Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungswahl. Zulässigkeit einer Wahlanfechtung. Wahl der Vertreterversammlung. Vorschlags(Unterstützungs-)liste. wirksame Unterschriftsleistung

 

Orientierungssatz

1. Der allgemein geltende, höchstrichterlich bestätigte Wahlrechtsgrundsatz, dass eine Wahlanfechtung nicht auf Fehler gestützt werden kann, durch die das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden kann, steht einer Zulässigkeit der Wahlanfechtung nicht entgegen.

2. Für eine wirksame Unterschriftsleistung auf der Unterstützerliste zur Wahl der Vertreterversammlung einer Krankenkasse ist Voraussetzung, dass zur Zeit dieser Unterschrift dem Unterschreibenden die aktuelle Bewerberliste vollständig vorliegt.

 

Normenkette

SGB IV § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 4, § 57 Abs. 2; SVWO § 23 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, § 15 Abs. 1 Sätze 2, 4; SVWO Anl 4

 

Verfahrensgang

SG München (Urteil vom 26.04.2001; Aktenzeichen S 18 KR 127/99)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.12.2003; Aktenzeichen B 1 KR 26/02 R)

 

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. April 2001 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin zur Wahl der Vertreterversammlung der Beklagten zuzulassen ist und entsprechend eine Urwahl durchzuführen ist.

Die Freie Liste von T, deren erster Listenvertreter der bevollmächtigte C T (Rechtsanwalt) und deren Stellvertreter Dr. K H (Tierarzt, Rentner, Philosoph) ist, wurde der Beklagten am 05.11.1998 vorgelegt. Beigefügt war die aus 878 Blättern bestehende Unterstützerliste. Sie enthält 4.006 jeweils auf der Anlage 4 SVWO geleistete Unterschriften. Nachdem die Rückseite der Anlage 4 leer war, führte die Beklagte eine stichprobenweise Umfrage bei Listenunterzeichnern durch, um aufzuklären, ob den Unterzeichnern die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen hatte. Der Wahlausschuss der Beklagten beschloss in seiner Sitzung am 30. Dezember 1998, die Freie Liste von T wegen Ungültigkeit zurückzuweisen ( § 23 Abs.2 Satz 1 Nr.4 und Satz 2 SVWO ). Die Entscheidung wurde zum einen damit begründet, dass die Rückseite der Anlage 4 SVWO nicht vorgelegt wurde, wobei es sich um einen nicht mehr zu beseitigenden Formmangel handele. Außerdem wurde darauf hingewiesen, der Listenvertreter selbst habe eingeräumt, nicht allen Listenunterzeichnern habe die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen. Es sei, anders als das BayLSG im Jahr 1981 aufgrund anderer gesetzlicher Rahmenbedingungen ausgeführt hatte, jetzt nicht mehr ausreichend, dass nur Gelegenheit gegeben sei, die vollständige Liste einzusehen.

Das Sozialgericht München hatte zuvor mit Beschluss vom 17.12.1998 den Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen eines Wahlverstoßes abgelehnt. Der erkennende Senat hatte die Entscheidung im Beschluss vom 23.12.1998 (L 4 351/98 KR ER) bestätigt und ausgeführt, die Ermittlungen der Klägerin stellten keinen Rechtsverstoß dar.

Der Bevollmächtigte der Klägerin legte mit Schreiben vom 11.01.1999 Beschwerde gegen den Beschluss des Wahlausschusses vom 30.12.1998 ein. Daraufhin fand am 19.01.1999 eine Sitzung des Landeswahlausschusses für die Sozialversicherungswahlen im Bayer. Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit statt. Laut Niederschrift erklärte der Listenvertreter dort auf Befragen, die Initiative für die Freie Liste sei vom Ehepaar von A ausgegangen. Herr von A habe früher im kommunistischen Ungarn gelebt, dann 30 Jahre in der Schweiz. Er besitze die schweizer Staatsangehörigkeit, seine Frau auch die deutsche. Beide hätten gute Erfahrungen mit der in der Schweiz praktizierten Demokratie gemacht. Herr von A sei jetzt interessiert, die Demokratie in Deutschland zu vervollständigen. Ärzte, Zahnärzte und andere Organisationen, z.B. Sportvereine, Apotheker, hätten bei der Beschaffung der Unterschriften geholfen, außerdem natürlich die Kandidaten selbst. Die Kandidaten seien von dem Ehepaar von A benannt worden, vor allem aus deren Bekanntenkreis. Frau von A gab an, teilweise habe sie die Unterstützerlisten persönlich weitergegeben, teilweise verschickt. Die vollständige Kandidatenliste habe sie beigefügt. Auf die Frage des Vorsitzenden des Landeswahlausschusses, welche Unterlagen über die Beibringung der Unterschriften und dergleichen vorhanden seien, erklärte Herr von A, er sei nicht mehr bereit, weitere Auskünfte zu erteilen. Der Listenvertreter führte hierzu aus, er halte es nicht für zulässig, wenn der Landeswahlausschuss Ermittlungen dahingehend durchführen wolle, ob und inwieweit bei der Unterschriftsleistung die vollständige Vorschlagsliste vorgelegen habe. Er halte das Nachschieben von Gründen für die Zurückweisung der Liste nicht für zulässig. Sein Stellvertreter ging davon aus, weitere Ermittlungen würden Verdachtsmomente voraussetzen. Da solche nicht bestünden, halte er weitere Ermittlungen für überflüssig.

Der Landeswahlausschuss hat die Beschwerde mit Beschluss vom 19.01.1999 zurückgewi...

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