Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der Begrenzung der Steigerungszahl für zugesplittete Zeiten auf den halben Wert des Umrechnungsfaktors für unverheiratete Landwirte
Leitsatz (amtlich)
Gegen die in § 100 Abs. 1 ALG geregelte Begrenzung der Steigerungszahl für zugesplittete Zeiten auf den halben Wert des Umrechnungsfaktors, der für unverheiratete Landwirte und die Anzahl an vollen Beitragsjahren maßgebend ist, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz sowie Art. 6 und 14 GG.
Normenkette
ALG § 100 Abs. 1, § 23 Abs. 1-3, §§ 92, 1 Abs. 3, § 99; GG Art. 14 Abs. 1 S. 1, Art. 6, 20 Abs. 3
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 23. August 2012 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Altersrente für Landwirte.
Die 1951 geborene Klägerin ist seit 1. April 1970 mit dem 1936 geborenen Nikolaus A. verheiratet. Die Beklagte bewilligte dem Ehemann, der ab 01.11.1966 bis 30.09.2000 insgesamt 407 Kalendermonate mit anrechenbaren Beitragszeiten bei der Beklagten zurückgelegt hat, mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 29.10.2001 Altersrente an Landwirte gemäß § 11 Abs. 1 ALG ab 1. November 2001. Sie legte dabei in der Rentenberechnung den Umrechnungsfaktor für Verheiratete zu Grunde.
Auf Antrag der Klägerin vom 03.01.2012 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 03.01.2012 eine vorzeitige Altersrente ab 1. Januar 2012 (Bruttobetrag 263,35 EUR, Nettobetrag 236,62 EUR). Bei der Rentenberechnung wandte sie § 100 Abs. 1 ALG (Begrenzung der Steigerungszahl für sog. Fiktivzeiten nach § 92 Abs. 1 ALG) an und legte dafür den halben Wert des Umrechnungsfaktors für Unverheiratete bei 33 Jahren zugrunde (35,198171 : 2 = 17,5991).
In der Folge änderte die Beklagte auch die Rentenhöhe für den Ehemann ab; dies ist Gegenstand des Verfahrens L 1 LW 23/12.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin legte wegen der Rentenberechnung Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, dass die Berechnung nicht nachvollziehbar sei. Es werde ein Umrechnungsfaktor für Unverheiratete bei 33 Jahren statt eines Umrechnungsfaktors für Verheiratete mit 52,769309 zugrunde gelegt.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2012 zurückgewiesen. Bei der Ermittlung der Steigerungszahl (§ 23 Abs. 2 ALG) sei die Begrenzung der Steigerungszahl aus sog. Fiktivzeiten gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 ALG zu berücksichtigen. Die nach § 92 Abs. 1 ALG dem Ehegatten zugesplitteten Zeiten hätten sowohl rentenbegründende als auch rentensteigernde Wirkung. Die Vorschrift des § 100 ALG solle diese auf den Betrag begrenzen, der dem Verheiratetenzuschlag entspreche, auf welchen der Landwirt bei Weitergeltung des alten Rechts Anspruch gehabt hätte. Die Klägerin habe
- vom 01.04.1970 bis 31.12.1994 (297 Monate) fiktive Beitragszeiten als Ehegatte (§ 92 ALG) und
- vom 01.02.1995 bis 31.10.2001 (82 Monate) Beitragszeiten als Landwirtin (§ 1 Abs. 3 ALG).
Ihr Ehegatte habe in der Zeit vom 01.11.1966 bis 30.09.2000 (407 Monate = 33 Jahre 11 Monate) Beiträge gezahlt. Die Grenzsteigerungszahl für die Fiktivzeiten der Klägerin sei der halbe Wert (17,5991) des Umrechnungsfaktors für unverheiratete Landwirte (35,198171 = Faktor gem. Anlage 2 für 33 Beitragsjahre des Ehemannes).
Hiergegen hat die Klägerin am 16.04.2012 Klage beim Sozialgericht München (SG) erhoben und eine höhere Rente begehrt. Die Beklagte solle verpflichtet werden, der Klägerin eine Rente unter Berücksichtigung eines Umrechnungsfaktors für Verheiratete zu gewähren. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso aufgrund des Umstandes, dass nach altem Recht der Verheiratetenzuschlag etwa die Hälfte der Leistung für Unverheiratete ausgemacht habe, die Grenzsteigerungszahl der halbe Wert des Umrechnungsfaktors für unverheiratete Landwirte sein könne. Eine Rechtfertigung sei nicht erkennbar, so dass ein Verstoß gegen Art. 6 GG sowie Art. 14 GG vorliege.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. August 2012 abgewiesen. Die angegriffenen Bescheide entsprächen § 92 und § 100 Abs. 1 Satz 1 ALG. Die zitierten Vorschriften seien sprachlich kaum verständlich. Zur Erklärung hat das SG den Systemwechsel in der Alterssicherung der Landwirte mit der Agrarsozialreform zum 01.01.1995 näher erläutert. Im Ergebnis habe die Beklagte die komplizierten Vorschriften zutreffend angewandt.
Gegen den am 29.08.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am Montag, den 01.10.2012, Berufung eingelegt. Das SG habe zutreffend darauf hingewiesen, dass § 100 Abs. 1 Satz 1 ALG in sprachlicher Hinsicht kaum verständlich sei. Damit gehe auch eine Verletzung des Rechtsstaatsgebotes einher. Die maßgeblichen Rechtsvorschriften seien nichtig, weil sie unbestimmt seien. Die Vorschrift müsse in ihren Voraussetzungen und in ihrem Inhalt so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach ein...