Entscheidungsstichwort (Thema)
Große Witwerrente. Überwiegende Bestreitung des Familienunterhalts. Haushaltsführung. Kosten des Pflegeheims
Leitsatz (redaktionell)
1. Zum Lebensbedarf der Familie gehören als tatsächliche Aufwendungen auch die Kosten für das Pflegeheim, in dem sich eine Ehegatte während des maßgeblichen Zeitraums bereits befindet. Anzusetzen sind die gesamten Kosten, also auch diejenigen, die von der Pflegekasse unmittelbar an den Heimträger geleistet wurden.
2. Die monatlichen Ansprüche eines Ehegatten auf Zahlungen der Pflegeversicherung sind als dessen Unterhaltsbeitrag zu berücksichtigen, wenn sie zur Deckung des Familienbedarfs tatsächlich eingesetzt werden. Dabei ist wegen weitgehender Deckungsgleichheit der Leistungen aus der gesetzlichen und privaten Pflegeversicherung insoweit nicht weiter zu differenzieren.
3. Es ist sachgerecht, den Wert der Haushaltsführung nach dem regionalen Tarifvertrag der Gewerkschaft NGG zu berechnen.
Normenkette
SGB VI §§ 46, 303 S. 1
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. Juli 2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung einer großen Witwerrente hat.
Der am 1928 geborene Kläger hatte am 1972 seine Ehefrau I. E. geheiratet, die am 2006 verstorben ist. Er bezog seit 1. April 1988 laufend eine Altersrente, mit Bescheid vom 8. März 2004 in Höhe von 1.381,16 EUR, im Zeitraum 1. März 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von 1.520,26 EUR, sowie eine Betriebsrente, ab 1. Juli 2004 in Höhe von 347,65 EUR, im Zeitraum 1. März 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von 421,25 EUR.
Am 20. März 1988 hatten die Eheleute eine gemeinsame Erklärung zur Anwendung des am 31. Dezember 1985 geltenden Hinterbliebenenrechts abgegeben und erklärt, dass das am 31. Dezember 1985 geltende Recht für Renten an Witwen und Witwer aus der gesetzlichen Rentenversicherung auch ab 1. Januar 1986 für sie anzuwenden sei.
Der Kläger stellte am 22. März 2006 einen Antrag auf Hinterbliebenenrente. Er gab an, dass seine Ehefrau überwiegend den Unterhalt der Familie bestritten habe. Sie habe bis 2001 den Haushalt geführt, in beschränktem Umfang dann auch bis 15. Januar 2004. Ab 15. Januar 2004 habe sie in einem Pflegeheim gelebt.
Die Ehefrau bezog gemäß der Rentenanpassung zum 1. Juli 2003 eine Altersrente in Höhe von 1.092,02 EUR, im Zeitraum vom 1. März 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von 1.015,12 EUR, ferner eine Zusatzrente der Bahnversicherungsanstalt in Höhe von 678,53 EUR ab 1. Januar 2004, im Zeitraum vom 1. März 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von 689,98 EUR. Ferner leistete die Pflegekasse einen Betrag für Pflegebedürftige der Pflegestufe III in Höhe von monatlich 1.432.- EUR.
Die Beklagte errechnete ein Familieneinkommen in Höhe von 5.078,61 EUR, ohne Berücksichtigung der Pflegeleistung von 3.646,61 EUR. Mit Bescheid vom 14. Juni 2006 lehnte sie den Antrag auf Hinterbliebenenrente ab, da der Einkommensanteil der verstorbenen Ehefrau in Höhe von 1.705,10 EUR die Hälfte des Familieneinkommens (in Höhe von 5.078,61 EUR, davon die Hälfte: 2.539,30 EUR) nicht übersteige.
Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, das Pflegegeld sei als Einkommen der verstorbenen Ehefrau anzurechnen, da bei ihm eine Pflegebedürftigkeit nicht anerkannt worden sei. Die Pflegekasse habe mit Bescheid vom 22. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2006 Leistungen an ihn abgelehnt. Auf Aufforderung der Beklagten legte der Kläger Belege für die Aufwendungen der Eheleute im letzten Jahr vor dem Tod der Versicherten vor.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2006 zurück. Sie berechnete, dass die Verstorbene beispielsweise im Dezember 2005 Einnahmen in Höhe von 3.201,61 EUR im Form der Altersrente (1.082,63 EUR), einer Zusatzrente (686,98 EUR) und Pflegegeld (1.432.- EUR) gehabt habe. Dem seien Ausgaben in Höhe von 3.317,83 EUR gegenüber gestanden. Der Kläger habe Einnahmen in Höhe von 1.727,81 EUR in Form einer Rente (351,97 EUR) und einer VBL-Rente (1.375,84 EUR) und Ausgaben in Höhe von 807,97 EUR gehabt. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass der Lebensunterhalt des Klägers überwiegend durch die Verstorbene bestritten worden sei. Der notwendige Lebensbedarf der Verstorbenen sei mit deren Tod entfallen. Es sei somit dem Kläger keinerlei Bedarfsdefizit entstanden, das durch eine entsprechende Witwerrente auszugleichen wäre.
Mit der Klage zum Sozialgericht Nürnberg begehrte der Kläger weiterhin die Gewährung der Witwerrente. Die Beklagte habe die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 4-2600 § 46 Nr. 3) missachtet. Zwar habe sie im Widerspruchsbescheid das Pflegegeld zum Einkommen der verstorbenen Ehefrau gezählt, jedoch habe sie nicht den gesamten Lebensbedarf vor dem Tode der Versicherten berücksi...