Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Revisionsbegründung. Erfordernis der Rüge eines Verfahrensmangels bei Prozeßurteil anstelle eines Sachurteils
Orientierungssatz
1. Mit der Rüge der Verletzung ausschließlich materiellen Rechts läßt sich ein mit der Revision angefochtenes Prozeßurteil nicht angreifen.
2. Das BSG prüft bei zulässigen Revisionen von Amts wegen, ob unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen fehlen (vgl BSG 11.12.1973 2 RU 114/71 = BSGE 37, 28). Das ist nicht der Fall bei einer zulässigen Berufung. Hier bedarf es der Rüge des Verfahrensverstoßes, wenn das LSG gleichwohl nicht in der Sache selbst entscheidet.
Normenkette
SGG § 164 Abs 2 S 3 Fassung: 1974-07-30
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 27.04.1983; Aktenzeichen L 14 Ar 527/82) |
SG Bayreuth (Entscheidung vom 11.03.1982; Aktenzeichen S 3 Ar 444/81) |
Tatbestand
Der Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und begehrt Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit unter Berücksichtigung von Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland. Den am 15. April 1981 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. August 1981 ab, weil die Beiträge zur deutschen Rentenversicherung dem Kläger erstattet worden und somit sämtliche inländischen Rentenansprüche ausgeschlossen seien.
Das Sozialgericht (SG) hat die dagegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 11. März 1982). Das Urteil ist der gesetzlichen Vertreterin des Klägers in der Türkei am 27. März 1982 mit Einschreiben gegen Rückschein zugestellt worden. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen, weil die Berufungsfrist am 28. Juni 1982 abgelaufen und die Berufungsschrift erst am 26. November 1982 beim SG eingegangen sei (Urteil vom 27. April 1983).
Der Kläger hat dieses Urteil mit der vom Senat zugelassenen Revision angefochten und zur Begründung vorgetragen, die Beiträge zur deutschen Rentenversicherung seien nicht wirksam erstattet worden.
Der Kläger beantragt, die Urteile des LSG und des SG aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
In der Revisionsbegründung macht der Kläger lediglich geltend, eine Beitragserstattung sei nicht rechtswirksam durchgeführt worden. Mit dieser Rüge der Verletzung ausschließlich materiellen Rechts läßt sich das mit der Revision angefochtene Prozeßurteil nicht angreifen, denn das LSG hat über den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Versichertenrente nicht entschieden.
Der Senat hat in seinen Beschlüssen über die Gewährung von Prozeßkostenhilfe und die Zulassung der Revision vom 30. November 1983 und 28. März 1984 dargelegt, das LSG hätte die Berufung nicht wegen Versäumung der Berufungsfrist als unzulässig verwerfen dürfen, denn das erstinstanzliche Urteil sei mit Einschreiben gegen Rückschein nicht ordnungsgemäß in der Türkei zugestellt worden. Als Mangel des Berufungsverfahrens ist jedoch weder gerügt worden, das LSG hätte anstelle des Prozeßurteils ein Sachurteil erlassen müssen (vgl Bundessozialgericht -BSG- in BSGE 1, 283, 286 f), noch ist ein anderer Verfahrensverstoß formgerecht mit der Revisionsbegründung geltend gemacht worden. Diese enthält auch keine Bezugnahme auf das Vorbringen im Beschwerdeverfahren oder die Ausführungen in den oben erwähnten Beschlüssen des Senats. § 164 Abs 2 Satz 3 SGG schreibt für die Revisionsbegründung jedoch zwingend vor, daß bei Rügen von Verfahrensmängeln die Tatsachen zu bezeichnen sind, die den Mangel ergeben. Daran fehlt es im Falle des Klägers.
Zwar prüft das BSG auf zulässige Revisionen von Amts wegen, ob unverzichtbare Prozeßvoraussetzungen fehlen (vgl BSGE 37, 28, 29). Das war hier aber nicht der Fall. Die Berufung war zulässig, und es bedarf der Rüge des Verfahrensverstoßes, wenn das LSG gleichwohl nicht in der Sache selbst entscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen