der Klägerin zunächst seit 01.04.2000 in Vollzeit zu einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von 8.000,- DM (inklusive Weihnachts- und Urlaubsgeld) als Assistentin der Geschäftsleitung versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt hatte sie monatlich 6.600,- Euro brutto bezogen. Ihr oblag nach dem Anstellungsvertrag die Kontrolle der Arbeitsergebnisse der Mitarbeiter im Bereich der Steuerdeklaration sowie die fachliche Anleitung der Mitarbeiter auf diesem Gebiet. Zweites Aufgabenfeld war die selbstständige Bearbeitung von Steuererklärungen und Jahresabschlüssen. Während dieser Zeit legte die Beigeladene zu 2 im Jahr 2004 die Steuerberaterprüfung ab und eignete sich Fachwissen auf verschiedenen Spezialgebieten an.

Nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Beigeladene zu 2 zum 31.03.2018 vereinbarte die Klägerin mit der Beigeladenen zu 2 am 09.04.2018 schriftlich eine freiberufliche Zusammenarbeit, wonach die Beigeladene zu 2 als Steuerberaterin eigenverantwortlich und fachlich unabhängig tätig werden und handeln solle. Die von ihr bisher betreuten Mandanten würden ihr zur weiteren Betreuung angeboten; die Beigeladene zu 2 sage zeitnah, in welchem Umfang sie diese Mandanten weiterbetreuen wolle. Die Klägerin behielt sich vor, einzelne Mandate an angestellte Mitarbeiter oder andere freiberufliche Kräfte zu geben. Die Beigeladene zu 2 sei an keine Arbeitszeit gebunden und sichere im Gegenzug eine zeitnahe Bearbeitung der übernommenen Aufträge zu. Ihr Honoraranspruch belaufe sich auf die Hälfte des von der Klägerin an die Mandanten berechneten Honorars. Für Aufträge, die sie zusammen mit anderen Mitarbeitern abarbeite, werde entweder ein angemessener Aufteilungssatz oder ein angemessenes Stundenhonorar (derzeit 65,- Euro) gefunden. Die Beigeladene zu 2 habe keinen Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, versichere sich selbst und zahle die Beiträge zur Rentenversicherung selbst. Die von ihr erstellten Arbeiten würden von einem anderen Berufsträger der Kanzlei mir ihr besprochen und diskutiert, um ein hohes Qualitätsniveau zu halten bzw. zu erreichen. Die von der Beigeladenen zu 2 bearbeiteten Akten blieben in der Kanzlei. Die Beigeladene zu 2 informiere die Kanzleileitung über die Abarbeitung der Aufträge, auftretende Besonderheiten und evtl. Probleme. Die Aktenführung erfolge so vollständig, dass es einem Fachkundigen jederzeit möglich sei, jeden Vorgang ohne größeren Aufwand weiter zu bearbeiten. Der Beigeladenen zu 2 werde ein Arbeitsplatz mit Computer und Anbindung an die EDV in den Kanzleiräumen ohne Berechnung zur Verfügung gestellt, um zu vermeiden, dass Akten oder Unterlagen der Mandanten außer Haus gegeben werden müssten. Die private Nutzung des Arbeitsplatzes sei untersagt. Sie habe kostenlos Zugang zu der elektronisch und in Papier vorgehaltenen Fachbibliothek der Kanzlei. Im Übrig...

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