Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftlichkeitsprüfung. Bildung engerer Vergleichsgruppen
Orientierungssatz
Bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 368n Abs 5 RVO müssen die verglichenen Ärzte eine homogene Gruppe bilden (vgl BSG vom 27.1.1987 6 RKa 16/86 = SozR 2200 § 368n Nr 45). Daraus kann jedoch nicht die Folgerung gezogen werden, daß deshalb besondere Praxisumstände zwingend die Bildung engerer Vergleichsgruppen notwendig machen.
Normenkette
RVO § 368n Abs 5 Fassung: 1977-06-27
Verfahrensgang
Hessisches LSG (Entscheidung vom 26.10.1988; Aktenzeichen L 7 Ka 155/88) |
Gründe
Der Kläger ist als Kassenarzt zugelassen und führt die Zusatzbezeichnung "Naturheilverfahren". Seine Honorarabrechnungen für die Quartale I bis IV/1982 im Ersatzkassenbereich hat die Beklagte wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise gekürzt. Mit der Klage und der Berufung dagegen hat der Kläger keinen Erfolg gehabt. Er rügt mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung wegen der Rechtsfrage, ob eine engere Vergleichsgruppe gebildet werden müsse mit den Ärzten, die Naturheilverfahren betreiben, ferner wegen der Frage, ob eine Einzelfallprüfung durchzuführen ist, wenn ein Arzt Naturheilverfahren betreibt. Außerdem rügt der Kläger Abweichungen von den Urteilen des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. März 1979 - 6 RKa 4/78 - und vom 23. Mai 1984 - 6 RKa 1/84 - sowie schließlich einen Verfahrensmangel, weil das Landessozialgericht (LSG) ein beantragtes Sachverständigengutachten zur Problematik Schulmedizin - naturheilkundliche Behandlung nicht eingeholt habe. Der Kläger macht ferner geltend, die Entscheidung des LSG verstoße gegen Art 2, 5 Abs 3 und 12 Abs 1 des Grundgesetzes (GG).
Die Beschwerde ist nicht zulässig.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hat der Kläger nicht dargelegt (§ 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
1.1 In der Beschwerdebegründung fehlen hinreichende Ausführungen zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der bezeichneten Rechtsfragen. Diese sind erforderlich, denn die Rechtssache hat nur insoweit grundsätzliche Bedeutung, als die Rechtsfragen für die Entscheidung des BSG erheblich sind (BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr 31). Der Kläger weist selbst darauf hin, daß die Einzelfallgerechtigkeit unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Bildung engerer Vergleichsgruppen durch die entsprechende Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten hergestellt werden könne. Dazu bringt er vor, die Basis der Vergleichbarkeit und damit endlich der Beurteilungsspielraum der Beklagten entfalle, wenn der Bereich der prinzipiell allen gemeinsamen Tätigkeiten verlassen werde. Es ist indessen nicht ersichtlich, warum bei der Entscheidung über Praxisbesonderheiten kein Beurteilungsspielraum bestehen soll und daß die Klage Erfolg haben würde, wenn nicht vom Beurteilungsspielraum der Beklagten auszugehen wäre. Der Kläger hat auch nicht etwa dargetan, daß das LSG bei der Entscheidung über die Praxisbesonderheiten nicht Vergleichbares verglichen habe. In der Entscheidung vom 27. Januar 1987 - 6 RKa 16/86 - (KVRS A-6100/44) hat das BSG zwar ausgeführt, daß die verglichenen Ärzte eine homogene Gruppe bilden müssen. Es hat aber daraus nicht die Folgerung gezogen, daß deshalb besondere Praxisumstände zwingend die Bildung engerer Vergleichsgruppen notwendig machen. Der Behauptung des Klägers, daß sein Patientenkreis von demjenigen seiner Fachkollegen abweiche, kann der Senat nicht nachgehen, denn er kann keine tatsächlichen Feststellungen treffen. Das BSG ist an die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil gebunden, außer wenn in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind (§ 163 SGG).
1.2 Auch hinsichtlich der Frage, ob bei Ärzten, die das Naturheilverfahren betreiben, nur die Einzelfallprüfung in Betracht kommt, hat der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht ausreichend dargelegt. Aus seinen Ausführungen ergibt sich nicht, daß die angestrebte Entscheidung des BSG geeignet wäre, die Rechtseinheit zu erhalten oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern (BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr 7). Das setzt voraus, daß die angestrebte Entscheidung über den Einzelfall hinaus von allgemeiner Bedeutung wäre. Der Kläger hat aber zur näheren Darlegung der bezeichneten Frage ausgeführt, er unterscheide sich von den 55 Ärzten, die in der Mosaikstatistik mit einem Leistungsspektrum aufgeführt sind; bei ihm sei die Einzelfallprüfung geboten. Daraus folgt, daß die folgende bloße Behauptung des Klägers, die Klärung der Rechtsfrage sei von allgemeiner Bedeutung, weil sich ihre Bedeutung nicht im Einzelfall des Klägers erschöpfe, nicht ausreichen kann. Darüber hinaus könnte sich die Frage, ob bei Ärzten, die das Naturheilverfahren betreiben, eine Einzelfallprüfung geboten sei, erst nach Beantwortung mehrerer Vorfragen klären lassen. Der Kläger hätte insoweit insbesondere darlegen müssen, daß und warum eine Berücksichtigung als Praxisbesonderheit nicht ausreichen würde.
2. Zu den vom Kläger gerügten Abweichungen von Urteilen des BSG hat er jeweils nicht den konkreten Rechtssatz des LSG bezeichnet, der vom Rechtssatz des BSG abweicht. In der Beschwerdebegründung muß dargelegt werden, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine das Berufungsurteil tragende Abweichung in dessen rechtlichen Darlegungen enthalten ist (BSG SozR 1500 § 160a SGG Nr 14). Der Kläger hat nicht behauptet, das LSG habe einen Rechtssatz aufgestellt, daß es keinen Sachverständigen hören müsse, wenn es eine medizinische Frage weder unter Verwertung der Verwaltungsakten noch unter Verwertung der Fachkunde seiner Beisitzer nicht beurteilen kann. Wenn das LSG seine Fachkunde unterstellt hat, wie der Kläger annimmt, dann läßt sich nicht sagen, es sei von fehlender Fachkunde ausgegangen. Es ist auch nicht erkennbar und dargetan, daß das LSG stillschweigend einen solchen Satz vertreten habe. Im übrigen hat der Kläger gegen die Feststellung des LSG, daß sich die Praxisführung des Klägers durch globale Polypragmasie auszeichne, keine Verfahrensrügen erhoben. Es genügt dafür nicht, daß das LSG Hinweisen des Klägers auf die Besonderheiten seiner Praxisführung nicht nachgegangen sei.
Der Kläger bringt weiter vor, in seiner Entscheidung vom 23. Mai 1984 - 6 RKa 1/83 - habe das BSG verlangt, daß die Prüfgremien den offenkundigen und den geltend gemachten Besonderheiten der Praxis nachgehen müssen. Nach dem Vorbringen des Klägers ist das LSG den Praxisbesonderheiten nur scheinbar nachgegangen, hat sie aber in Wahrheit inhaltlich nicht untersucht. Daraus kann aber kein Rechtssatz des LSG entnommen werden des Inhalts, daß es geltend gemachten Praxisbesonderheiten nicht nachgehen müsse.
3. Als Verfahrensverstoß rügt der Kläger, das LSG habe ein beantragtes Sachverständigengutachten nicht eingeholt. Seinem Vorbringen ist aber nicht zu entnehmen, daß das LSG die beantragte Beweisaufnahme ohne eine Begründung, dh ohne einen objektiv gegebenen Grund (Hennig/Danckwerts/König, Kommentar zum SGG § 160 Erl 9a) unterlassen hat. Ferner ist auch nicht zu erkennen, daß das Urteil auf dem Fehler beruhen konnte. In der Beschwerdebegründung ist insbesondere auch nicht dargelegt, zu welcher Frage das Gutachten abgegeben werden sollte und warum es nach dem sachlich-rechtlichen Standpunkt des LSG darauf ankam.
4. Mit der Rüge von Verstößen gegen Art 2, 5 Abs 3 und 12 Abs 1 GG will der Kläger möglicherweise die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen. Er bringt dazu vor, es könne nicht der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung überlassen sein darüber zu entscheiden, ob eine Versorgung den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht. Diese Frage betrifft Grundlagen des kassen- und vertragsärztlichen Versorgungssystems. Dazu hätte es einer eingehenden und substantiierten Darlegung der Rechtsfrage bedurft. Der Kläger hat sich aber schon nicht mit den gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen auseinandergesetzt, die den Prüfinstanzen die Wirtschaftlichkeitsprüfung vorschreiben (§ 368n Abs 5 der Reichsversicherungsordnung aF; § 106 Abs 5 des Sozialgesetzbuches V - Gesetzliche Krankenversicherung -, § 14 Ersatzkassenvertrag/Ärzte).
Die Kostenentscheidung wird auf § 193 SGG gestützt.
Fundstellen