Leitsatz (amtlich)
Wenn sich ein Vorschaden verschlimmert, aber die Schädigungsfolgen unverändert bleiben, ist der Versorgungsanspruch nicht neu festzustellen (Klarstellung von 25.6.1963 11 RV 568/62 = BSGE 19, 201 = SozR Nr 16 zu § 30 BVG).
Normenkette
BVG § 30 Abs 1, § 62 Abs 1 S 1; SGB 10 § 48 Abs 1 S 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 22.03.1984; Aktenzeichen L 7 V 118/83) |
SG Aachen (Entscheidung vom 18.05.1983; Aktenzeichen S 3 V 57/81) |
Gründe
Der Kläger bezieht Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) wegen Erblindung seines Linken Auges; die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist wegen eines Vorschadens (Zustand nach einer Aderhautentzündung des rechten Auges) mit 50 vH bemessen worden. Der Antrag des Klägers, den Versorgungsanspruch wegen einer weiteren Sehverschlechterung auf dem rechten Auge neu festzustellen, ist in allen Instanzen erfolglos geblieben.
Der Kläger hat Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt.
Die Revision ist nicht durch das Bundessozialgericht (BSG) zuzulassen; denn der Kläger hat keinen der nach § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) formgerecht zu bezeichnenden Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG erfolgreich geltend gemacht.
Es ist schon fraglich, ob die Beschwerdebegründung eine Rechtsfrage, die grundsätzlich bedeutsam sein soll (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), in der gebotenen Form hinreichend bezeichnet hat (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; SozR 1500 § 160a Nrn 17, 31 und 39). Nach der Begründung soll es um eine Verschlimmerung eines Vorschadens gehen, der bei der Erstfeststellung der Schädigungsfolgen vorhanden war und bei der Bemessung der MdE berücksichtigt wurde. Diese Andeutung mag genügen. Indes ist die Rechtssache deshalb nicht grundsätzlich bedeutsam, weil die genannte Rechtsfrage nicht mehr um der Rechtsvereinheitlichung oder -fortbildung willen geklärt werden muß (BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4; BSGE 40, 158, 159; SozR 1500 § 160 Nr 17). Ihre Antwort ist bereits der bisherigen Rechtsprechung eindeutig zu entnehmen, und der Kläger hat keine Gegengründe vorgebracht, die nicht bereits berücksichtigt worden sind.
Nach der ständigen, gefestigten Judikatur des BSG sind für die MdE-Festsetzung, durch die das Ausmaß des kriegsbedingten Schadens bewertet wird, allein die Verhältnisse zur Zeit der Schädigung - oder zur Zeit einer späteren Verschlimmerung der Schädigungsfolgen - maßgebend; nachträgliche schädigungsunabhängige Veränderungen (Nachschäden) müssen außer Betracht bleiben (BSGE 41, 70 f = SozR 3100 § 30 Nr 11). Nach gesicherter Rechtsprechung ist als rechtserhebliche wesentliche Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die bei der letzten MdE-Festsetzung vorlagen (§ 62 Abs 1 BVG aF, § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch X), in der Kriegsopferversorgung nur eine solche in den Schädigungsfolgen anzusehen. Wenn ein Vorschaden, der bereits zur Zeit der Schädigung bestand, bei der MdE-Bemessung berücksichtigt wird, so ändert dies gerade nichts an jenem Grundsatz (BSGE 24, 275, 278 = SozR Nr 21 zu § 30 BVG). Bei diesem Bewertungsrahmen muß es auch in Fällen wie dem gegenwärtigen sein Bewenden haben; sonst würde das Verhältnis zwischen Vor- und Nachschäden gestört (BSGE 41, 70, 76). Eine solche systemwidrige Folge träte aber ein, falls, entsprechend dem Begehren des Klägers, wegen einer nachträglichen Weiterentwicklung des Vorschadens die MdE höher bewertet würde. Was in diesem Krankheitsgeschehen nach der Schädigung eingetreten ist, muß als Nachschaden beurteilt werden.
Auch speziell der Fall des Klägers, bei dem sich die Sehkraft des vorgeschädigten Auges nachträglich verschlechtert hat, ist bereits höchstrichterlich geklärt. über einen Rechtsanspruch bei einem solchen Sachverhalt hatte der erkennende Senat im Urteil in BSGE 47, 123 = SozR 3100 § 89 Nr 7 zwar nicht nach § 30 Abs 1 und 2 und § 31 Abs 1 und 2 iVm § 62 BVG zu befinden, weil die darüber von der Vorinstanz zuungunsten des Klägers getroffene Entscheidung nicht angefochten war. Aber er hat in diesem Fall sogar die Ablehnung eines Härteausgleichs nach § 89 BVG als rechtmäßig bestätigt und eine derartige Leistung als mit der Grundordnung des Rechtes der Kriegsopferversorgung unvereinbar angesehen (BSGE 47, 123, 126).
Die Revision ist auch nicht wegen einer Abweichung vom Urteil des BSG in BSGE 19, 201 = SozR Nr 16 zu § 30 BVG zuzulassen (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG).
Als genau zu bezeichnender Rechtssatz, über den das Landessozialgericht (LSG) anders als das Revisionsgericht in jenem Urteil entschieden haben soll (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 21, 29, 39), mag eben noch der Satz anzusehen sein, eine Schädigungsfolge sei höher zu bewerten, wenn ein neues, nach der Schädigung aufgetretenes Leiden auf einem krankhaften Geschehen beruhe, das schon vor der Schädigung bestand. Der Kläger bestätigt aber die Auffassung des Berufungsgerichts, daß sein Fall anders liege als der in BSGE 19, 201 entschiedene. Er meint nur, bei dem jetzt gegebenen Sachverhalt (Weiterentwicklung eines Vorschadens) müsse noch eher als bei jener Sachlage die MdE nachträglich höher bewertet werden. Ungeachtet dessen, ob die Beschwerde insoweit formgerecht begründet worden ist, ist das LSG nicht von einem Rechtssatz abgewichen, der jenes BSG-Urteil trägt. Im wesentlichen hat der 11. Senat des BSG, der nicht mehr für Kriegsopferversorgungssachen zuständig ist, in jener Entscheidung, in voller Übereinstimmung mit der zuvor dargelegten Rechtsprechung, die Auffassung vertreten, die MdE sei nach den Verhältnissen zur Zeit der Schädigung oder entsprechend einer späteren Verschlimmerung der Schädigungsfolgen zu bewerten, wobei ein Vorschaden berücksichtigt werden müsse, während ein Nachschaden außer Betracht bleibe. Das kommt auch klar im ersten Teil des Leitsatzes zum Ausdruck. Sein zweiter teil, der den Vorschaden betrifft, wird vom Kläger mißverstanden. Er ist aus dem Zusammenhang mit dem ersten und aus den Gründen - unter Beachtung des Sachverhalts - zu deuten. Mit dem "neuen Leiden", das die MdE mit beeinflussen soll, ist allein eine Krankheit gemeint, die bereits zur Zeit der Schädigung im Sinne des zitierten Urteils vom 9. Dezember 1959 - 10 RV 591/56 - bestand. Eine Auslegung des Urteils, die auch die weitere Entwicklung eines schädigungsunabhängigen Krankheitszustandes seit der Schädigung als rechtserheblich einbeziehen will, widerspräche dem vorausgestellten Grundsatz, daß allein die Verhältnisse zur Zeit der Schädigung und nicht zur Zeit der Entscheidung maßgebend sind.
Demnach kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung entspricht § 193 SGG.
Fundstellen