Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können
Vorbemerkung zu Nr. 4301 und 4302 der Anlage 1 BeKV Der Begriff "obstruktive Atemwegserkrankungen" umfaßt verschiedene akute und chronische Krankheitsbilder. Sie sind in der Bevölkerung weit verbreitet und nur zu einem Teil durch Arbeitsstoffe bedingt. Eine Unterteilung kann nach der Krankheitsursache erfolgen. Ätiologisch sind zu unterscheiden: die obstruktiven Atemwegserkrankungen aus allergischer Ursache (BK Nr. 4301) und die durch chemische Stoffe irritativ oder toxisch verursachten obstruktiven Atemwegserkrankungen (BK Nr. 4302).
I. Gefahrenquellen
Berufliche Allergene sind Arbeitsstoffe mit allergisierender Potenz. Sie kommen an den verschiedensten Arbeitsplätzen vor. Meist handelt es sich um einatembare Stoffe pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Bekannte Gefahrenquellen sind beispielsweise die Exposition gegenüber folgenden Allergenen:
Pflanzliche Allergene
z. B. Staub von Mehl und Kleie aus Getreide, Stäube verschiedener Holzarten, Rizinusbohnenstaub, Rohkaffeebohnenstaub, Kakaobohnenstaub, Lykopodiumstaub, algenhaltige Aerosole, z. B. aus Luftbefeuchtungsgeräten, Schalenstaub und Saft der Zwiebeln von Narzissen und Tulpen, Futtermittelstaub wie von Luzerne, Staub von Jute, Kapok.
Tierische Allergene
z. B. Insektenstaub, Federnstaub, Haarstaub, Rohseidenstaub, Perlmutterstaub, Ascarisgeruchsstoffe.
Sonstige Allergene
Daneben kommen zahlreiche weitere Arbeitsstoffe, z. B. auch Arzneimittel wie Antibiotika, Sulfonamide, Salvarsan, ferner auch Proteasen sowie p-Phenylendiamin (Ursol) als berufliche Inhalationsallergene in Betracht.
II. Pathophysiologie
Haupteintrittspforte beruflicher Inhalationsallergene in den Organismus ist das Atemorgan. In Abhängigkeit von der allergenen Potenz des Arbeitsstoffes sowie der Dauer, Häufigkeit und Konzentration des inhalativen Allergeneinstromes können disponierte Personen Antikörper, z. B. Immunglobulin E, bilden. Eine derartige substratspezifische Sensibilisierung führt nach erneutem inhalativem Kontakt zu einer Antigen-Antikörper-Reaktion.
Am Arbeitsplatz herrschen Allergien vom Sofortreaktionstyp (Typ 1 nach COOMBS u. GELL) vor. Hierbei kommt es zur Freisetzung verschiedener Mediatorsubstanzen. Sie üben speziell über bestimmte Rezeptoren des autonomen Nervensystems eine bronchokonstriktorische Wirkung aus. Als Leitsymptom resultiert die akut-intermittierende obstruktive Ventilationsstörung, vor allem infolge des funktionellen Bronchiolospasmus. Eine damit einhergehende akute Lungenüberblähung (akutes Volumen pulmonum auctum) wird beobachtet. Als Kennzeichen des Sofortreaktionstyps ist das klinische und pathophysiologische Erscheinungsbild in den ersten 60 Minuten nach inhalativer Auslösung des allergischen Schockfragments am stärksten ausgeprägt. Die allergisch verursachte akute obstruktive Atemwegserkrankung ist im Stadium ohne Sekundärkomplikationen in der Regel nach etwa 4 Stunden spontan, d. h. auch ohne Behandlung abgeklungen.
Seltener kommt ein verzögerter Reaktionstyp (Typ III) der obstruktiven Atemwegserkrankung vor. Die obstruktive Ventilationsstörung setzt meist 4 bis 36 Stunden nach der Allergeninhalation ein. Hierbei können präzipitierende Antikörper, z. B. Immunglobulin G, unter Bildung von Immunkomplexen bronchokonstriktorisch wirken. Der weitere Verlauf kann durch diffuse fibrotische Gewebsreaktion im Sinne einer "allergischen Alveolitis" gekennzeichnet sein.
III. Krankheitsbild und Diagnose
Die durch allergisierende Arbeitsstoffe verursachten obstruktiven Atemwegserkrankungen vom Soforttyp verlaufen häufig in drei Stadien:
Anfangsstadium
Es beginnt häufig mit Reizerscheinungen der Augenbindehäute und insbesondere im Bereich der Atemwege als allergische Rhinopathie. Kennzeichen sind: Augenbrennen, vor allem aber zahlreich aufeinanderfolgendes Niesen, wäßriges Nasensekret und Verlegung der Nasenatmung. Niessalven und Fließschnupfen folgen der Allergenexposition zeitlich unmittelbar und sind reproduzierbar. Nasennebenhöhlenbeteiligung kommt vor.
Stadium ohne Sekundärkomplikationen
Anfallsartige Beschwerden in Form von Luftnot, Husten und z. T. Auswurf zeigen das Übergreifen der Erkrankung auf die tieferen Luftwege an.
Objektiv läßt sich eine akut-intermittierende obstruktive Ventilationsstörung, meist in Verbindung mit akuter Lungenüberblähung, nachweisen. Oft sind auch Atemnebengeräusche (Pfeifen, Giemen, Brummen) feststellbar. Der zeitliche Abstand zwischen Beginn der allergischen Rhinopathie und dem erstmaligen Auftreten des allergisch verursachten funktionellen Bronchiolospasmus ist individuell unterschiedlich. Es kommen Zeiträume in der Größenordnung von Tagen, aber auch von mehreren Jahren vor. Allergenkarenz führt in diesem Erkrankungsstadium noch zu Beschwerde- und Symptomfreiheit, z. B. ...