Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung. Petö-Therapie. Abgrenzung der sozialen Rehabilitation von der medizinischen Rehabilitation. Leistungszweck. Erstattung selbstbeschaffter Leistungen. Bestehen einer Leistungs- und Vergütungsvereinbarung. Vorliegen eines Leistungsangebots. Gewährleistungsverantwortung des Sozialhilfeträgers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Petö-Therapie handelt es sich um eine Leistung, die grundsätzlich sowohl als Krankenbehandlung iS eines Heilmittels nach § 32 SGB V (vgl BSG vom 3.9.2003 - B 1 KR 34/01 R = SozR 4-2500 § 18 Nr 1) als auch als Eingliederungshilfe nach §§ 53ff SGB XII (vgl BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 19/08 R = SozR 4-3500 § 54 Nr 6) in Betracht kommt.

2. Erforderlich ist eine Abgrenzung nach dem Leistungszweck der erfolgten Petö-Therapie.

3. Der Leistungszweck besteht in der medizinischen Rehabilitation, wenn die Gehfähigkeit erhalten und die Feinmotorik verbessert werden sollen.

4. Eine Leistung ist nicht automatisch eine Leistung der sozialen Rehabilitation, wenn sie sich auch positiv auf die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auswirkt.

5. Auch ein Erstattungsanspruch für selbstbeschaffte Leistungen setzt eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung, ein Leistungsangebot des Leistungserbringers oder einen Ausnahmefall der Gewährleistungsverantwortung des Sozialhilfeträgers voraus.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 26. Oktober 2015, S 48 SO 333/11, wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten für eine "konduktive Förderung" nach Petö als Blockförderung in den Schulferien im Jahr 2010 (in Höhe von 983 €, 975 € und 1.462,50 € = 3.420,50 €) als Leistung der Eingliederungshilfe.

Bei dem 2000 geborenen Kläger besteht eine schwere angeborene Körperbehinderung (infantile Cerebralparese mit beinbetonter Tetraparese). Er besuchte ab September 2007 (mit Unterstützung eines Schulbegleiters) die Regelschule; seit September 2011 besucht er das Gymnasium. Als Leistungen der Eingliederungshilfe erhält der Kläger vom Beklagten Hilfen zur angemessenen Schulbildung in Form der Schulbegleitung, auch für den Besuch der Offenen Ganztagesschule und mehrtägige Klassenfahrten.

Seit seiner Einschulung besuchte der Kläger idR in den Oster-, in den Pfingst- und in den Sommerferien die sog. "Blockförderwochen" in der Heilpädagogischen Tagesstätte (HPT) N.. Die Einrichtung wird vom Beigeladenen (C.) betrieben und bietet konduktive Förderwochen nach Petö für Schulkinder an. Bis Ende 2008 übernahm der bis dahin zuständige Landkreis F. die Kosten, für die Oster- und Pfingstförderwochen 2009 übernahm der Beklagte die Kosten als Eingliederungshilfe.

Im Jahre 2010 nahm der Kläger dreimal an sog. "Blockförderwochen" in der HPT N. teil und zwar in der Zeit vom 29.03.2010 bis 09.04.2010 ("Osterförderwochen"), vom 24.05.2010 bis 04.06.2010 ("Pfingstförderwochen") und vom 02.08.2010 bis 20.08.2010 ("Sommerförderwochen"); die Kosten hierfür beliefen sich auf 983 €, 975 € und 1.462,50 € und wurden von den Eltern des Klägers getragen.

Die behandelnden Ärzte des Klägers aus der orthopädischen Klinik D-Stadt (später S-Klinik) bescheinigten am 22.02.2010 (Dr. R.), dass ärztlicherseits eine heilpädagogische Maßnahme in der Ferienzeit sehr zu empfehlen sei, damit der Junge seine motorischen Fähigkeiten weiter behalte und auch ausbauen könne. Am 28.07.2010 bescheinigte Dr. K., dass er eine Indikation zu einer Durchführung von Petö-Förderwochen während der Schulferien sehe, damit der Kläger mit den Kindern seines Altersbereiches mithalten könne und eingegliedert werden könne.

Den Antrag auf Kostenübernahme vom 21.01.2010 (hinsichtlich der Teilnahme an den "Osterförderwochen") lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 12.03.2010 mit der Begründung ab, bei der konduktiven Förderung handle es sich nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 03.09.2003 (B 1 KR 34/01) um Maßnahmen der medizinischen Rehabilitation. Da diese nicht im Leistungskatalog der Krankenversicherung enthalten seien, komme eine Kostenübernahme nicht in Betracht. Zudem handle es sich in Anbetracht der zeitlichen Beschränkung nicht um eine geeignete Maßnahme. Hiergegen erhob der Kläger am 12.04.2010 Widerspruch und stützte sich dabei auf ein zwischenzeitlich ergangenes BSG Urteil vom 29.09.2009, B 8 SO 19/08 R, wonach Petö-Therapie auch eine Maßnahme der Eingliederungshilfe sein könne.

Am 08.04.2010 vereinbarten der Beklagte, vertreten durch den Bezirkstagspräsidenten, und u.a. der Beigeladene als einer der Anbieter der konduktiven Förderung in Oberbayern, dass sie im Hinblick auf das BSG Urteil vom 29.09.2009 nunmehr wieder Leistungsvereinbarungen schließen könnten. Hinsichtlich der Blockförderwochen von Schulkindern in den Schulferien wurde in der Folgezeit bis heute keine Vereinbarung geschlossen, obwohl der Beigeladene m...

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