Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Begriff des Mutwillens

 

Orientierungssatz

1. Grundsätzliche Bedeutung hat das angestrebte Revisionsverfahren nur, wenn der Rechtsstreit sich in seiner Bedeutung nicht in einem Einzelfall erschöpft, sondern dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern. Dazu gehört, daß die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage noch klärungsbedürftig und in dem nachfolgenden Revisionsverfahren auch klärungsfähig ist. Eine Rechtsfrage ist aber nicht klärungsbedürftig und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist (vgl BSG 1981-08-14 12 BK 15/81 = SozR 1300 § 13 Nr 1), wenn ferner die Rechtsfrage überhaupt oder so gut wie unbestritten ist oder wenn sie schließlich revisionsgerichtlich bereits ausreichend geklärt ist.

2. Mutwillig handelt wer die Erfolglosigkeit seiner weiteren Prozeßführung erkennt und entgegen seiner besseren Einsicht von der Rechtsverfolgung nicht Abstand nimmt.

 

Normenkette

SGG § 160a Abs 2 S 3 Fassung: 1974-07-30, § 192 Fassung: 1953-09-03

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist in entsprechender Anwendung des § 169 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu verwerfen, weil sie nicht formgerecht begründet worden ist.

Der Kläger macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung, weil das Landessozialgericht (LSG) das Rechtsschutzbedürfnis für die vom Kläger gegen den Beklagten erhobene Klage verneint habe und weil der Begriff des Mutwillens iS des § 192 SGG höchstrichterlich noch klärungsbedürftig sei. Diese Rüge ist in beiden Punkten nicht hinreichend substantiiert worden. Gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssage dargelegt werden. Grundsätzliche Bedeutung hat das angestrebte Revisionsverfahren nur, wenn der Rechtsstreit sich in seiner Bedeutung nicht in einem Einzelfall erschöpft, sondern dazu dienen kann, die Rechtseinheit zu wahren oder die Entwicklung des Rechts zu fördern. Dazu gehört, daß die für grundsätzlich gehaltene Rechtsfrage noch klärungsbedürftig und in dem nachfolgenden Revisionsverfahren auch klärungsfähig ist (vgl Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, RdNrn 65, 68 ff). Eine Rechtsfrage ist aber nicht klärungsbedürftig und hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung, wenn ihre Beantwortung unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen ist (Beschluß des Senats vom 14. August 1981 - 12 BK 15/81 - SozR 1300 § 13 Nr 1 mwN), wenn ferner die Rechtsfrage überhaupt oder so gut wie unbestritten ist oder wenn sie schließlich revisionsgerichtlich bereits ausreichend geklärt ist (Weyreuther, aaO, RdNr 65; BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Schon das erste ist hier der Fall.

Nach § 1399 Abs 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) = § 121 Abs 3 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und § 182 Abs 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit. Sie erläßt den erforderlichen Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid. Im Verfahren vor den Sozialgerichten ist sie Partei, soweit ihr Verwaltungsakt angefochten wird. Hiernach kann kein Zweifel bestehen, daß allein der Einzugsstelle mit der Entscheidung über die Versicherungspflicht auch die Entscheidung darüber zugewiesen worden ist, ob ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis und ob Beitragspflicht vorliegt. Darüber hinaus hat der Senat bereits entschieden (Urteil vom 29. April 1976 - 12/3 RK 66/75 -, BSGE 41, 297, 298f), daß der Gesetzgeber dem Arbeitgeber mit der ihm auferlegten Pflicht, die Beiträge für die Versicherten zu berechnen und abzuführen, nicht die Aufgabe der Einzugsstelle übertragen hat. Vielmehr steht das vom Arbeitgeber - im Wege seiner gesetzlichen "Indienstnahme" - Veranlaßte unter dem Vorbehalt der Entscheidung der Einzugsstelle. Damit ist schon unmittelbar dem Gesetz zu entnehmen, daß die Feststellung über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe allein der Einzugsstelle zusteht, sobald zwischen den Partnern des der versicherungsrechtlichen Beurteilung unterliegenden Vertragsverhältnisses Zweifel entstehen. Warum bei dieser klaren Rechtslage die Entscheidung des LSG, mit der das Rechtsschutzinteresse für die vom Kläger gegen seinen vermeintlichen Arbeitgeber erhobene Klage verneint und diese Klage zugleich als unzulässig abgewiesen worden ist, eine grundsätzliche Rechtsfrage aufwirft, ist nicht ersichtlich. Das gleiche gilt für den Hinweis des Klägers auf die in § 405 RVO getroffene Regelung, die ein anders geartetes Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat.

Die Beschwerde ist auch nicht zulässig, soweit der Kläger die Zulassung der Revision wegen der Auferlegung der Pauschgebühr als sogenannte Mutwillenskosten iS des § 192 SGG begehrt.

Der Kläger hat, wie seine Begründung erkennen läßt, selbst erkannt, daß die Kostenentscheidung nach § 192 SGG nach der - auch vom beschließenden Senat vertretenen - Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine Sachentscheidung zum Gegenstand hat, sich also nicht auf das Verfahren des LSG bezieht (SozR SGG § 192 Nr 2). Seine Rüge, dem LSG sei mit der Verurteilung des Klägers zur Erstattung der den Beigeladenen erwachsenen Pauschgebühren ein Verfahrensmangel unterlaufen, ist daher unschlüssig.

Auch soweit der Kläger die Abgrenzung des Mutwillens-Begriffes als eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ansieht, erfüllt seine Beschwerde nicht die Substantiierungspflicht. Der Begriff des "Mutwillens" eines Beteiligten iS des § 192 SGG ist vom BSG (Beschluß vom 19. Juni 1961 - 3 RK 67/60 - SozR SGG § 192 Nr 4) dahin abgegrenzt worden, daß mutwillig handelt wer die Erfolgslosigkeit seiner weiteren Prozeßführung erkennt und entgegen seiner besseren Einsicht von der Rechtsverfolgung nicht Abstand nimmt. Die Beschwerdebegründung zeigt nicht auf, daß und in welcher Weise der in dieser Entscheidung umschriebene und ersichtlich auch vom LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegte Mutwillensbegriff geändert werden muß. Dem Kläger geht es offenbar auch nicht um eine anderweitige Abgrenzung des genannten Rechtsbegriffs, sondern um dessen Anwendung im vorliegenden Fall.

Seine Beschwerde ist hiernach in beiden Punkten mangels Darlegung einer grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1654780

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Kranken- und Pflegeversicherungs Office enthalten. Sie wollen mehr?