Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung: Arzneimittelregress wegen Anforderung monoklonaler Antikörper als Rezeptur von der Apotheke
Leitsatz (amtlich)
1. Im streitgegenständlichen Zeitraum (Quartal 2/2008 bis 1/2009) war das Gebrauchsfertigmachen monoklonaler Antikörper kein als notwendige Vorbereitungshandlung selbstverständlicher Teil der ärztlichen Behandlung i.S.v. § 73 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.
2. Damit fehlte zugleich eine besondere Konstellation, in der unmittelbar auf das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V gestützt ein Arzneimittelregress im Einzelfall gestützt werden kann.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 1. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist ein Regress für die Quartale 2/2008 bis 1/2009 in Höhe von 4776,02 € wegen der Anforderung Monoklonaler Antikörper (MAK) als Rezepturen von der Apotheke.
Der beigeladene Arzt betrieb zum streitgegenständlichen Zeitpunkt eine internistische Gemeinschaftspraxis und nahm in N-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Am 27.01.2010 beantragte die Klägerin eine Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise in Einzelfällen nach § 16 der Prüfungsvereinbarung. Die klägerische Gemeinschaftspraxis habe die von ihr benötigten MAK in Form von Rezepturen von der Apotheke angefordert. Nachdem es sich um einen untoxischen Stoff handle, wäre die wirtschaftliche Alternative die Verordnung dieser Medikamente als Fertigarzneimittel und die eigenständige Einbringung in Kochsalzlösung gewesen. Der AOK sei ein Schaden von 4776,02 € entstanden. Mit Prüfbescheid vom 15.09.2010 lehnte die Prüfungsstelle Ärzte Bayern die Festsetzung einer Maßnahme ab. Bei der Zubereitung von MAK stelle die bisher vorliegende Rechtsprechung fest, dass im Hinblick auf die eingeschränkte Immunabwehr der Patienten aseptische Bedingungen vorherrschen müssten. Es sei den Onkologen nicht zuzumuten, personell, apparativ und räumlich aufzurüsten, um den Qualitätsanforderungen zu entsprechen. Im übrigen stellten MAK krebserzeugende, erbgutverändernde sowie fortpflanzungsgefährdende Arzneimittel dar. Dies ergebe sich aus der Bewertung der Berufsgenossenschaft aus dem Jahr 2008. Beim Umgang mit toxischen Arzneimitteln sei neben der aseptischen Arbeitsweise der Aspekt des Personalschutzes zu beachten. Die Zubereitung toxischer Fertigarzneimittel könne von Onkologen nicht gefordert werden, wie sich aus der bisherigen Rechtsprechung ergebe.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 24.05.2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er wies auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts München, die Urteile vom 13.03.2007 und vom 06.12.2006, sowie des Sozialgerichts Hannover hin. Es gebe eine einheitliche Rechtsprechung zur Frage der Toxizität bei MAK. Dem Vertragsarzt könne das Gebrauchsfertigmachen von toxischen Arzneimitteln wie Zytostatika und MAK in der Praxis nicht zugemutet werden. Das Gebrauchsfertigmachen der Rezeptur in der Apotheke sei als wirtschaftlich anzusehen.
Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG). Im streitgegenständlichen Zeitraum hätten die meisten Praxen in Bayern MAK in der Praxis selbst anwendungsfertig gemacht. Auch die Fachinformationen stünden dem nicht entgegen. Dies reiche bereits aus, um die Unwirtschaftlichkeit der Mehrkosten der Apothekenrezeptur festzustellen. Die Vorschläge der Berufsgenossenschaft Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) hätten bisher keine Umsetzung bei den "Technischen Regeln für Gefahrstoffe" gefunden. Die von der Berufsgenossenschaft vertretene Auffassung sei zumindest umstritten. MAK seien nicht toxisch. Der Beklagte trug vor, dass MAK nach einheitlicher Rechtsprechung toxisch seien. Im Übrigen wurde auf das Gutachten der BGW vom Dezember 2008 hingewiesen. Danach seien alle MAK sowohl als Arzneistoffe als auch in Form des Fertigarzneimittels als giftig anzusehen. Auch die neue Onkologievereinbarung bestärke den Beklagten in seiner Meinung, dass die Zubereitung von MAK in der Praxis nicht gewollt sei. Nach § 5 Abs. 1 5. Spiegelstrich würden die Voraussetzungen nur gelten, soweit eine Zubereitung in der Praxis stattfinde.
Mit Gerichtsbescheid vom 22.06.2012 wies das SG die Klage ab. Den Prüfgremien komme ein Gestaltungsspielraum bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise zu, der nicht überschritten sei. Die Verordnung von bereits in der Apotheke gebrauchsfertig gemachten MAK sei nicht als unwirtschaftlich anzusehen. Der Beklagte habe die MAK nachvollziehbar als toxisch bewertet und sich dabei auf das Gutachten der BGW gestützt. Es liege im Beurteilungsspielraum des Beklagten, ein vorliegendes aktuelles Gutachten einer Berufsgenossenschaft als Grundlage seiner Entscheidung heranzuziehen. Eine Verpflichtung zur Zubereitung ...