Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab Vollendung des 62. Lebensjahres für den unter die Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs 3 SGB 6 fallenden Personenkreis
Leitsatz (amtlich)
Es besteht keine Verpflichtung des Gesetzgebers, für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte einen vorzeitigen Rentenbeginn mit Abschlägen gesetzlich vorzusehen.
Orientierungssatz
Zur Frage, ob der Gesetzgeber bei der Neugestaltung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte für den unter die Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs 3 SGB 6 fallenden Personenkreis eine spezielle Vertrauensschutzregelung in § 236b SGB 6 hätte schaffen müssen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 28.11.2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1953 geborene Kläger beantragte am 27.01.2015 bei der Beklagten eine Altersrente für langjährig Versicherte sowie eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Die Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Altersrente für langjährig Versicherte nach § 36 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) bzw. § 236 SGB VI beim Kläger erfüllt seien. Eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte käme erst ab Juni 2016 in Betracht (§ 38 SGB VI bzw. § 236b SGB VI). Daraufhin bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 18.02.2015 eine Altersrente für langjährig Versicherte ab 01.04.2015.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 27.02.2015 am 02.03.2015 Widerspruch ein. Er gab an, dass er bereits 45 Beitragsjahre zurückgelegt habe und daher die Rente für besonders langjährig Versicherte gemäß § 38 iVm mit § 236b SGB VI in Anspruch nehmen könne. Er habe aber 2002 mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung über Altersteilzeit vom 01.04.2008 bis 31.03.2015 getroffen. Aufgrund der damals eingeführten Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs. 3 SGB VI habe er seinen Altersteilzeitvertrag nicht an die angehobene Altersgrenze anpassen müssen, was aber möglich gewesen wäre, weil er zum Zeitpunkt der Rechtsänderung die Altersteilzeit noch nicht begonnen gehabt habe. Sein Widerspruch richte sich dagegen, dass er wegen der seinerzeitigen Vertrauensschutzregelung heute keine Möglichkeit habe, einen Rentenabschlag zu vermeiden oder zu verringern, da er für die Rente ab Vollendung des 62. Lebensjahres einen Abschlag von 10,8 % in Anspruch nehmen müsse. Dagegen könnte er ab dem 63. Lebensjahr jetzt abschlagsfrei in Rente gehen. Andere Versicherte, die keine Altersteilzeit vereinbart gehabt hätten, hätten mit 63 Jahren und einem Abschlag von 7,2 % in Rente gehen können, während sie jetzt bei 45 Beitragsjahren mit 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Das Problem wäre mit einer weiteren Vertrauensschutzregelung aufzulösen. Wer vor 2007 mit seinem Arbeitgeber Altersteilzeit vereinbart habe und nach Vollendung des 62. Lebensjahres 45 Beitragsjahre vorweisen könne, dürfe mit Abschlag vorzeitig in Rente gehen, wobei dieser maximal 3,6 % betrage. Eine derartige Rentengewährung beantrage er. Er strebe eine Verfassungsbeschwerde an.
Mit Schreiben vom 24.03.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte eine Vertrauensschutzregelung nicht vorgesehen sei und er zwar die Wartezeit erfüllt habe, jedoch das maßgebliche Lebensalter erst am 13.05.2016 erreiche, so dass er die Altersrente für besonders langjährig Versicherte erst ab 01.06.2016 in Anspruch nehmen könnte.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2015 zurück. Die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte nach Vollendung des 62. Lebensjahres bestehe für Versicherte, die im November 1949 oder später geboren seien und von der Vertrauensschutzregelung des § 236 Abs. 3 SGB VI erfasst wurden. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente sei zwingend mit einer Rentenminderung verbunden. Die Berechnung ergebe eine Minderung des Rentenbetrages um 10,8 %. Die Rentenminderung könne durch die Zahlung von Beiträgen ausgeglichen werden. Die Anhebung der Altersgrenze und die Minderung des Zugangsfaktors seien verfassungsgemäß. Dies habe das Bundessozialgericht am 19.11.2009 - Az. B 13 R 5/09 R - unter Bezugnahme u.a. auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11.11.2008 - Az. 1 BvL 3/05 - festgestellt. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte habe der Kläger derzeit nicht erfüllt. Eine vorzeitige Inanspruchnahme dieser Altersrente sei nicht möglich.
Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 08.07.2015 am 09.07.2015 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Er hat sich zur Begründung auf die Argumentation in seinem Widerspruchsschreibe...