Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermächtigung eines Facharztes für Anästhesie
Leitsatz (amtlich)
Der bei einem Krankenhaus angestellte Chefarzt für Anaesthesie hat keinen Anspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung, zur Durchführung anästhesiologischer Leistungen auf Belegabteilungen des Krankenhauses ermächtigt zu werden.
Orientierungssatz
1. Der Belegarztbegriff umfaßt weder nach der Rechtsentwicklung noch nach dem Sprachgebrauch den am Krankenhaus angestellten Anästhesisten.
2. § 3 Abs 2 S 1 BPflV verstößt nicht gegen die in Art 12 GG gestützte Freiheit der Berufsausübung.
3. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 1977-09-15 6 RKa 4/77 = BSGE 44, 244 die Möglichkeit erörtert, daß das Bedürfnis aufgrund des Verhaltens des antragstellenden Anästhesisten selbst anzunehmen sein kann, nämlich weil dieser nicht bereit ist, vertraglich gegenüber dem Krankenhaus die Anästhesieleistungen in den Belegabteilungen zu übernehmen. Die Auffassung, daß dies erheblich sein kann, teilt der Senat nicht mehr.
Normenkette
EKV-Ä § 5 Nr. 3 S. 2; ZO-Ärzte § 31 Abs. 1-2; BPflV § 3 Abs. 2 S. 1; KHG §§ 16-17; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Dortmund (Entscheidung vom 17.05.1978; Aktenzeichen S 22 (14) KA 5/77) |
Tatbestand
In dem Rechtsstreit geht es um die Ermächtigung der Kläger zur Durchführung anästhesiologischer Leistungen auf den Belegabteilungen ihrer Krankenhäuser für den Bereich der Reichsversicherungsordnung (RVO) und der Ersatzkassen.
Beide Kläger sind als Chefärzte der Abteilungen für Anaesthesie eines Krankenhauses angestellt, und zwar Dr. L seit dem 1. März 1976 am E (E)-Krankenhaus in R-S; Dr. C seit dem 1. Mai 1976 am St. Ch (S)-Krankenhaus in W an der L. Diese Krankenhäuser haben auch Belegabteilungen, für die ein Pflegesatz nach § 3 Abs 2 Satz 1 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) vom 25. April 1973 (BGBl I 333) gilt. Den Antrag der Kläger, zur Durchführung der anästhesiologischen Leistungen auf den Belegabteilungen ermächtigt zu werden, hat die Beklagte abgelehnt. Sie hat dazu ausgeführt, den Anträgen könne nicht entsprochen werden, da die Verbände der Krankenkassen ihre Zustimmung nicht gegeben hätten. Sie vertreten den Standpunkt, daß die von einem am Krankenhaus angestellten Anästhesisten auf Belegstationen im kleinen Pflegesatz erbrachten stationären Leistungen nach der Neuordnung des Pflegesatzes durch die BPflV nicht gesondert abgerechnet werden könnten (Bescheid vom 27. April 1976 und Widerspruchsbescheid vom 3. Juni 1976 an Dr. L; Bescheid vom 21. Mai 1976 und Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 1976 an Dr. C).
Dagegen haben die Kläger Klage erhoben und vorgetragen: Aufgrund ihrer Dienstverträge gehörten anästhesiologische Leistungen in den Belegabteilungen nicht zu ihren dienstlichen Aufgaben, sondern seien eine genehmigte Nebentätigkeit. Sie würden dafür vom Krankenhaus nicht bezahlt. Sie seien Belegärzte iS des § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV. Wenn ihnen die Ermächtigung versagt werde, bedeutet dies eine Beschränkung des Rechts auf freie Berufsausübung (Art 12 Abs 1 des Grundgesetzes -GG-). Die Versagung stelle auch einen enteignungsgleichen Eingriff dar, da ihnen im Vertrag mit den Krankenhausträgern das Liquidationsrecht eingeräumt worden sei.
Die Beklagte stellte keinen Antrag. Die Beigeladenen machten geltend, nach dem Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze (KHG) vom 29. Juni 1972 (BGBl I 1009) und der BPflV seien die Krankenhausträger verpflichtet, im Rahmen eines vollpauschalierten Pflegesatzes alle medizinisch notwendigen Leistungen als Krankenhausleistungen zur Verfügung zu stellen. Leistungen, die das Krankenhaus selbst erbringen könne, dürfe es nicht Dritten überlassen. Als Belegarzt sei der Anaesthesist, der auf einer Belegabteilung tätig werde, nicht anzusehen. Durch das KHG und die BPflV sei das Berufsbild des angestellten Arztes typisiert worden. Der Anaesthesist verletze deshalb den Vertrag mit dem Krankenhaus, wenn er die Übernahme der Tätigkeit in den Belegabteilungen als Dienstaufgabe verweigere. Würden die beantragten Ermächtigungen ausgesprochen, so träte dadurch eine Mehrbelastung der Krankenkassen ein. Je mehr nämlich ärztliche Leistungen in Belegabteilungen gesondert berechnet werden könnten, desto größer sei der Anteil der Kosten für den ärztlichen Dienst, der dem allgemeinen Pflegesatz nach § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV hinzuzurechnen sei. Die streitige Ermächtigung würde dazu führen, daß die Krankenkassen neben der gesonderten Vergütung für die anästhesiologischen Leistungen den mit dem Arztabschlag versehenen erhöhten allgemeinen Pflegesatz (für die stationäre Versorgung in den Belegabteilungen) und den erhöhten allgemeinen Pflegesatz für die stationäre Versorgung in den Fachabteilungen (in anderen Versorgungsfällen) zu zahlen hätten.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen und ausgeführt, es sei allerdings anzunehmen, daß nur die Kläger die erforderlichen anästhesiologischen Leistungen in den Belegabteilungen ihrer Krankenhäuser erbringen könnten. Dazu seien sie nach ihren Dienstverträgen nicht verpflichtet. Eine Bereitschaft, die Dienstverträge in dieser Hinsicht zu ändern, bestehe bei den Vertragspartnern nicht. Indessen sei das Verlangen der Kläger nach der streitigen Ermächtigung rechtsmißbräuchlich. Die Anaesthesie auf den Belegabteilungen gehöre zumindest dort, wo es eine Abteilung für Anaesthesie gibt, nach der BPflV zu den allgemeinen Krankenhausleistungen. Zur optimalen Versorgung der Patienten sei die Ermächtigung nicht geboten, denn diese Versorgung könne nicht dadurch schlechter werden, daß die Kläger zur Arbeit in den Belegabteilungen dienstlich verpflichtet werden.
Die Kläger haben Sprungrevision eingelegt und machen geltend, wenn sie, wie beantragt, ermächtigt würden, wären ihre Leistungen auf den Belegabteilungen gegenüber der Beklagten abzurechnen und daher aus dem Pflegesatz auszugliedern. Sie wären nicht im kleinen Pflegesatz abgegolten, denn dieser sei für die Belegabteilungen dadurch zu bilden, daß die anteiligen Personalkosten des ärztlichen Dienstes um einen dem Leistungsanteil des Belegarztes entsprechenden Betrag gemindert werden; entsprechend erhöhe sich der Pflegesatz für die übrigen Abteilungen. In den Personalkosten des ärztlichen Dienstes seien als Folge der Nebentätigkeitsgenehmigung die Leistungen der Kläger auf den Belegabteilungen nicht enthalten. Dies ergäbe sich auch aus dem nordrhein-westfälischen Landesrecht. Würden die Leistungen der leitenden Anästhesisten auf den Belegabteilungen durch ihr Gehalt abgegolten, so würde diese Tätigkeit zu Lasten des großen Pflegesatzes gehen; der Selbstzahler auf der Abteilung mit großem Pflegesatz hätte danach auch die ärztlichen Personalkosten für die Anaesthesieleistung beim Selbstzahler der Belegabteilung zu tragen. Deshalb sei es geboten, die Anaesthesieleistungen auf den Belegabteilungen gesondert zu vergüten.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom
17. Mai 1978 und die angefochtenen Bescheide
aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, die
Kläger zur Durchführung anästhesiologischer Leistungen
in den Belegabteilungen ihrer Krankenhäuser für den
Bereich der Ersatz- und der RVO-Kassen zu ermächtigen.
Die Beigeladene zu 12. schließt sich dem Antrag des Klägers an.
Die Beigeladenen zu 1., 2., 5., 6., 7., 8., 9. und 11. beantragen,
die Revisionen der Kläger zurückzuweisen.
Sie tragen vor, die BPflV kenne bei belegärztlicher Behandlung nur das Liquidationsrecht des Belegarztes selbst; alle anderen Krankenhausleistungen, auch diejenigen von hinzugezogenen Ärzten, seien durch den kleinen Pflegesatz abgegolten. Entgegen den Feststellungen des SG habe die Tätigkeit auf den Belegabteilungen zu den dienstlichen Aufgaben der Kläger gehört. Der kleine Pflegesatz berechne sich als Bruchteil des großen Pflegesatzes, der auch die Kosten der angestellten Anästhesisten enthalte (so Beigeladener zu 1.). Da es sich bei den Klägern um sogenannte Funktionsärzte handele, die zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Krankenhausbetriebes ohnehin angestellt sind, würden sie für ihre Leistungen aus dem pauschalierten Pflegesatz bezahlt.
Die Beklagte stellt keinen Antrag, ebenso die Beigeladene zu 10..
Die Beigeladenen zu 3. und 4. haben sich nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Für die Klagansprüche ist der Sozialrechtsweg zulässig, auch soweit die Kläger die Ermächtigung für den Bereich der Ersatzkassen begehren. Der Senat hat die Zulässigkeit für derartige Ansprüche bejaht (BSGE 44, 244, 247) und hält an dieser Rechtsprechung fest. Der Zulässigkeit der Klagen steht nicht entgegen, daß die Beklagte keinen Antrag stellt. Insbesondere fehlt es deshalb nicht am Rechtsschutzbedürfnis, denn die Beklagte unterstützt zwar den Standpunkt der Kläger, hat ihnen aber die Ermächtigung nicht erteilt. Die Kläger können ihr Klageziel aus diesem Grunde nur durch eine gerichtliche Entscheidung erreichen.
In der Sache ist die Sprungrevision nicht begründet. Mit Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Die Bescheide, mit denen die Beklagte die Ermächtigung abgelehnt hat, sind rechtmäßig.
Für den Ersatzkassenbereich ist Rechtsgrundlage der Ermächtigung § 5 Nr 3 Satz 2 des Arzt/Ersatzkassenvertrages (EKV-Ärzte). Danach kann die Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) im Einvernehmen mit dem Verband der Angestellten-Krankenkassen Nichtvertragsärzte zur Durchführung bestimmter ärztlicher Leistungen einschließlich ärztlicher Sachleistungen allgemein oder im Einzelfall ermächtigen, soweit die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten durch Vertragsärzte nicht gewährleistet ist. Rechtliche Voraussetzungen für die Erteilung der Ermächtigung ist danach jedenfalls das Vorliegen eines Bedürfnisses (BSGE 44, 244, 248). Ein solches Bedürfnis besteht für die Ermächtigung der Kläger nicht, denn es ist Sache der Krankenhäuser, in denen die Kläger angestellt sind, die Anaesthesieleistungen in ihren Belegabteilungen als Krankenhausleistungen bereitzustellen. Dieser Verpflichtung der Krankenhäuser kommt bei stationärer Behandlung der Vorrang zu gegenüber dem Sicherstellungsauftrag der KÄV. Die KÄV ist nämlich nach dem EKV-Ärzte im stationären Bereich nur insoweit zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung verpflichtet als es sich um eine Behandlung durch Belegärzte (§ 10) handelt.
Die Aufgabe der beiden Krankenhäuser, die Leistungen der bei ihnen angestellten leitenden Ärzte für Anaesthesie auch auf den Belegabteilungen als Krankenhausleistungen zur Verfügung zu stellen, ergibt sich aus den Vorschriften des KHG und der BPflV. Nach § 16 KHG ist die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Vorschriften über die Pflegesätze der Krankenhäuser zu erlassen. Die darauf gestützte Vorschrift des § 3 BPflV schreibt für jedes Krankenhaus die Festsetzung eines allgemeinen Pflegesatzes vor, durch den alle unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Krankenhausleistungen (allgemeine Krankenhausleistungen) abgegolten werden einschließlich insbesondere der Leistungen von nicht am Krankenhaus angestellten Konsiliarärzten. Soweit ärztliche Leistungen von einem Belegarzt erbracht und berechnet werden, ist dies bei der Bemessung des Anteils der ärztlichen Leistungen im allgemeinen Pflegesatz zu berücksichtigen (§ 3 Abs 2 Satz 1 BPflV).
Der Senat hat aufgrund dieser Vorschrift die Auffassung vertreten, § 3 Abs 1 BPflV schließe eine gesonderte Berechnung von Arztkosten, die zur medizinisch notwendigen Standardversorgung gehören, aus. Die Krankenhäuser müßten innerhalb der - allerdings je nach ihrer Leistungsfähigkeit abgestuften - medizinischen Standardversorgung alle medizinisch notwendigen Leistungen entweder selbst bereitstellen oder sich auf ihre Kosten beschaffen. § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV regele nur die Rechtsverhältnisse der Belegärzte. Andere Ärzte, selbst wenn sie auf Belegabteilungen in gleichgeordnetem Zusammenwirken mit einem Belegarzt tätig werden, seien danach nicht zu einer gesonderten Abrechnung ihrer Leistungen befugt (BSGE 44, 244, 251). Am Ergebnis dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Das E- und das S-Krankenhaus müssen die von ihnen angestellten Kläger auch zu Anaesthesieleistungen bei Ersatzkassenpatienten auf den Belegabteilungen einsetzen. Diese Pflicht der Krankenhäuser ist mittelbar den Vorschriften der BPflV zu entnehmen. Durch § 3 Abs 1 BPflV sollte den Krankenhäusern aufgegeben werden, ihre Leistungen grundsätzlich als Gesamtleistung anzubieten und zu gewähren (BR-Drucks 596/72 S 4). Den dafür nach § 3 Abs 1 BPflV festgesetzten allgemeinen Pflegesatz haben grundsätzlich alle Patienten oder ihre Kostenträger zu zahlen. Eine Ausnahme gilt für die ärztlichen Leistungen der Belegärzte (§ 3 Abs 2 Satz BPflV). Von dieser Ausnahmeregelung werden aber andere ärztliche Leistungen auf den Belegabteilungen nicht erfaßt. Ihre gesonderte Berechnung wäre mithin bei der Bemessung des Anteils der ärztlichen Leistungen im allgemeinen Pflegesatz nicht zu berücksichtigen. Vielmehr geht § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV davon aus, daß auch in dem auf den Belegabteilungen zu zahlenden kleinen Pflegesatz noch ein Anteil der ärztlichen Leistungen enthalten ist (Bölke bei Wieglow/Roth, Die Kassenarztgebühren, Stand Oktober 1974, Va 66).
Nicht eingehen würden allerdings in den Pflegesatz die Kosten der dem Patienten im Einzelfall erbrachten Anaesthesieleistungen, soweit der Anaesthesist dazu von den Kassen ermächtigt wäre. Der von den Kassen zu zahlende Pflegesatz enthält aber immer die Selbstkosten des Krankenhauses für die Anaesthesieabteilung einschließlich der ärztlichen Leistung, so daß die Kassen für die Patienten auf den Belegabteilungen die Anaesthesieleistungen in den Fachabteilungen mit tragen müssen.
Eine im Pflegesatz abgegoltene Leistung kann aber von dem Arzt, der sie erbringt, nicht noch einmal berechnet werden (Weißauer, Anästhesiologische Informationen 1975 S 132, 135). Daraus ergibt sich als die dem geltenden Recht grundsätzlich entsprechenden Lösung, daß die Ermächtigung nicht erteilt werden darf und die Kosten für die Leistung des angestellten Krankenhausarztes für Tätigkeiten in einer Belegabteilung in den allgemeinen Pflegesatz eingehen (Brandecker, Krankenhausfinanzierungsgesetz BPflV und Folgerecht Kommentare Stand Dezember 1978, § 3 BPflV Anm 4e; Bölke bei Wieglow/Roth, aaO Va 65, 67, der daneben die noch zu behandelnde Möglichkeit offen läßt, daß es sich dabei um eine ärztliche Sonderleistung nach § 6 BPflV handelt). Unzutreffend ist dagegen die Meinung von Hess, beim gespaltenen Krankenhausaufnahmevertrag, wie er bei einer belegärztlichen Behandlung immer vorliege, sei die ärztliche Behandlung als Ganzes nicht Gegenstand der durch den Pflegesatz abzugeltenden Leistung des Krankenhauses (DÄBl 1973, 1168, 1170). § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV geht vielmehr davon aus, daß auch im allgemeinen Pflegesatz für Belegabteilungen (kleiner Pflegesatz) Kosten ärztlicher Leistungen enthalten sein können (Bölke bei Wieglow/Roth aaO Va 66).
Kosten für Anaesthesieleistungen gehören bei dem E- und bei dem S-Krankenhaus in den kleinen Pflegesatz, der für Belegpatienten zu zahlen ist. Eine andere Möglichkeit ergibt sich nicht aus § 3 Abs 2 Satz 2 BPflV. Danach sind die Landesregierungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung zu bestimmen, daß, soweit sonst ärztliche Kosten gesondert berechnet werden, diese entsprechend Satz 1 und bei der Ermittlung der Selbstkosten zu berücksichtigen sind; sie können diese Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf oberste Landesbehörden übertragen (§ 3 Abs 2 Satz 2 BPflV). In Nordrhein-Westfalen gibt es keine derartige hier einschlägige Regelung. Die Landesverordnung zur vorläufigen Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 11. Februar 1974 (GVBl S 84) bestimmt lediglich eine Ermäßigung des allgemeinen Pflegesatzes, soweit ärztliche Leistungen von einem Belegarzt erbracht und berechnet werden oder ärztliche Leistungen als gesondert berechenbare Leistungen (§ 6 BPflV) angeboten und berechnet werden (§ 1 Abs 2 der Verordnung).
§ 3 BPflV ist, soweit die Bestimmung hier herangezogen wird, durch die Vorschriften der §§ 16, 17 KHG gedeckt. Wenn nach § 16 KHG Vorschriften über die Pflegesätze der Krankenhäuser erlassen werden können, so liegt darin die Ermächtigung, die Entgelte der Benutzer oder ihrer Kostenträger für stationäre und halbstationäre Leistungen des Krankenhauses (§ 2 Nr 4 KHG) zu regeln. Die BPflV muß sich danach auf die Regelung des Entgelts für Leistungen des Krankenhauses beschränken und darf nicht darüber hinausgehend Leistungen im Krankenhaus einbeziehen. Daraus kann gefolgert werden, daß die BPflV sich nicht bezieht auf Leistungen eines ermächtigten Anästhesisten in Belegabteilungen des Krankenhauses, weil es sich dabei um Leistungen dieser Ärzte selbst handelt (Schlauß bei Wieglow/Roth Va 57). Der Senat ist aber der Meinung, daß, auch wenn eine solche Ermächtigung erteilt würde, im Pflegesatz jedenfalls Kosten für Anaesthesieleistungen enthalten sind (nämlich Anaesthesieleistungen auf den Fachabteilungen des Krankenhauses) und deshalb die Anaesthesieleistung auf den Belegabteilungen als Krankenhausleistung angeboten werden muß. Allerdings ist es nicht Sinn des KHG und der BPflV, die Krankenhäuser zu Leistungen zu verpflichten, die sie nicht erbringen wollen. Die Verpflichtung zu einem bestimmten Leistungsangebot ergibt sich im vorliegenden Fall aber wie dargelegt mittelbar aus der Festsetzung eines vollpauschalierten Pflegesatzes. Die Ermächtigung deckt diese Pauschalierung schon durch die Verwendung des Begriffs "Pflegesatz", der traditionell auch als pauschaler Preis für alle Leistungen des Krankenhauses an einem Tag verstanden wird.* Der gesetzlichen Ermächtigung für die Vorschrift des § 3 BPflV, soweit sie hier herangezogen wird, steht auch nicht § 17 Abs 2 Satz 1 Halbs 1 KHG entgegen. Werden Arztkosten oder Nebenkosten gesondert berechnet, so ist dies bei der Bemessung der Pflegesätze zu berücksichtigen (§ 17 Abs 2 Satz 1 Halbs 1 KHG). Die Vorschrift ist bisher, soweit ersichtlich, niemals so ausgelegt worden, daß etwa die gesonderte Berechnung von Arztkosten als Tatsache hinzunehmen und diese Kosten aus dem Pflegesatz herauszuhalten wären. Nach der Ansicht des Senats können hier nur Arzt- und Nebenkosten gemeint sein, die nicht zu den medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Krankenhausleistungen gehören. Die Ermächtigung geht dahin, die Entgelte für Leistungen des Krankenhauses als Pflegesatz festzusetzen. Dem würde es widersprechen, wenn die Krankenhäuser beliebig Leistungen aus dem Kreis der mit dem Pflegesatz abgegoltenen Leistungen herausnehmen könnten.
Als Belegarzt iS des § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV sind die Kläger nicht anzusehen. Die Beigeladene zu 12. meint, weil der Begriff des Belegarztes in § 3 Abs 2 BPflV nicht definiert sei, habe der Verordnungsgeber an die vor Inkrafttreten der BPflV bestehende Rechtslage anknüpfen wollen. Damals sei aber unstreitig gewesen, daß die Tätigkeit der Anästhesisten auf Belegabteilungen im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung zu erbringen und aufgrund gesondert abzuschließender Ermächtigungsverträge über die KÄV abzurechnen war. Der Senat kann dieser Begründung nicht folgen.
Eine Behandlung der Anaesthesieleistungen als Leistungen des Belegarztes iS des § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV läßt sich nicht auf die Rechtsentwicklung vor Inkrafttreten der Vorschrift stützen. Nach den Bestimmungen der Verordnung PR Nr 7/54 über Pflegesätze von Krankenanstalten vom 31. August 1954 (BAnz Nr 173 vom 9. September 1954) kam es auf den Begriff des Belegarztes nicht an. Die von der deutschen Krankenhausgesellschaft mit der kassenärztlichen Bundesvereinigung vereinbarten Grundsätze für die Gestaltung von Verträgen zwischen Krankenhausträgern und Belegärzten vom 8. August 1959 (DÄBl 1959, 1247) sprechen gegen die Einordnung von Anästhesisten in diese Gruppe von Ärzten. Ausdrücklich ist darin vielmehr bestimmt, daß der Belegarzt zum Krankenhausträger weder in einem Arbeitsverhältnis noch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis stehe (A.1 Abs 2). Der leitende Anaesthesist, der die Belegabteilung im Rahmen einer genehmigten Nebentätigkeit versorgt, erbringt seine Leistung allerdings nicht als Arbeitnehmer des Krankenhausträgers, worauf Weißauer (aaO S 168, 169) mit Recht hinweist. Indessen muß der fragliche Satz so verstanden werden, daß damit der allgemeine Status des Belegarztes gemeint ist, der eben (überhaupt) nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Krankenhausträger steht. Die stationäre Tätigkeit des Belegarztes bildet nach den Grundsätzen im allgemeinen die Fortsetzung seiner ambulanten Tätigkeit (A.2), bei der das Schwergewicht seiner Berufstätigkeit liegt (A.3). Damit wird die Tätigkeit auf der Belegabteilung nicht isoliert, sondern es wird die gesamte berufliche Tätigkeit des Arztes betrachtet. Mindestens aber kann den Grundsätzen nicht entnommen werden, daß der Verordnungsgeber in § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV von einem Belegarztbegriff ausgegangen sei, der nicht-bettenführende Funktionsärzte des Krankenhauses einschließt.
Der EKV-Ärzte regelt im Rahmen der belegärztlichen Behandlung nur die stationäre Tätigkeit von Vertragsärzten (§ 10). Dagegen war die Ermächtigung von Anästhesisten zur Ausführung von ärztlichen Leistungen in Krankenhäusern in der Vereinbarung der kassenärztlichen Bundesvereinigung mit den Ersatzkassenverbänden vom 5. April 1972 (DÄBl 1433) geregelt. Der Anaesthesist wird in dieser Vereinbarung und in der Anlage dazu nicht als Belegarzt bezeichnet, eine solche Bezeichnung hätte auch § 10 EKV-Ärzte entgegengestanden. Der Belegarztbegriff umfaßt mithin weder nach der Rechtsentwicklung noch nach dem Sprachgebrauch den am Krankenhaus angestellten Anästhesisten.
Es gibt auch keinen anderen Grund für eine Auslegung des § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV dahin, daß diese Bestimmung für Leistungen des am Krankenhaus angestellten Anästhesisten in den Belegabteilungen gelten und die Ermächtigung deshalb gerechtfertigt sein könnte. Würde der Anaesthesist als Erfüllungsgehilfe des bettenführenden Belegarztes angesehen (vgl dazu Weißauer aaO S 132, 136), so käme dafür keine Ermächtigung in Betracht, die Leistung wäre vielmehr vom bettenführenden Belegarzt abzurechnen.
§ 3 Abs 2 Satz 1 BPflV kann auch nicht verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß der auf der Belegabteilung tätige Chefarzt der Abteilung für Anaesthesie als Belegarzt anzusehen ist. In vertraglich eingeräumte Rechte der Kläger hat die BPflV nicht enteignungsgleich eingegriffen. Die Kläger haben erst rund drei Jahre nach Inkrafttreten der BPflV ihre Anstellung als Chefärzte erhalten. Wenn sie beim Abschluß des Anstellungsvertrages erwartet haben, daß das Liquidationsrecht auch gegenüber den Krankenkassen ausgeübt werden könnte, so war diese Erwartung nach § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV unberechtigt. Eine dem geltenden Recht nicht entsprechende Erwartung wird aber nicht durch Art 14 GG geschützt.
§ 3 Abs 2 Satz 1 BPflV verstößt bei der hier vertretenen engen Auslegung nicht gegen die in Art 12 des GG gestützte Freiheit der Berufsausübung. Grundsätzlich sind mit Art 12 GG Regelungen vereinbar, nach denen Krankenhausärzte zur Versorgung von Kassenpatienten nur aufgrund einer Ermächtigung und damit bei Bestehen eines Bedürfnisses zugelassen sind. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, § 368a Abs 8 Satz 1 RVO sei mit Art 12 Abs 1 GG vereinbar, insoweit danach die Beteiligung der Chefärzte auf den Fall der Notwendigkeit beschränkt wird (DOK 1963, 461). Für die von einem engen Vertrauensverhältnis getragene ambulante ärztliche Versorgung sei Voraussetzung, daß der Arzt dafür voll und uneingeschränkt zur Verfügung stehe. Der frei praktizierende Arzt behandele den Patienten selbst. Aus der ganz anderen Arbeitsweise des Chefarztes ergebe sich ein sachlicher Grund für die gesetzliche Regelung. Gleiche Erwägungen rechtfertigen auch die enge Auslegung des § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV. Insbesondere besteht insoweit kein Unterschied zwischen der belegärztlichen stationären und der ambulanten Behandlung. Entscheidend ist, daß auch der ermächtigte Arzt aufgrund von unmittelbaren Rechtsbeziehungen zum Patienten tätig werden will.
Eine verfassungskonforme weite Auslegung des § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV wird zwar mit der Situation der niedergelassenen Fachanästhesisten begründet (Weißauer aaO S 133, 138). Ob diese Begründung jedoch durchschlägt, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, denn die Kläger sind keine niedergelassenen Ärzte.
Eine Befugnis des Krankenhauses, bei Patienten der Belegärzte die Kosten von Anaesthesieleistungen aus dem Pflegesatz herauszunehmen, ergibt sich schließlich auch nicht aus § 6 BPflV. Danach dürfen neben dem allgemeinen oder besonderen Pflegesatz und den Leistungen nach § 5 andere als die allgemeinen Krankenhausleistungen gesondert berechnet werden. Die gesonderte Berechnung ist aber nur zulässig, wenn sie insbesondere mit dem Krankenhaus vereinbart ist. Nach der Meinung von Weißauer (aaO S 168, 173) kommt durch den Vertrag des Anästhesisten mit dem Krankenhausträger über die Einräumung des Liquidationsrechts in Verbindung mit seiner Ermächtigung durch die KÄV stillschweigend eine Vereinbarung iS des § 6 BPflV zwischen Krankenhausträger und KÄV zustande. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Konstruktion dem Sinn der BPflV entspricht. Sie setzt jedenfalls voraus, daß die KÄV bereits eine Ermächtigung erteilt hat, die im vorliegenden Fall gerade streitig ist.
Der Senat hat in seiner schon erwähnten Entscheidung die Möglichkeit erörtert, daß das Bedürfnis aufgrund des Verhaltens des antragstellenden Anästhesisten selbst anzunehmen sein kann, nämlich weil dieser nicht bereit ist, vertraglich gegenüber dem Krankenhaus die Anästhesieleistungen in den Belegabteilungen zu übernehmen (BSGE 44, 244, 252). Die Auffassung, daß dies erheblich sein kann, teilt der Senat nicht mehr. Es wäre rechtsmißbräuchlich, wenn die Kläger die Ermächtigung beanspruchen würden mit der Begründung, daß sie die Leistung nicht als angestellte Ärzte, wohl aber aufgrund der Ermächtigung übernehmen würden. Die Kläger können nicht von der Beklagten die im EKV-Ärzte nur als Notlösung geregelte Ermächtigung verlangen, wenn sie die wesentliche Voraussetzung des Bedürfnisses selbst durch ihr willkürliches Verhalten schaffen. Objektive Gründe, die einem Vertrag der Kläger mit dem Krankenhaus entgegenstehen, haben sie nicht vorgebracht und sind auch nach den Feststellungen des SG nicht ersichtlich.
Die Klage ist auch insoweit nicht begründet, als die Kläger die Ermächtigung für den Bereich der RVO-Kassen beantragen. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Anspruch nach altem oder neuem Recht zu beurteilen ist. Nach dem alten Recht wie nach § 31 Abs 1 oder Abs 2 der Zulassungsordnung für Kassenärzte vom 28. Mai 1957 (BGBl I S 572) idF durch Art 1 Nr 16 der Verordnung vom 20. Juli 1977 (BGBl I S 1332) ist jedenfalls das dort näher umschriebene Bedürfnis entscheidend. Das Bedürfnis fehlt hier aber aus den für den Ersatzkassenbereich dargestellten Gründen.
Der Verpflichtung des E- und des S-Krankenhauses, die Anaesthesieleistungen in ihren Belegabteilungen als Krankenhausleistungen anzubieten, kommt auch im RVO-Bereich Vorrang zu gegenüber dem Sicherstellungsauftrag der KÄV. Dieser Auftrag bezieht sich grundsätzlich nur auf die Versorgung durch freipraktizierende Ärzte (vgl insbesondere § 20 der Zulassungsordnung für Kassenärzte, § 368a Abs 8 RVO). Dagegen wird die Krankenhauspflege von den Krankenkassen durch die Krankenhäuser gewährt (§ 371 RVO).
Aus allen diesen Gründen ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes in vollem Umfang zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1659065 |
BSGE, 181 |