Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspsychotherapeutische Versorgung. Nachfolgebesetzung. Weiterbestehen eines Sonderbedarfs. Prüfung durch Zulassungsgremien. Beschränkung oder teilweiser Ausschluss der vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Bei einer Nachfolgebesetzung ist durch die Zulassungsgremien zu prüfen, ob ein festgestellter Sonderbedarf weiter besteht.

2. Die mit der Sonderbedarfszulassung nach § 37 Abs 1 S 1 BedPlRL (juris: ÄBedarfsplRL) verbundenen Beschränkungen der vertragsärztlichen Tätigkeit greifen in das Recht der Berufsfreiheit nach Art 12 Abs 1 GG ein. Auch der teilweise Ausschluss von der vertragsärztlichen oder vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit - hier von den Leistungen Verhaltenstherapie - oder die Bindung der Zulassung an den Ort der Niederlassung, ist eine Beschränkung der Berufsfreiheit (vgl ua BVerfG vom 31.3.1998 - 1 BvR 2167/93 ua = SozR 3-2500 § 95 Nr 17).

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Beschränkung einer Sonderbedarfszulassung auf Leistungen, die in Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand stehen, entfiel in analoger Anwendung von § 37 Abs 1 S 2 BedPIRL aF (juris: ÄBedarfsplRL) auch bei Nichterfüllung der Quoten nach § 101 Abs 4 S 5 SGB V und Feststellung von Zulassungsmöglichkeiten nach § 25 Abs 1 Nr 5 BedPIRL aF für psychotherapeutisch tätige Leistungserbringer.

2. Werden durch den Wegfall einer Sonderbedarfszulassung die Mindestquoten nach § 101 Abs 4 S 5 SGB V für psychotherapeutisch tätige Leistungserbringer nicht mehr erfüllt und müsste eine Zulassungsmöglichkeit nach § 25 Abs 1 Nr 5 BedPIRL festgestellt werden, bedarf die zu erteilende Nachfolgezulassung nach § 103 Abs 4 SGB V keiner Beschränkung nach § 36 Abs 6 und 7 BedPIRL.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.01.2021; Aktenzeichen B 6 KA 27/19 R)

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.04.2018 und der Beschluss des Beklagten vom 10.06.2015 werden aufgehoben und der Beklagte wird verurteilt, über den Widerspruch der Klägerin vom 01.08.2015 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die fortwirkende Beschränkung einer Sonderbedarfszulassung auf den Ausnahmetatbestand "tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen".

Mit Beschluss vom 07.11.2007 ließ der Zulassungsausschuss Ärzte Schwaben (nachfolgend: ZA) Frau Dipl.-Sozialarb. Sozialpäd. B. (später C.) für den Vertragsarztsitz C-Stadt, C-Straße zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu. Die Zulassung erfolgte gemäß § 25 Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedPlRL) unter der Maßgabe, dass für die Dauer der Zulassung nur die ärztlichen Leistungen abrechnungsfähig sind, welche im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen stehen.

Frau C. beantragte am 27.11.2014 die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens. Die Beigeladene zu 1) hat anlässlich dieses Antrages eine erneute Bedarfsanalyse durchgeführt und dem ZA mit Schreiben vom 02.03.2015 mitgeteilt, dass der Planungsbereich Stadt C. und Landkreis C. für die Arztgruppe der Psychotherapeuten gesperrt sei. Bei einem Ist-Bestand von 42,4 psychotherapeutischen Zulassungen bestehe ein Versorgungsgrad von 119,4%. Die Mindestquote von 20% Therapeuten, die ausschließlich der Behandlung von Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stehen, sei mit 7,5 Therapeuten erfüllt. Als Ergebnis einer Befragung der niedergelassenen Psychotherapeuten sei festzustellen, dass die gemeldeten freien Kapazitäten nicht ausreichen würden, um die von Frau C. behandelten Patienten zu übernehmen. Es bestehe ein besonderer Versorgungsbedarf, der den Fortbestand der Sonderbedarfszulassung erfordere.

Der ZA gab mit Beschluss vom 19.03.2015 dem Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens statt.

Die Klägerin beantragte beim ZA ihre Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung. In dem am 27.04.2015 beim ZA eingegangenen Formblattantrag vom 21.04.2015 war unter 2. beantragt die Zulassung zur vertragsärztl./-psychotherapeu-tischen Versorgung mit vollem Versorgungsauftrag als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut (nachfolgend: KJP) in den Richtlinienverfahren Analytische Psychotherapie und Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie am Vertragsarztsitz C-Straße, C-Stadt.

Mit weiterem Beschluss des ZA vom 10.06.2015 wurde die Klägerin nach § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V i.V.m. §§ 36, 37 BedPlRL mit Wirkung zum 01.07.2015 zur Fortführung der Praxis von Frau Dipl.-Sozialarb./Soz.päd. R. C. zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Die Zulassung erfolgte nach § 36 Abs. 6 BedPlRL mit der Maßgabe, dass für die Dauer der Zulassung nur die ärztlichen Leistungen abrechnungsfähig sind, die im Zusammenhang mit dem Ausnahmetatbestand tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie stehen. Die Zulassung war gemäß § 36 Abs. 2 BedPlRL an den Ort der Niederlassung C-Straße in C-Stadt gebunden.

Die Klägerin beantragte m...

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