Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hilfebedürftigkeit. Hausgrundstück. Erbbaurecht am Grundstück und Eigentum am Wohnhaus. lebenslanges Nießbrauchsrecht des Elternteils. verwertbare Vermögensgegenstände. Unmöglichkeit der sofortigen Vermögensverwertung. Darlehen
Orientierungssatz
1. Das Eigentum an einem Wohnhaus und das Erbbaurecht am betreffenden Grundstück (Restlaufzeit 49 Jahre), welches laut Grundbuch mit Zustimmung des Grundstückseigentümers veräußert oder belastet werden kann, stellen sowohl wirtschaftlich als auch rechtlich grundsätzlich verwertbare Vermögensgegenstände iS des § 12 Abs 1 SGB 2 dar, auch wenn der Wert durch ein lebenslanges Nießbrauchsrecht eines Elternteils gemindert und der Verkauf oder die Beleihung erst zu einem unbestimmten späteren Zeitpunkt möglich ist.
2. Ist die Verwertung durch Verkauf oder Beleihung aufgrund des Nießbrauchsrechts auf Lebenszeit sofort nicht möglich, so sind Leistungen nach § 9 Abs 4 SGB 2 nur als Darlehen zu gewähren. Die Anwendung des § 9 Abs 4 SGB 2 ist dabei nicht auf Fälle einer zeitlich absehbaren Unmöglichkeit der Verwertung beschränkt.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 4. Oktober 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 01.02. bis 31.10.2005 als Zuschuss, nicht nur als Darlehen zusteht.
Der 1950 geborene Kläger, der seit dem 21.01.2001 Arbeitslosenhilfe bezogen hatte, ist Inhaber eines Erbbaurechtes an dem Grundstück Flurstück Nr. 3308/44 in der J.-Str. in N. . Das Erbbaurecht ist auf die Dauer von 99 Jahren ab dem 19.09.1956 bestellt. Auf dem Grundstück befindet sich ein Haus, das im Eigentum des Klägers steht. Das Haus wird von der Mutter des Klägers aufgrund eines ihr an dem Haus zustehenden lebenslangen Nießbrauchsrechts bewohnt. Der Kläger selbst wohnt in einer Mietwohnung in D. .
Auf seinen Antrag vom 15.10.2004 hat die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 14.03.2005 Alg II in Höhe von monatlich 940,47 EUR bewilligt. Die Hilfegewährung erfolgte gemäß § 9 Abs. 4 SGB II in Form eines Darlehens. Hinsichtlich der Gewährung des Darlehens stützte sich die Beklagte darauf, dass der Kläger mit dem Erbbaurecht an dem Grundstück in N. und dem darauf befindlichen Haus über verwertbares Vermögen verfüge. Der Widerspruch des Klägers vom 30.03.2005, der sich gegen die nur darlehensweise Gewährung des Alg II richtete, wurde von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 30.06.2005 zurückgewiesen. Sie begründete dies damit, dass weder das Erbbaurecht noch das Nießbrauchrecht eine Verwertung des Vermögens aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich machen würden. Tatsachen, die eine Verwertung lediglich erschwerten, jedoch nicht gänzlich unmöglich machen würden, reichten für einen Ausschluss der Verwertbarkeit nicht aus. Für diese Fälle sei die darlehensweise Gewährung vorgesehen. Eine Unverwertbarkeit des Vermögens nach § 12 Abs. 2 und 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sei nicht ersichtlich.
Der Folgeantrag des Klägers vom 23.04.2005 auf Gewährung von Alg II für die Zeit ab dem 01.05.2005 wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 16.06.2005 insgesamt, auch im Hinblick auf eine darlehensweise Leistungsgewährung, abgelehnt. Das im Eigentum des Klägers stehende Wohnhaus sei als Vermögen nicht geschützt, weil der Kläger es nicht selber bewohne, der Wert des Wohnhauses übersteige die Vermögensfreigrenzen von 11.550,00 EUR bei Weitem. Mangels Hilfebedürftigkeit sei daher der Antrag abzulehnen. Eine Entscheidung über einen Antrag auf darlehensweise Gewährung von Leistungen müsse einem gesonderten Bescheid vorbehalten bleiben.
Mit seinem Widerspruch vom 06.07.2005 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss, hilfsweise als Darlehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2005 wurde dieser Widerspruch unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides vom 30.06.2005 zurückgewiesen. Das Haus sei auch nicht als Vermögen zur Erhaltung von Wohnbedürfnissen der Mutter des Klägers als behinderte Angehörige geschützt, da bei einem Vermögenseinsatz in Form einer Darlehensinanspruchnahme dieser Zweck nicht offenkundig gefährdet wäre.
Gegen die Bescheide vom 14.03.2005 und 16.06.2005 hat der Kläger am 20.07.2005 und 04.08.2005 Klagen zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Zur Begründung seiner Klagen machte der Kläger geltend, dass das in seinem Eigentum stehende Gebäude auf dem Erbbaurechtsgrundstück nicht verwertbar sei, da die dingliche Last des Nießbrauchs nicht zu beseitigen und deshalb kein Käufer zu finden sei. Seine Mutter könne wegen ihrer Sehbehinderung, aufgrund derer diese Antrag auf Anerkennung einer Schwerbehinderung gestellt h...