Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. GKV-Spitzenverband. Reichweite des Auskunftsanspruchs nach § 129 Abs 5c S 4 SGB 5
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsgrundlage zur Auskunftserteilung über vereinbarte Preise für Fertigarzneimittel in parenteraler Zubereitung (§ 129 Abs 5c S 4 SGB V) ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass de lege lata nur Auskünfte zu Durchschnittspreisen verlangt werden können.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.09.2013 in Ziffer II aufgehoben, im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten auch der Berufung.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin zur Auskunft über vereinbarte Preise für Fertigarzneimittel in parenteraler Zubereitung nach § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V gegenüber dem Beklagten verpflichtet ist.
Die Klägerin ist in der Rechtsform der GmbH & Co.KG mit Sitz in A-Stadt (Handelsregister A des Amtsgerichts HRA 9xxx) als Arzneimittelhersteller tätig. Die Klägerin firmierte zum 15.12.2015 von der A. GmbH & Co. KG in die B. Pharma GmbH & Co. KG um.
Gegenstand des Unternehmens ist nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages die Herstellung und der Vertrieb von Pharmazeutika. Persönlich haftender Gesellschafter ist die B. Pharma GmbH, A-Stadt (Handelsregister B des Amtsgerichts A-Stadt HRB 1xxx).
Der Beklagte ist Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen und erfüllt unter anderem die Aufgaben, die ihm kraft Gesetzes und seiner Satzung zugewiesen sind. Er wird in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Recht auf Selbstverwaltung geführt (§ 217a Abs. 2 SGB V). Der Beklagte hat seinen Sitz in Berlin gemäß § 217e Abs. 1 Satz 3 SGB V. Er hat Satzungsautonomie nach § 217e Abs. 1 Satz 1 SGB V. Der Erlass von Satzungen und deren Änderungen bedarf der Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Der Beklagte hat eine Satzung des GKV-Spitzenverbandes vom 18.06.2007 in der Fassung der Änderungen vom 19.11.2007, 27.05.2008, 18.02.2009, 31.03.2009, 04.06.2009, 09.09.2009, 09.06.2010, 23.03.2011, 08.06.2011, 05.12.2012, 04.06.2014, 03.09.2014 und 10.12.2014 erlassen, die jeweils vom Bundesministerium für Gesundheit genehmigt wurden.
Am 27.02.2013 hat der Beklagte der Klägerin mitgeteilt, dass er beabsichtige, gegen die Klägerin einen Auskunftsanspruch nach § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V geltend zu machen. Das Schreiben war als Anhörung gemäß § 24 SGB X bezeichnet. In diesem Schreiben wurde festgestellt, dass dem Beklagten alternative Möglichkeiten, die Einkaufskonditionen in vergleichbarer zulässiger Weise in Erfahrung zu bringen, nicht zur Verfügung stehen würden. Die allgemein verfügbaren Listenpreise für Fertigarzneimittel würden bekanntermaßen nicht die tatsächlichen Marktverhältnisse abbilden. Die Preise sowie eventuelle Einkaufsvorteile würden zwischen pharmazeutischen Unternehmern, Großhändlern, Herstellungsbetrieben im Sinne des § 13 AMG sowie Apotheken regelmäßig individuell vereinbart. Der Auskunftsanspruch bestünde gegenüber den Apothekern und den pharmazeutischen Unternehmen, ohne eine Rangfolge zu besitzen. Der Beklagte habe auch einzelne Apotheker zur Auskunft aufgefordert. Die für die Vereinbarung mit dem Deutschen Apothekerverband erforderlichen zuverlässigen Informationen würden nur erlangt werden, wenn Auskünfte sowohl von pharmazeutischen Unternehmen als auch von Apothekern eingeholt werden.
Die Arzneimittel der Klägerin mit den Wirkstoffen
- Docetaxel und
- Paclitaxel
würden in beträchtlichem Umfang zur Herstellung parenteraler Zubereitungen eingesetzt, die von Apothekern zu Lasten der GKV abgerechnet würden. Der Beklagte beabsichtige deshalb, der Klägerin durch Erlass eines Verwaltungsaktes (§ 31 SGB X) aufzugeben, dem Beklagten die tatsächlichen Verkaufskonditionen für sämtliche Arzneimittel mit den genannten Wirkstoffen für den Monat Januar 2013 mitzuteilen.
Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28.03.2013 der beabsichtigten Vorgehensweise des Beklagten widersprochen. Ein derartiges Auskunftsersuchen, wie von dem Beklagten beabsichtigt, sei nicht von § 129 Abs. 5c Satz 4 SGB V gedeckt. Der dort geregelte Auskunftsanspruch beziehe sich auf den Fall der Berechnung der tatsächlichen Einkaufspreise durch die Apotheke bei Nichtvorliegen einer Vereinbarung zwischen dem Spitzenverband der Apotheker - DAV. Der beabsichtigte Verwaltungsakt stelle einen Rechtseingriff gegenüber der Klägerin dar und bedürfe einer expliziten Rechtsgrundlage. Die Geschäftsdaten und insbesondere auch die mit den Kunden vereinbarten Einkaufsbedingungen würden der Vertraulichkeit unterliegen und von der klägerischen Seite daher ohne entsprechende gesetzliche Verpflichtung nicht weitergegeben werden können. Aus dem Wortlaut der von dem Beklagten herangezogenen Norm ("tatsächliche Einkaufspreise") lasse sich weder der Umfang der verlangten Daten entnehmen ...