Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungen der aktiven Arbeitsförderung. Höhe und Fortzahlung von Unterhaltsgeld bei beruflicher Weiterbildungsmaßnahme im Strafvollzug. Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge
Orientierungssatz
1. Bei Strafanstalten handelt es sich um andere öffentlich-rechtliche Stellen iS von § 22 Abs 1 SGB 3, die nach der Zielsetzung des § 37 Abs 3 StVollzG zur Erbringung gleichartiger Leistungen gesetzlich verpflichtet sind, so dass Leistungen der aktiven Arbeitsförderung grundsätzlich nachrangig sind. Nach der Spezialvorschrift des § 22 Abs 3 S 1 SGB 3 hat die Bundesagentur für Arbeit (BA) bei Förderung einer Maßnahme der beruflichen Weiterbildung jedoch Unterhaltsgeld vorrangig vor der Ausbildungsbeihilfe nach § 44 StVollzG zu erbringen, wobei das Unterhaltsgeld nach § 22 Abs 3 S 2 SGB 3 die Höhe der Ausbildungsbeihilfe nach § 44 StVollzG nicht übersteigen darf.
2. Die Verfassungsmäßigkeit der grundsätzlichen unterschiedlichen Entlohnung (insofern auch Ausbildungsbeihilfe im Fall der Weiterbildung) von Strafgefangenen im Vergleich zu freien Arbeitnehmern hat das BVerfG bejaht (vgl BVerfG vom 1.7.1998 - 2 BvR 441/90 = BVerfGE 98, 169).
3. Die Begrenzung der Höhe des Unterhaltsgeld an den Strafgefangenen soll allerdings nicht für den Gefangenen gelten, der den - ggf erst abstrakten - Freigängerstatus nach § 39 StVollzG inne hat.
4. Die BA muss überprüfen, ob die Justizvollzugsanstalt (JVA) das von ihr nach § 22 Abs 3 S 3 SGB 3 vorauszuleistende Unterhaltsgeld der Höhe nach gem § 44 StVollzG zutreffend festgesetzt hat. Die JVA darf nach § 44 Abs 2 iVm § 43 Abs 1 S 3 Halbs 2 StVollzG aF bzw § 43 Abs 2 S 3 StVollzG nF die Beschäftigung des Gefangenen in der Weiterbildungsmaßnahme nach Stundensätzen entlohnen und insoweit auch nur für tatsächliche Beschäftigungszeiten zahlen, wenn die Teilnahme an der Maßnahme durch Arbeitsunfähigkeitszeiten unterbrochen war. Eine Fortzahlung des Unterhaltsgeldes bei Arbeitsunfähigkeit ist nach den für die Ausbildungsbeihilfe geltenden Bestimmungen des StVollzG nicht möglich. Eine gesetzliche Änderung dieser Situation ist zwar in Gestalt einer Ausfallentschädigung gem § 45 StVollzG vorgesehen bzw geplant, die Vorschrift ist jedoch noch nicht in Kraft gesetzt.
5. Zur Bemessung der abzuführenden Rentenversicherungsbeiträge gem § 166 Abs 1 Nr 2 SGB 6 bei Förderung der durch Krankheit unterbrochenen Weiterbildung eines Strafgefangenen.
Nachgehend
Tenor
I. |
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Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20. September 2001 insoweit aufgehoben, als die Beklagte darin zur Zahlung von zusätzlichem Unterhaltsgeld verurteilt worden ist. |
II. |
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Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 20. September 2001 gleichfalls abgeändert. Die Beklagte hat das vom Kläger als Ausbildungsbeihilfe nach § 44 Strafvollzugsgesetz vorausgeleistete, ihm zustehende Unterhaltsgeld unter Abänderung der Bescheide vom 20. April 1999, vom 26. April 1999, vom 03. Mai 1999, vom 07. Mai 1999, vom 12. Mai 1999, vom 19. Mai 1999, vom 21. Mai 1999 und vom 11. Juni 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. August 1999 sowie des Bescheides vom 09. Dezember 1999 über den Abrechnungsmonat April auf die gesamte Zeit der Teilnahme des Klägers an der Weiterbildungsmaßnahme vom 01. September 1998 bis einschließlich 21. April 1999 mit Ausnahme des 25. Januar 1999 zu verteilen. Sie hat dem Kläger den Inhalt der der Beigeladenen zu 1) erstatteten Meldungen über die sich daraus ergebenden Leistungszeiträume und die diesen zugrundeliegenden beitragspflichtigen Einnahmen zu bescheinigen. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen. |
III. |
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Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zur Hälfte. |
IV. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Streitig ist, welche Leistungen die Beklagte dem in Strafhaft befindlichen Kläger während einer von ihr geförderten Weiterbildungsmaßnahme zu erbringen und welches beitragspflichtige Arbeitsentgelt sie der Beigeladenen zu 1) zu melden hat.
Für den 1973 geborenen Kläger sind neben wenigen bis zu zwei Monaten dauernden regulären Beschäftigungsverhältnissen und kurzen Zeiten des Alg-Bezuges fast ausschließlich Aufenthalte in verschiedenen Justizvollzugsanstalten (JVA) verzeichnet, wo er den unterschiedlichsten anstaltsinternen, nach den §§ 168 Abs.3 AFG, 26 Abs.1 Nr.4 SGB III arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigungen nachging. In den kurzen Zeiten zwischenzeitlichen Alg-Bezuges wurde sein Alg im Hinblick auf kürzere Betätigungen als Schlosser nach dem Verdienst eines Metallarbeiters bzw. Schlosserhelfers bemessen. Nach dem letzten Alg-Bezug war er zunächst erneut in U-Haft in der JVA M. , anschließend ab November 1996 in S. .
In der JVA S. wurde dem Kläger eine Weiterbildung zum Elektroinstallateur genehmigt, die am 01.09.1998 begann und bis zum 31.08.2000 dauern sollte. Die Ausbildung wurde anstaltsint...