Entscheidungsstichwort (Thema)

Formgerechte Bezeichnung der Verletzung der Sachaufklärungspflicht

 

Orientierungssatz

1. Zur Bezeichnung einer Verletzung des § 103 SGG ist es erforderlich, daß der Beschwerdeführer den Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt sein soll, so genau bezeichnet, daß er für das BSG ohne weiteres auffindbar ist. Überdies bedarf es einer Angabe der Gründe, aus denen sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt sehen müssen, den von ihm abgelehnten Beweis zu erheben.

2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG 1. Senat 2. Kammer 1 BvR 142/86).

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2 S 3, § 160 Abs 2 Nr 3, § 103

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 18.03.1986; Aktenzeichen L 6 An 332/84)

 

Gründe

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (LSG) vom 18. März 1986 ist unzulässig.

Auf die Beschwerde ist die Revision ua zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). In der Begründung der Beschwerde muß der Verfahrensmangel bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Diesen Formerfordernissen genügt die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin nicht.

Sie macht als Verfahrensmangel zunächst eine Verletzung des § 103 SGG mit der Begründung geltend, das LSG habe mit seiner Entscheidung, daß sie (Klägerin) zur Apothekenhelferin oder zur Kosmetikerin umgeschult und deswegen durch eine Umschulung bis zur Dauer von zwei Jahren beruflich wieder eingegliedert werden könne, verschiedene im Verfahren vorgelegte ärztliche Atteste, die tatsächliche Arbeitsmarktlage und ihr (Klägerin) Alter außer acht gelassen, die Blätter für Berufskunde unzutreffend interpretiert und übersehen, daß die herangezogenen Berufe im Ausbildungskatalog der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Berufsförderungswerke nicht enthalten sei. Mit diesem Vorbringen ist der Verfahrensmangel einer Verletzung des § 103 SGG nicht formgerecht "bezeichnet" worden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Dazu ist erforderlich, daß der Beschwerdeführer den Beweisantrag, dem das LSG nicht gefolgt sein soll, so genau bezeichnet, daß er für das Bundessozialgericht (BSG) ohne weiteres auffindbar ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 5 S 4). Überdies bedarf es einer Angabe der Gründe, aus denen sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt sehen müssen, den von ihm abgelehnten Beweis zu erheben (BSG SozR 1500 § 160a Nr 34 S 50). Hierzu ist dem vorstehend wiedergegebenen Beschwerdevorbringen der Klägerin nichts zu entnehmen. Sie bemängelt damit vielmehr die Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachen- und Beweiswürdigung seitens des LSG (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Auf derartige Rügen kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

Soweit die Klägerin ferner eine Verletzung des § 103 SGG darin erblickt, daß das LSG ihre weiteren medizinischen und psychologischen Beweisangebote in den Schriftsätzen vom 3. Juni 1983 (Blatt 3 unten), 6. April 1984 (S 2) und 3. Juni 1986 (Blatt 5) nicht beachtet habe, fehlt es ebenfalls an der formgerechten Bezeichnung eines Verfahrensmangels. Der Schriftsatz vom 3. Juni 1983 ist bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens eingereicht worden. Dem darin enthaltenen Beweisantrag hat das Sozialgericht Mannheim durch Einholung des augenfachärztlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. A. vom 14. Oktober 1983 entsprochen. Daß gleichwohl der Beweisantrag auch noch im Berufungsverfahren aufrechterhalten bzw wiederholt worden ist und daß und aus welchen Gründen das LSG ihm hätte entsprechen müssen, ist in der Beschwerdebegründung nicht dargelegt worden. In ihrer Berufungserwiderung vom 6. April 1984 (S 2 Abs 2) hat sich die Klägerin "vorab auf das gesamte erstinstanzliche Vorbringen und die seinerzeit beigefügten Beweismittel" bezogen. Durch den Hinweis auf diese pauschale Bezugnahme hat die Klägerin einen Beweisantrag, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sein soll, nicht mit der gebotenen Bestimmtheit und Genauigkeit bezeichnet. Einen Schriftsatz vom 3. Juni 1986 hat sie nicht eingereicht; das Berufungsverfahren ist bereits mit dem Urteil des LSG vom 18. März 1986 abgeschlossen worden.

Die Klägerin macht als Verfahrensmangel schließlich eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes) dadurch geltend, daß das LSG ihr mit seiner überraschenden Entscheidung zwei im gesamten schon jahrelangen Verfahren noch nie zur Diskussion gestellte Berufe angeboten und durch Unterlassung eines Hinweises auf eine derartige Entscheidung die Möglichkeit zur Stellungnahme und Äußerung abgeschnitten habe. Das LSG hat jedoch der Klägerin die Berufe der Apothekenhelferin und der Kosmetikerin nicht "angeboten". Es hat sie lediglich als Beispielsfälle dafür angeführt, daß die Klägerin auch durch eine Umschulung bis zur Dauer von zwei Jahren beruflich eingegliedert werden könne und damit das Ermessen der Beklagten nicht derart eingeengt gewesen sei, daß sie der Klägerin als einzige in Betracht kommende berufsfördernde Leistung zur Rehabilitation eine dreijährige Umschulung zur Logopädin habe gewähren müssen. Im übrigen hat das LSG die Beklagte verpflichtet, der Klägerin nach Erstellung eines Eingliederungsvorschlages der Bundesanstalt für Arbeit einen neuen Bescheid zu erteilen. Damit hat zunächst nochmals die Beklagte nach ihrem Ermessen darüber zu befinden, welche Berufe mit einer Umschulungsdauer bis zu zwei Jahren für die Klägerin in Betracht kommen. Daß und aus welchen Gründen dennoch das LSG den Beteiligten Hinweise bezüglich einzelner der danach in Frage kommenden Umschulungsberufe hätte geben müssen, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hervor.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach alledem mangels formgerechter Darlegung eines Zulassungsgrundes als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652912

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