Entscheidungsstichwort (Thema)
Landwirtschaftliche Unfallversicherung. landwirtschaftlicher Arbeitsunfall. sachlicher Zusammenhang. landwirtschaftliches Unternehmen. landwirtschaftliche Hofübergabe. Tätigkeiten zur Erfüllung eines vereinbarten Leibgedings. freie Beheizung der Altenteiler. Brennholzgewinnung im Wald des Staatsforstes. kein Bestandteil iSd § 124 Nr 1 SGB 7
Leitsatz (amtlich)
1. Der innere bzw sachliche Zusammenhang zum landwirtschaftlichen Unternehmen im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a oder b SGB VII wird nicht dadurch hergestellt, dass der landwirtschaftliche Unternehmer aufgrund eines im Hofübergabevertrag vereinbarten Leibgedings zu bestimmten Leistungen vertraglich verpflichtet ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Leibgedingsansprüche der Übergeber - wie hier - nicht aus dem eigenen landwirtschaftlichen Unternehmen des Übernehmenden erfüllt werden.
2. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um Leibgedingsansprüche handelt, die einer angemessenen Existenzsicherung der Altenteiler dienen, oder ob es sich um weitergehende Ansprüche handelt.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. April 2015 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 17. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2014 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger und Berufungsbeklagte begehrt die Feststellung, dass es sich bei dem Ereignis vom 14. November 2013 um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) handelt.
Der 1990 geborene Kläger erlitt am 14. November 2013 (Donnerstag) einen Unfall, als er im Staatsforst bei Holzarbeiten im Laub ausrutschte und hinfiel. Dabei zog er sich eine Luxation des linken Schultergelenkes zu.
Die Mutter des Klägers betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb ohne Viehbestand mit zum Unfallzeitpunkt 1,72 ha Grünland und 0,84 ha Geringstland (d.h. Streuwiesen, die der Produktion von Einstreu für die Stallungen, nicht der Ernährung von Viehbeständen dienen); forstwirtschaftliche Flächen waren zu keiner Zeit Teil des Betriebes. Sie hat den Betrieb von ihren Eltern übernommen. In dem Übergabevertrag vom 16. August 1999 ist geregelt, dass die Großeltern des Klägers (Übergeber bzw. Altenteiler) das gesamte Anwesen (bestehend insbesondere aus damals 3,45 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche und 0,22 ha Haus- und Hoffläche) mit allen Rechten, wesentlichen Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör an die Mutter des Klägers zum Alleineigentum übergeben (Ab- schnitt B des Vertrages). Als "Gegenleistungen" hierfür sieht der Übergabevertrag in Abschnitt F u.a. vor:
"a) Das Wohnungsrecht in dem übergebenen Anwesen, bestehend in dem Recht der ausschließlichen Benutzung des gesamten Wohntraktes des Anwesens G[...]. Str. 15 in B[...]. und dem Recht auf Mitbenutzung der zum gemeinsamen Gebrauch der Hausbewohner bestimmten Anlagen, Einrichtungen und Räume, wie z.B. der Holzlege, der Garage, des Gartens incl. Obstgarten; mit dem Recht verbunden ist die Befugnis zur freien Bewegung im gesamten Anwesen, insbesondere auch in den Wirtschaftsräumen und im Garten und Hofraum, nicht jedoch in den Privaträumen der Übernehmerin; die Austragsräume sind von der Übernehmerin stets in gut bewohnbarem und gut beheizbarem Zustand zu erhalten, insbesondere sind die erforderlichen Schönheitsreparaturen durchzuführen, und zu reinigen; Nebenkosten wie Müllabfuhr, Kaminkehrer etc., die auf die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume entfallen, trägt die Übernehmerin; die Ausübung des Rechtes darf nicht an Dritte übertragen werden;
b) freie Beheizung, Beleuchtung, Wasser- und Strombezug, auch für elektrische Haushaltsgeräte;
c) die vollständige Verköstigung einschließlich Getränke in den Austragsräumen gegebenenfalls eine den jeweiligen Alters- und Gesundheitsverhältnissen der Übergeber entsprechende andere Kost;
d) Im Alter, bei Gebrechlichkeit und Krankheit, solange die Übergeber im Vertragsobjekt wohnen, häusliche Wart und Pflege, wie z.B. Verrichtung aller Hausarbeiten und Besorgungen, alle Gänge und Fahrten zu Arzt, Apotheker etc., Reinigung, Ausbesserung und Instandhaltung der Kleidung, Wäsche und Schuhe. ...".
Die Haushalte der Großeltern des Klägers sowie der Mutter des Klägers sind räumlich getrennt; insoweit hat sich jedenfalls seit der Betriebsübergabe keine Änderung ergeben. Die Altenteiler wohnen in der alten Hofstelle. Dieses alte Bauernhaus hat 65 m² Wohnfläche und keine eigene moderne Heizung. Es wird nur mit Holz geheizt; sogar die Warmwasserbereitung erfolgt durch einen Badeofen. Die Mutter des Klägers wohnt mit ihrer Familie im Zuhaus. Dieses ist mit einer Ölheizung und ganzflächig mit Fußbodenheizungen versehen. Lediglich im Wohnzimmer steht ein Kachelofen. Dieser wird abends und ab und zu an den Wochenenden aus Gemütlich...