Orientierungssatz

§ 42 AVG ist auch insoweit verfassungsmäßig, als bei Scheidung der Ehe nach dem 30.6.1977 die frühere Ehefrau auch dann keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente (Geschiedenenrente) hat, wenn ihr - trotz des durchgeführten Versorgungsausgleichs - im Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein Unterhaltsanspruch zustand.

 

Normenkette

AVG § 42 S 1 Fassung: 1976-06-14; RVO § 1265 S 1 Fassung: 1976-06-14; GG Art 6 Abs 1; GG Art 20 Abs 1

 

Gründe

Das Landessozialgericht (LSG) hat einen Anspruch der Klägerin auf Rente an die frühere Ehefrau nach § 42 Satz 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) idF des ersten Gesetzes zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 verneint, da die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten nicht vor dem 1. Juli 1977 geschieden worden sei. Die Beschränkung der Hinterbliebenenrente auf vor dem 1. Juli 1977 erfolgte Ehescheidungen sei nicht verfassungswidrig, auch wenn im Falle der Klägerin die durch den Versorgungsausgleich erfolgte Erhöhung ihrer Rente hinter der nach früherem Recht bestehenden Hinterbliebenenrente zurückbleibe.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegte Beschwerde, mit der die Klägerin die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) geltend macht, ist unbegründet. Zur Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung ist dem Beschwerdevorbringen die Rechtsfrage zu entnehmen, ob § 42  AVG auch insoweit verfassungsgemäß ist, als bei Scheidung der Ehe nach dem 30. Juni 1977 die frühere Ehefrau auch dann keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente (Geschiedenenrente) hat, wenn ihr - trotz des durchgeführten Versorgungsausgleichs - im Zeitpunkt des Todes des Versicherten ein Unterhaltsanspruch zustand. Diese Rechtsfrage ist indes, obgleich von der Rechtsprechung bisher noch nicht entschieden, nicht klärungsbedürftig, da eine Verfassungswidrigkeit hinsichtlich der im Beschwerdevorbringen aufgezeigten Gesichtspunkte zweifelsfrei verneint werden kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 11; vgl auch aaO § 160 Nr 17). Die Klägerin meint zu Unrecht, der Art 6 Abs 1 GG schütze ihr Vertrauen darauf, daß sie als im Zeitpunkt des Todes des Versicherten unterhaltsberechtigte frühere Ehefrau Anspruch auf Hinterbliebenenrente habe. Der in Art 6 Abs 1 GG statuierte besondere Schutz der Ehe umschließt die Aufgabe des Staates, die Ehe durch geeignete Maßnahmen zu fördern (BVerfGE 6, 55, 76). Dazu gehört zwar auch der materiell-wirtschaftliche Bereich, insbesondere im Gebiet des Sozialversicherungsrechts (BVerfGE 28, 104, 112); der Gesetzgeber kann aber grundsätzlich im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit bestimmen, auf welche Weise er den ihm aufgetragenen Schutz der Ehe verwirklichen will (BVerfGE 48, 346, 366). Nach diesem Maßstab ist die Beschränkung der Hinterbliebenenrente für die frühere Ehefrau auf die Fälle einer Erziehungsrente nach § 42a AVG in der angegebenen Fassung mit Einführung des Versorgungsausgleichs nicht zu beanstanden, auch soweit die als Begünstigung der früheren Ehefrau gedachte Neuregelung im Einzelfall sich als nachteilig erweist. Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht das Vertrauen eines Ehegatten auf Fortgeltung günstigerer Unterhaltsvorschriften des alten Rechts nicht als von Verfassungs wegen geschützt angesehen (Beschluß vom 14. Juli 1981 NJW 1981, 1771). Im übrigen übersieht die Klägerin, daß der auf Eigenverantwortlichkeit und Mitverantwortlichkeit beruhende Unterhaltsanspruch nach dem Ehereformgesetz nicht in gleicher Weise wie der zuvor auf der Grundlage des Verschuldensprinzips beruhende Unterhaltsanspruch der Ergänzung durch eine Sozialversicherungsrente bedarf.

Auch das Sozialstaatsprinzip des Art 20 GG ist nicht verletzt; dieses darf nicht dahin ausgelegt werden, daß mit seiner Hilfe Regelungen, deren Anwendung in bestimmten Fällen zu Härten oder Unbilligkeiten führt, modifiziert werden könnten (vgl BVerfGE 59, 287, 301 mwN).

Soweit die Klägerin den Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG geltend macht, fehlt es schon an einer schlüssigen Darlegung einer Divergenz. Die Klägerin meint lediglich, daß aus der Entscheidung des BSG zum Az 4 RJ 3/78 ein Rechtssatz folge, von dem das Berufungsurteil abgewichen sei, behauptet aber nicht, daß die angezogene Entscheidung des BSG diesen Rechtssatz selbst ausdrücklich oder stillschweigend enthalte.

Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG in entsprechender Anwendung zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1661030

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