Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Abgrenzung von Einkommen und Vermögen. Zufluss vor Antragstellung, aber nach Beginn des Leistungszeitraums. Berücksichtigung als Einkommen
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn einem Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II Rückwirkung zukommt, so ist für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen nicht der Zeitpunkt der Antragstellung, sondern der Beginn des Leistungszeitraums maßgeblich.
2. Deshalb sind Zuflüsse von Geld oder Geldeswert, die zwar vor Antragstellung aber innerhalb des von der gesetzlichen Rückwirkung des Antrags erfolgten Zeitraums erfolgen, als Einkommen i.S.v. § 11 SGB II und nicht als Vermögen i.S.v. § 12 SGB II zu beurteilen.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 07.10.2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ein noch vor Antragstellung, aber schon am Tag der Antragstellung ausgezahltes Gehalt als Einkommen oder als Vermögen zu berücksichtigen ist. Konkret geht es darum, ob das am 01.04.2008 dem Konto des Klägers (Kl.) gutgeschriebene Einkommen für den Monat März 2008 als Einkommen für den Monat April 2008 zuzurechnen war oder Vermögen darstellte.
Der Kläger (Kl.) hatte bis zum 31.03.2008 eine Beschäftigung und bekam sein letztes Gehalt für den Monat März 2008 in Höhe von 1.189,45 € netto am 01.04.2008 (Tag der Wertstellung laut Kontoauszug) auf seinem Konto bei der C. in C-Stadt gutgeschrieben. Ebenfalls am 01.04.2008 stellte er bei der Agentur für Arbeit B-Stadt einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 22.04.2008 für den Monat April 2008 mit der Begründung abgelehnt, dass der Kl. angesichts des Zuflusses von 1.189,45 € in diesem Monat nicht hilfebedürftig sei. Den dagegen am 27.05.2008 eingelegten Widerspruch wies die Bundesagentur für Arbeit, die frühere Beklagte (Bekl.), mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2008 als unbegründet zurück. Der Kl. sei nicht hilfebedürftig, weil ihm am 01.04.2008 das Märzgehalt zugeflossen sei. Dieses Gehalt sei gemäß § 2 Abs. 2 Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V) unter Berücksichtigung der Kfz-Versicherung, Werbungskostenpauschale und Freibeträge nach § 30 SGB II in Höhe von 909,45 € anzurechnen.
Hiergegen hat der Kl. am 11.07.2008 beim Sozialgericht München (SG) Klage eingereicht.
Der Kl. hat in der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2009 beim SG beantragt,
den Bescheid vom 22.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2008 aufzuheben und die frühere Bekl. zu verpflichten, dem Kl. für April 2008 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Märzgehaltes zu zahlen.
Die frühere Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das SG hat mit Urteil vom 07.10.2009 (Az. S 52 AS 1676/08) entsprechend dem gleich lautenden Klageantrag des Kl. den Bescheid vom 22.04.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.06.2008 aufgehoben und die frühere Bekl. verpflichtet, dem Kl. für April 2008 Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung des Märzgehaltes zu zahlen. In der Rechtsmittelbelehrung hat das SG darauf hingewiesen, dass das Urteil nicht mit der Berufung angefochten werden könne, weil sie gesetzlich ausgeschlossen und vom SG nicht zugelassen worden sei. Das Urteil ist der früheren Bekl. am 15.10.2009 zugestellt worden.
Das SG hat sein Urteil damit begründet, dass der Zufluss auf dem Konto am 01.04.2008 um 0.01 Uhr erfolgt sei, die Antragstellung jedoch erst später zu den gewöhnlichen Öffnungszeiten der Agentur für Arbeit. Damit sei der Zufluss noch vor Antragstellung erfolgt, und das zugeflossene Geld sei als Vermögen und nicht als Einkommen zu qualifizieren.
Am 10.11.2009 hat die frühere Bekl. gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie hat geltend gemacht, soweit das Urteil des SG nach der Uhrzeit differenziere, zu der das Geld zugeflossen und der Antrag gestellt worden sei, stehe es im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sowie des Bayerischen Landessozialgerichts, wonach der Tag der Antragstellung unabhängig von der Uhrzeit der Antragstellung als Ganzer zum Leistungszeitraum zähle. Außerdem handle es sich um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Schließlich liege ein Verfahrensfehler vor, weil der Landkreis B-Stadt notwendig beizuladen gewesen wäre.
Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat mit Beschluss vom 28.02.2011 (Az. L 16 AS 767/09 NZB) die Berufung zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe.
Auf Anfrage des LSG hat die W. Bank mit Schreiben vom 28.04.2011 mitgeteilt, dass die Gutschrift des Betr...