Vorwort
Durch moderne Methoden der intensivpflegerischen Versorgung und ein hohes Versorgungsniveau in Deutschland ist es möglich, auch Versicherte mit einem intensivpflegerischen Versorgungsbedarf aus der Krankenhausbehandlung nach Hause zu entlassen. Die Betroffenen und ihr persönliches Umfeld sind oft in hohem Maße belastet und benötigen Sicherheit und klare Perspektiven bei der Ausgestaltung der Versorgung.
Mit dem Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz – GKV-IPReG) wurden die bisherigen Regelungen zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege für Versicherte mit intensivpflegerischem Versorgungsbedarf in einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V überführt. Das Gesetz sieht vor, dass jede Person mit einem Bedarf an außerklinischer Intensivpflege selbst entscheiden kann, an welchem Ort sie versorgt werden möchte, so lange die medizinische und pflegerische Versorgung an diesem Ort sichergestellt ist. Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände am Leistungsort zu beachten. Dieser Grundsatz ist maßgeblich für die nun erstmals vorgelegte Begutachtungsanleitung außerklinische Intensivpflege. Sie soll dazu beitragen, die Einzelfallbegutachtung durch den Medizinischen Dienst für die gesetzliche Krankenversicherung hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen und der Sicherstellung der außerklinischen Intensivpflege am gewünschten Leistungsort nach § 37c SGB V bundesweit nach einheitlichen Kriterien und Maßstäben auszurichten.
Die Begutachtungsanleitung wurde durch Expertinnen und Experten der Medizinischen Dienste und des Medizinischen Dienstes Bund erarbeitet und einem Stellungnahmeverfahren unterzogen. Allen, die in diesem Entstehungsprozess ihre Expertise eingebracht haben, gilt unser besonderer Dank.
Essen im Juni 2023
Abkürzungsverzeichnis
AKI |
Außerklinische Intensivpflege |
AKI-RL |
Außerklinische Intensivpflege-Richtlinie |
AKI-VO |
Außerklinische Intensivpflege-Verordnung |
BGA |
Begutachtungsanleitung |
BSG |
Bundessozialgericht |
G-BA |
Gemeinsamer Bundesausschuss |
GKV |
Gesetzliche Krankenversicherung |
HKP |
Häusliche Krankenpflege |
KK |
Krankenkasse |
LE |
Leistungserbringer |
ICD |
International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems |
IPReG |
Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz |
MD |
Medizinischer Dienst |
NIV |
Nicht-invasive Beatmung |
PG |
Produktgruppe |
PEG |
Perkutane endoskopische Gastrostomie |
PEJ |
Perkutane endoskopische Jejunostomie |
SAPV |
Spezialisierte ambulante Palliativversorgung |
SAPPV |
Spezialisierte ambulante pädiatrische Palliativversorgung |
SEG |
Sozialmedizinische Expertengruppe |
SGB |
Sozialgesetzbuch |
1 Einleitung
Durch den medizinischen Fortschritt und ein hohes Versorgungsniveau in Deutschland wird eine Vielzahl von Versicherten mit weiterhin bestehendem intensivpflegerischen Versorgungsbedarf aus der Krankenhausbehandlung entlassen. Für das Jahr 2020 verzeichnen die GKV-Statistiken ca. 18.000 Leistungsfälle in der außerklinischen ambulanten und ca. 2.600 Leistungsfälle in der außerklinischen stationären Intensivpflege und Leistungsausgaben in Höhe von rund 2,2 Mrd. Euro. Aufgrund der bisherigen strukturellen Rahmenbedingungen wurden diese Versicherten jedoch häufig ohne Ausschöpfung des Potenzials zur Beatmungsentwöhnung und Dekanülierung in die außerklinische Intensivpflege entlassen. Dies führte insbesondere in der ambulanten Versorgung zu Fehlanreizen bei der außerklinischen Intensivpflege.
Mit dem Gesetz zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz – GKV-IPReG) werden die bisherigen Regelungen zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege für Versicherte mit intensivpflegerischem Versorgungsbedarf in einen neuen Leistungsanspruch auf außerklinische Intensivpflege nach § 37c SGB V überführt. Ab dem 31. Oktober 2023 besteht bei diesen Versicherten kein Anspruch mehr auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Absatz 2 SGB V, wenn Leistungen der außerklinischen Intensivpflege nach § 37c SGB V tatsächlich erbracht werden.
Mit den im Gesetz vorgesehenen Regelungen zur außerklinischen Intensivpflege nimmt der Gesetzgeber erstmals den gesamten Versorgungspfad im Bereich der Intensivpflege - von der Krankenhausbehandlung über die Beatmungsentwöhnung bis hin zu einer qualitätsgesicherten spezialisierten außerklinischen Intensivversorgung – in den Blick. Ein Fokus liegt dabei auf der Versorgung von Versicherten mit dem Bedarf einer außerklinischen Beatmung.
Das IPReG sieht eine Vielzahl von Regelungen vor, um die besonderen Bedarfe der betroffenen Versicherten zu berücksichtigen, die Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung sicherzustellen sowie Fehlanreize und Missbrauch zu verhindern. So bedarf die Leistung z. B. der Verordnung durch eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt, die oder der ...