Entscheidungsstichwort (Thema)

Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage. Zuzahlungspflicht gemäß § 182e RVO durch Dritten

 

Orientierungssatz

1. Einer Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, wenn es an der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage fehlt. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort auf sie praktisch außer Zweifel steht und sich eindeutig aus dem Gesetz ergibt (vgl BSG vom 4.6.1975 11 BA 4/75 = BSGE 40; vgl BSG 6.12.1983 11 BJz 2/83 = SozR 1500 § 151 Nr 10).

2. In der Kassensatzung ist entsprechend der Vorschrift des § 182e RVO eine Zuzahlung des Versicherten geregelt. Es ist kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, daß die Zahlungspflicht anstelle des Versicherten einen Dritten treffen oder auf ihn übergehen könnte.

 

Normenkette

SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 1; RVO § 182e

 

Verfahrensgang

LSG Berlin (Entscheidung vom 11.03.1987; Aktenzeichen L 9 Kr 32/86)

 

Gründe

Die Beklagte hatte ihrem Mitglied - dem Beigeladenen - im Jahr 1982 eine kieferorthopädische Behandlung für dessen Sohn aus der Ehe mit der Klägerin bewilligt. Im November 1983 wurde die Ehe geschieden und die elterliche Gewalt über den Sohn der Klägerin übertragen. Der behandelnde Zahnarzt teilte der Beklagten im Oktober 1984 mit, die Behandlung sei wegen mangelnder Kooperation des Kindes bzw der Eltern abgebrochen worden. Deshalb verlangt die Beklagte von der Klägerin mit dem angefochtenen Bescheid Zahlung eines Betrages von 302,95 DM. Sie stützt sich auf eine Bestimmung ihrer Satzung; danach hat der Versicherte, wenn die kieferorthopädische Behandlung aus einem von ihm zu vertretenden Grund vorzeitig abgebrochen wird, 20 % der Kosten zu erstatten, höchstens jedoch einen Betrag in Höhe 1/4 der monatlichen Bezugsgröße. Das Sozialgericht (SG) hat den Bescheid aufgehoben, das Landessozialgericht (LSG) die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unbegründet. Die Beklagte macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung wegen der Rechtsfrage, ob die Erstattungspflicht des Mitglieds (Versicherten) aus § 182e Reichsversicherungsordnung (RVO) diesen auch dann trifft, wenn im Fall des § 1671 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Mitglied (der Versicherte) selbst durch Richterspruch, also nicht nur tatsächlich, sondern auch rechtlich daran gehindert ist, auf den Behandlungsverlauf Einfluß zu nehmen und ob nicht in diesen Fällen die Erstattungspflicht demgemäß den nach § 1671 BGB sorgeberechtigten Elternteil, der aber nicht Mitglied (Versicherter) der erstattungsberechtigten Krankenkasse ist, treffen kann. Indessen kommt der Rechtssache wegen dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung zu. Es fehlt an der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort auf sie praktisch außer Zweifel steht und sich eindeutig aus dem Gesetz ergibt (BSGE 40, 40; BSG SozR 1500 § 151 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- Nr 10). Die Verneinung der von der Beklagten aufgeworfenen Frage ergibt sich eindeutig und unmittelbar aus dem Gesetz und der Satzung der Beklagten. In der Satzung ist entsprechend der Vorschrift des § 182e RVO eine Zuzahlung des Versicherten geregelt. Es ist kein Anhaltspunkt dafür erkennbar, daß die Zahlungspflicht anstelle des Versicherten einen Dritten treffen oder auf ihn übergehen könnte. Die Begründung dafür, daß die Klägerin erstattungspflichtig sei, leitet die Beklagte aus der Verschuldensregelung in ihrer Satzung her. Aufgrund dieser besonderen Voraussetzung für einen Zuzahlungsanspruch der Beklagten mag die Zahlungspflicht des Beigeladenen ausgeschlossen sein. Wenn aber die Beklagte ihren Zuzahlungsanspruch von einem Verschulden des Versicherten abhängig macht, kann sie nicht aus diesem Grund bei Fehlen des Anspruchs gegen den Versicherten einen Dritten als erstattungspflichtig heranziehen. Das Verschulden ist nicht der einzige und tragende Rechtsgrund der Erstattungspflicht. In erster Linie beruht diese auf der besonderen Rechtsbeziehung der Krankenkasse zum Versicherten, die zwischen der Beklagten und der Klägerin nicht besteht.

Die gerügte Verletzung des Rechtsstaatsprinzips scheidet aus. Insoweit geht die Beklagte zu Unrecht davon aus, der Versicherte könne für Versäumnisse des sorgeberechtigten Elternteils in Anspruch genommen werden. Das ist aufgrund ihrer Satzung nicht der Fall. Verstöße gegen Art 6 oder Art 3 des Grundgesetzes (GG) könnten jedenfalls nicht eine Zahlungspflicht des Dritten begründen.

Die Kostenentscheidung wird auf § 193 SGG gestützt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663080

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