Leitsatz (amtlich)
Hat das Berufungsgericht das erst nach Einreichung des schriftlichen Gutachtens angebrachte, vom Sozialgericht aber nicht beschiedene Gesuch auf Ablehnung des Sachverständigen entgegen § 406 Abs 5 ZPO iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG in der Endentscheidung und nicht in einem gesonderten Beschluß für unbegründet erklärt, so führt dieser im Revisionsverfahren nicht nachprüfbare Verfahrensverstoß nicht zur Zulassung der Revision (Anschluß an BGH 1978-11-14 X ZR 11/75 = LM Nr 6 zu § 406 ZPO).
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 3 Fassung: 1974-07-30, § 118 Abs 1 S 1 Fassung: 1974-12-20; ZPO § 406 Abs 5; SGG § 177 Fassung: 1974-07-30, § 202 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 548
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 13.01.1982; Aktenzeichen L 3 U 80/81) |
SG Trier (Entscheidung vom 11.12.1980; Aktenzeichen S 4 U 114/78) |
Gründe
Das Sozialgericht (SG) Trier hat die Klage des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Juli 1978 zu verurteilen, den Bandscheibenvorfall als Folge des Arbeitsunfalls vom 30. September 1977 anzuerkennen und zu entschädigen, abgewiesen (Urteil vom 11. Dezember 1980). Dabei hat sich das SG ua auf ein von Prof Dr L und Dr C erstattetes Ergänzungsgutachten vom 31. Oktober 1980 gestützt, ohne über das nach Erstattung des Gutachtens vom Kläger angebrachte Gesuch vom 21. November 1980, in dem er die Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat, zu entscheiden. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz zurückgewiesen (Urteil vom 13. Januar 1982). In den Gründen hat es ua ausgeführt, der Kläger rüge zwar zu Recht als Verfahrensmangel, daß das SG über sein Ablehnungsgesuch nicht durch Beschluß entschieden habe. Jedoch zwinge dies nicht zur Zurückverweisung der Sache an das SG, denn das LSG sei befugt, über das Ablehnungsgesuch selbst zu entscheiden. Die Ablehnung der Sachverständigen sei nicht begründet, denn es bestehe kein Grund zu der Annahme, daß die Sachverständigen das Gutachten nicht nach bestem Wissen und Gewissen erstattet hätten.
Dagegen wendet sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Er macht geltend, es sei ein Verfahrensmangel, daß das LSG das erstinstanzliche Urteil nicht aufgehoben und die Sache nicht an das SG zurückverwiesen habe. Das LSG sei nicht befugt gewesen, über das Ablehnungsgesuch selbst zu entscheiden. Zudem habe das LSG dabei auch § 42 Zivilprozeßordnung (ZPO) fehlerhaft angewendet. Nach dieser Vorschrift komme es nicht darauf an, ob das Gericht selbst Zweifel an der Unparteilichkeit der Sachverständigen habe. Entscheidend sei vielmehr, ob vom Standpunkt der ablehnenden Partei objektive Gründe vorlägen, die in den Augen eines vernünftigen Menschen geeignet seien, Zweifel an der Unparteilichkeit und Objektivität der Sachverständigen zu erregen. Da das SG über das Ablehnungsgesuch nicht entschieden habe und das Urteil des LSG die erste mit Gründen versehene Entscheidung über das Ablehnungsgesuch darstelle, dürfe ihm die Revision als einziges Rechtsmittel nicht vorenthalten bleiben, weil in der Unterlassung der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch durch einen gesonderten Beschluß ein Verfahrensfehler liege, der in der Revisionsinstanz gerügt werden könne.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Nach § 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist die Revision ua nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Es ist sowohl nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (SozR 1750 § 406 Nr 1 = MDR 1976, 83) als auch nach der des Bundesgerichtshofs -BGH - (LM § 404 ZPO Nr 3; § 406 ZPO Nr 6) in Übereinstimmung mit der im Schrifttum vertretenen Meinung (Stein/Jonas/Schumann/Leipold, ZPO, 19. Aufl, § 406 Anm III 4; Wieczorek, ZPO, 2. Aufl, § 406 Anm C II - C IV a1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 40. Aufl, § 406 Anm 4 und 5B) zutreffend, daß die Entscheidung über ein Gesuch auf Ablehnung eines vom Gericht bestellten Sachverständigen nach § 406 Abs 5 ZPO, auf den § 118 Abs 1 SGG bezug nimmt, in einem von der Endentscheidung getrennten Beschluß zu ergehen hat (vgl auch BGHZ 28, 302, 306). Geschieht dies nicht, sondern wird die Ablehnung erst in der Endentscheidung für unbegründet erklärt, so liegt darin in der Regel ein Verfahrensverstoß, weil dadurch der in § 406 Abs 5 ZPO eröffnete Beschwerdeweg abgeschnitten wird. Dieser dem LSG unterlaufene Verfahrensverstoß führt aber nicht dazu, daß die Entscheidung in der Revisionsinstanz nachprüfbar ist (BGH LM § 404 ZPO Nr 3 und § 406 ZPO Nr 6; Stein/Jonas/Schumann/Leipold aaO, § 406 Anm IV 1c, Wieczorek aaO § 406 Anm C IV a1). Wäre nämlich die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch in einem gesonderten Beschluß ergangen, so wäre dieser nach § 177 SGG nicht anfechtbar gewesen und unterläge infolgedessen nach § 202 SGG iVm § 548 ZPO nicht der Beurteilung durch das Revisionsgericht. Könnte somit das BSG die Entscheidung des LSG über die vom Kläger geltend gemachte Ablehnung der Sachverständigen im Revisionsverfahren nicht überprüfen, so entfällt auch eine darauf gerichtete Zulassung der Revision. Ob die Rechtslage anders zu beurteilen wäre, wenn das Ablehnungsgesuch, anders als im vorliegenden Fall, vor der Einreichung des Sachverständigengutachtens angebracht worden ist, steht hier nicht zur Entscheidung. Daher weicht die vorliegende Entscheidung nicht von der Rechtsmeinung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in dem vom Kläger zitierten Urteil (AP § 406 ZPO Nr 1 = JZ 1960, 606) ab, da dort der Sachverständige vor Einreichung des Gutachtens abgelehnt worden war (ebenso BGH LM § 406 ZPO Nr 6). Eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (§ 2 RsprEinhG) kommt daher nicht in Betracht. Auch die vom Kläger zitierte Entscheidung des BSG (SozR 1750 § 406 Nr 1 = MDR 1976, 83) betrifft keinen einschlägigen Fall.
Was die vom Kläger zutreffend gerügte fehlerhafte Anwendung des § 42 ZPO betrifft, so handelt es sich hierbei nicht um einen Verfahrensmangel, sondern um einen Irrtum in der Rechtsfindung, nämlich bei der Auslegung des § 42 ZPO (vgl BSG SozR Nr 1 zu § 42 ZPO).
Die Beschwerde mußte daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen