Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe

Merkblatt für die ärztliche Untersuchung

(Bek. des BMA v. 29. März 1987, BABI. 6/1985)

Die Halogenkohlenwasserstoffe (Verbindungen von Kohlenwasserstoffen mit Fluor, Chlor, Brom, Jod) sind eine heterogene Gruppe zahlreicher organischer Verbindungen, die auch in toxikologischer Hinsicht uneinheitlich sind. Halogenkohlenwasserstoffe werden industriell vielseitig verwendet, teilweise auch als Stoffgemische, was die Beurteilung der gesundheitlichen Gefährdung erschwert. Man findet sie auch vielfach als Verunreinigung technischer Produkte. Der Einsatz halogenierter Kohlenwasserstoffe erfolgt vorrangig als Lösemittel, ferner in der Landwirtschaft (Pflanzenschutz, Schädlingsbekämpfung), in der Kühltechnik, als Feuerlöschmittel und im häuslichen Bereich. Wegen der Vielfalt ihrer Anwendung und der stark unterschiedlichen Toxizität einzelner Verbindungen können im folgenden nur Schwerpunkte, ergänzt durch einige weiterführende Hinweise, behandelt werden.

I. Gefahrenquellen

Die nachfolgende Gliederung der Halogenkohlenwasserstoffe nach Anwendungsgebieten soll den praktischen Gegebenheiten Rechnung tragen. Die Anwendungsbereiche können sich überschneiden. Die genannten aliphatischen und cyclischen Halogenkohlenwasserstoffe sind wichtige Beispiele; ihre Aufzählung ist nicht als vollständig anzusehen. Probleme können sich durch Gemische, Verunreinigungen, Stabilisatoren, Weichmacher, Härter und andere Zuschlagstoffe ergeben.

Gefahrenquellen sind das Herstellen, Abfüllen, Verpacken, Transportieren und Anwenden der nachfolgend genannten chemischen Verbindungen insbesondere als:

1.1 Lösemittel

  • in der Metallindustrie zum Entfetten
  • in der Textil- und Bekleidungsindustrie zum Reinigen und als Hilfsmittel bei der Textilveredelung (z. B. Imprägnierung)
  • in der Farbenindustrie und beim Aufbringen sowie Abbeizen von Anstrichstoffen
  • in der Kunststoff- und Gummiindustrie, insbesondere als Ausgangsprodukt für Polymere und als Lösemittel für Klebstoffe
  • in der Erdölindustrie zum Trennen von Stoffgruppen aufgrund ihres selektiven Lösevermögens (z. B. für Asphalte, Öle und aromatische Kohlenwasserstoffe)
  • als Extraktionsmittel für Fette, Wachse und Harze
  • in Chemischreinigungsbetrieben zum Reinigen und als Detachiermittel
  • in der Schuhindustrie als Lösemittel für Klebstoffe
  • in der Druckindustrie und im grafischen Gewerbe

Halogenierte Lösemittel sind in der Mehrzahl leicht flüchtig, angenehm riechend und schwer entzündbar. Ihre Dämpfe sind schwerer als Luft (Anreicherung in Bodenvertiefungen!).

Zu den heute meistbenutzten Lösemittel zählen das Dichlormethan (Methylenchlorid, CH2Cl2), das 1,1,1-Trichlorethan (CCl3-CH3), das Trichlorethen (CCl2= CHCl, früher Trichloräthylen, umgangssprachlich "Tri") und das Tetrachlorethen (CCl2= CCl2, früher Tetrachloräthylen oder Perchloräthylen, umgangssprachlich "Per"). Seltener sind das hochtoxische 1,1,2-Trichlorethan und das 1,1,2,2-Tetrachlorethan. In besonderen Bereichen werden Trichlormethan (Chloroform CHCl3) und Tetrachlormethan (CCl4, Tetrachlorkohlenstoff, umgangssprachlich "Tetra") eingesetzt. Trotz der unterschiedlichen Toxität werden im Sprachgebrauch zuweilen Tetrachlorkohlenstoff, Tetrachlorethan und Tetrachlorethen mit der Abkürzung "Tetra" bezeichnet.

Tetrachlorethen ist eines der am häufigsten verwendeten Lösemittel in der Chemischreinigung. Auch Fluorkohlenwasserstoffe (z. B. R 11 = Trichlorfluormethan, CCl3F und R 113 = 1,1,2-Trichlor-1,2,2-trifluorethan, Cl2FC-CF2Cl) werden dort gelegentlich eingesetzt.

Einwirkungen sind auch bei anderen Tätigkeiten möglich, z. B. beim Terrazzo-Schleifen und Fluatieren durch Trichlorethen und Tetrachlorethen.

1.2 Schädlingsbekämpfungsmittel (Pesticide)

Zur Bekämpfung von Insekten (auch Ameisen), Spinnmilben, Würmern und Nagetieren sowie als Saatbeizmittel werden toxikologisch sehr unterschiedliche Stoffe verwendet. Gasförmig ist

  • Brommethan (CH3Br, Methylbromid)

In fester Form liegen vor

  • Hexachlorcyclohexan (C6H6Cl6, "HCH"), und zwar sein Gamma-Isomer"Lindan"
  • Chlorbenzole: Chlorbenzol, 1,4-Dichlorbenzol (Mottenbekämpfungsmittel), Hexachlorbenzol (nur für Weizensaat zugelassen)
  • Polycyclische Chlorkohlenwasserstoffe, z. B. Aldrin (nur für Weinbau zugelassen)
  • chlorierte Camphene (Toxaphen, nur als Rodenticid im Forstbereich, auf abgeernteten Feldern und für Blumenzwiebeln zugelassen)
  • 1,3-Dichlorpropen (CICH=CH-CH2Cl)
  • Polychlorierte Phenole, z. B. Pentachlorphenol "PCP" (s. BK Nr. 13 10)

Die früher häufig verwendeten Insekticide Dichlor-Diphenyl-Trichlorethan (DDT), Dieldrin sowie einige halogenierte Propan- und Propenverbindungen sind in der Bundesrepublik Deutschland nicht mehr zugelassen; ihr Vorkommen ist jedoch nicht auszuschließen.

1.3 Kältemittel, Treibgase für Aerosole, Trennmittel

Einige chlorierte Fluorkohlenwasserstoffe der Methan- und Ethanreihe werden wegen ihres niedrigen Siedepunktes, ihrer relativen Ungiftigkeit und chemischen Widerstandsfähigkeit in Aggregaten für die Erzeugung von Kälte sowie als Treibmittel f...

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