Entscheidungsstichwort (Thema)

Entlassung eines Beamten. Nachversicherung. Rechtsbehelfe gegen Entlassungsverfügung

 

Orientierungssatz

1. Eine Nachversicherung ist für Zeiten nach wirksam erfolgter Entlassung des Beamten grundsätzlich ausgeschlossen. Eine Ausnahme hiervon ist für die Fälle zuzulassen, in denen aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe gegen die Entlassungsverfügung die weitere Amtsausübung nicht untersagt werden durfte und daher die aufschiebende Wirkung der Rechtsgrund für eine einstweilige Weiterbeschäftigung war (vgl BSG 23.7.1986 1 RA 35/85).

2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG 1. Senat 3. Kammer vom 3.12.1987 1 BvR 1208/87).

 

Normenkette

AVG § 9 Abs 1; RVO § 1232 Abs 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 05.02.1987; Aktenzeichen L 4 An 248/85)

 

Gründe

Prozeßkostenhilfe ist nur zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- iVm § 114 der Zivilprozeßordnung -ZPO-). Hieran fehlt es. Die Beschwerde bietet in der Sache keine Aussicht auf Erfolg. Es ist nicht ersichtlich, daß der Kläger mit der beabsichtigten Beschwerde einen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend genannten Gründe, die zur Zulassung der Revision führen können, geltend machen könnte.

Insbesondere könnte der Kläger seine Beschwerde nicht auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützen, die er in der Begründung seines Antrags auf Prozeßkostenhilfe vornehmlich als Zulassungsgrund geltend gemacht hat. Sein dortiges Vorbringen deutet auf eine Verkennung des Zulassungsgrundes der "grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache" iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hin. Eine solche Bedeutung enthält eine Rechtssache nicht schon dadurch, daß - jedenfalls nach der Meinung des Beschwerdeführers - das Landessozialgericht (LSG) die Sache nicht "richtig" entschieden hat. Eine Rechtssache hat vielmehr nur dann grundsätzliche Bedeutung iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine noch klärungsbedürftige Rechtsfrage aufwirft. Das ist regelmäßig dann zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits entschieden ist und nicht ersichtlich ist, inwiefern sie - immer noch - umstritten oder im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig geblieben ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Im vorliegenden Fall fehlt es an einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage.

Streitig ist, ob der Kläger für die Zeit vom 1. Januar 1973 bis 31. Mai 1980 nach § 9 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) nachzuversichern ist. Er war zum 31. Dezember 1972 als "Fachhochschullehrer" aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen und die sofortige Vollziehung der Entlassungsverfügung angeordnet worden. Seine gegen das "Unterrichtsverbot" gerichteten Rechtsbehelfe waren sämtlich erfolglos. In der streitigen Zeit ist der Kläger daher nicht mehr beschäftigt worden. Ausgenommen von der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung war lediglich die vorläufige Weiterzahlung eines Teils der Dienstbezüge, die zunächst in Höhe des sozialhilferechtlichen Mindestbedarfs gewährt und später - auf die weiteren Rechtsbehelfe - um weitere Teilbeträge aufgestockt wurden. Die Klage und Berufung des Klägers gegen die Entlassungsverfügung blieben erfolglos (Urteil des VG Minden vom 21. Juli 1975 und des OVG Münster vom 15. April 1980); die Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 18. Februar 1981 zurückgewiesen. Die daran anschließend streitig gewordene Frage, ob der Kläger für die Zeit nach der - als rechtswirksam bestätigten - Entlassung nach § 9 Abs 1 AVG nachzuversichern ist, haben die Beklagte und die Vorinstanzen mit der Begründung verneint, der Kläger sei aus der versicherungsfreien Beschäftigung bereits Ende 1972 ausgeschieden und danach nicht mehr beschäftigt worden.

Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein entlassener Beamter auf Probe auch für Zeiten nachzuversichern ist, in denen er - ohne beschäftigt gewesen zu sein - bis zur rechtskräftigen gerichtlichen Bestätigung der Entlassungsverfügung Dienstbezüge weiterbezogen hat, ist bereits höchstrichterlich geklärt. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 23. Juli 1986 (1 RA 35/85, zur Veröffentlichung vorgesehen) im einzelnen ausgeführt, daß eine Nachversicherung für Zeiten nach wirksam erfolgter Entlassung des Beamten grundsätzlich ausgeschlossen ist, weil mit der Entlassung des Beamten auch die Gewährleistung beamtenrechtlicher Versorgungsanwartschaften erlischt und damit der Beamte grundsätzlich bereits zu diesem Zeitpunkt aus der versicherungsfreien Beschäftigung iS von § 9 Abs 1 AVG "ausgeschieden" ist. Eine Ausnahme hiervon hat der Senat im Wege einschränkender Gesetzesauslegung nur für die Fälle zugelassen, in denen aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Rechtsbehelfe gegen die Entlassungsverfügung die weitere Amtsausübung nicht untersagt werden durfte und daher die aufschiebende Wirkung der Rechtsgrund für eine einstweilige Weiterbeschäftigung war. Nur soweit die aufschiebende Wirkung zu einem Weiterbeschäftigungsanspruch geführt hat, durfte auch die bisherige Gewährleistung beamtenrechtlicher Versorgung für die Dauer der Weiterbeschäftigung nicht zurückgenommen werden. Hat hingegen die Entlassungsverfügung die Beschäftigung beendet und damit die Wirkungen der Gewährleistungsentscheidung, nämlich die Versicherungsfreiheit der Beschäftigung nach § 6 Abs 1 Nr 3 AVG beseitigt, ist der Beamte bereits zu dem Zeitpunkt dieser Beseitigung iS von § 9 Abs 1 AVG aus der versicherungsfreien Beschäftigung ausgeschieden. Dabei hat der Senat besonders betont, daß das "Ausscheiden" allein nach sozialversicherungsrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen und damit grundsätzlich faktisch zu verstehen ist (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1232 Nrn 1 und 3, jeweils mwN). Auf die beamtenrechtliche Beurteilung kommt es insoweit nicht an.

Bei dieser Rechtslage kann die Grundsätzlichkeit der Rechtsfrage auch nicht damit begründet werden, daß der Kläger aufgrund der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe in der streitigen Zeit Dienstbezüge erhalten habe und arbeitsbereit gewesen sei. Auch insoweit ergibt sich aus dem vorbezeichneten Urteil des erkennenden Senats, daß ein Nachversicherungsanspruch allenfalls dann in Betracht käme, wenn der entlassene Beamte aufgrund der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe einen Weiterbeschäftigungsanspruch gehabt hätte, den der Dienstherr nicht erfüllt und sich damit im "Annahmeverzug" befunden hätte. Hat hingegen - wie im Falle des Klägers - eine Pflicht zur Weiterbeschäftigung nicht bestanden, kann ein Annahmeverzug des Arbeitgebers und damit - aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht - ein ohne faktische Beschäftigung fortbestehendes Beschäftigungsverhältnis nicht vorgelegen haben.

Daß der vorgenannten Rechtsprechung in nennenswertem Umfang widersprochen worden wäre oder daß die aufgezeigte Frage noch immer als klärungsbedürftig zu gelten hätte, könnte der Beschwerdeführer nicht dartun. Der Hinweis des Prozeßbevollmächtigten des Beschwerdeführers auf seine Anmerkung zum oben genannten Urteil des erkennenden Senats in ZfS 1987, 51 vermag eine fortbestehende Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage schon deshalb nicht zu begründen, weil es in dieser Anmerkung an einer Auseinandersetzung mit den tragenden Gründen des BSG-Urteils fehlt. Ebensowenig könnte der Kläger eine Abweichung des angefochtenen LSG-Urteils von der vorbezeichneten Entscheidung des erkennenden Senats vom 23. Juli 1986 geltend machen; denn das LSG hat sich im wesentlichen auf diese Entscheidung gestützt.

Ferner ist auch nicht erkennbar, inwieweit der Kläger mit seiner Beschwerde einen wesentlichen Mangel des Verfahrens, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen könnte, geltend machen könnte. In der Begründung seines Prozeßkostenhilfeantrags ist ein solcher Mangel jedenfalls nicht aufgezeigt. Mit der Rüge, das Urteil des LSG beruhe auf mehreren "logischen Fehlern", ist der Kläger nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ausgeschlossen, denn danach kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden. Damit ist nicht nur eine Rüge fehlerhafter Beweiswürdigung, sondern auch die Rüge eines Verstoßes gegen die allgemeinen Denkgesetze oder sonstiger "logischer Fehler" in der Urteilsfindung ausgeschlossen.

Aber selbst dann, wenn die Erfolgsaussichten der Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu bejahen wären, müßte dem in den Vorinstanzen erfolglos gebliebenen Kläger die Prozeßkostenhilfe zur Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde versagt werden, weil auch eine zugelassene Revision in der Sache keinen Erfolg haben könnte (vgl BSG SozR 1750 § 114 Nr 1 mwN und Nr 5). Ist der Kläger in der streitigen Zeit nicht tatsächlich weiterbeschäftigt worden und war sein Dienstherr auch nicht aufgrund der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsbehelfe zur Weiterbeschäftigung verpflichtet, bliebe es nach der oben aufgeführten Rechtsansicht des Senats bei der Klagabweisung bzw der Zurückweisung der Berufung durch die Vorinstanzen.

Daher kann dem Kläger Prozeßkostenhilfe für die Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gewährt werden.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1652977

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