Leitsatz (redaktionell)
Es genügt nicht, den Beteiligten nur theoretisch die Möglichkeit zu geben, zu einem Beweisergebnis oder zu einer Sache Stellung zu nehmen. Es muß ihnen vielmehr hinreichend Zeit eingeräumt werden, um sich über die Beweisergebnisse und über den Sach- und Streitstand ein klares Bild zu verschaffen, um angemessen Stellung nehmen zu können.
Normenkette
SGG § 62 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 15. April 1965 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Gründe
Der am 9. März 1917 geborene Kläger, der im Jahre 1937 wegen Schwachsinns sterilisiert worden war, leistete seit Juni 1943 in P beim Marine-Oberwerftstab als Wachmann Dienst. Am 2. Dezember 1943 wurde er wegen eines Schußbruchs am linken Oberschenkel und eines Bruches der linken Kniescheibe in das Marine-Lazarett in P eingeliefert. In dem Krankenblatt dieses Lazaretts ist er als Zivilist bezeichnet. Wie aus der Krankengeschichte hervorgeht, gab der Kläger an, er habe sich selbst bei der Wachablösung mit seiner Pistole aus Unvorsichtigkeit ins Bein geschossen. In der Schlußzusammenfassung ist vermerkt, daß eine Wehrdienstbeschädigung entfalle, da der Kläger Zivilist sei. Wegen schwerer Nervenbeschwerden wurde der linke Oberschenkel im Dezember 1948 amputiert. In demselben Jahr erfolgte eine Operation wegen einer Bauchfalleiterung und Darmverschlingung.
Den Antrag des Klägers vom 8. September 1950 auf Versorgung lehnte die Versorgungsbehörde mit Bescheid vom 30. April 1951 ab. Auf den Einspruch des Klägers hob der Einspruchsausschuß des Landesversorgungsamts (LVersorgA) mit der Entscheidung vom 11. Dezember 1952 den Bescheid auf und erkannte als Schädigungsfolgen "1. Verlust des linken Oberschenkels nach Schußverletzung, 2. Narbenbildung am linken Handgelenk nach Granatsplitterverletzung und 3. statische Beschwerden im Lendenwirbelsäulenbereich" im Sinne der Entstehung an und gewährte Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v. H. ab 1. Juli 1950. Später hob das LVersorgA diese Entscheidung mit einem als "berichtigenden Widerspruchsbescheid" bezeichneten Bescheid vom 27. Februar 1956 wieder auf und lehnte den Anspruch auf Anerkennung von Versorgungsleiden ab. Der nach erfolglosem Vorverfahren anhängig gewordene Rechtsstreit wurde vor dem 5. Senat des Landessozialgerichts (LSG) in der Sitzung vom 11. März 1960 durch einen "Vergleich" erledigt, in dem sich der Beklagte verpflichtete, den Kläger auf seinen Antrag vom 8. September 1950 erneut zu bescheiden. Der Kläger nahm daraufhin die Berufung zurück.
In Ausführung dieses Vergleichs erließ das Versorgungsamt (VersorgA) nunmehr den Bescheid vom 11. April 1960, mit welchem es den Versorgungsanspruch des Klägers ablehnte. Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 1960). Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 1. November 1961 die Bescheide vom 11. April 1960 und 9. Mai 1960 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, als Schädigungsfolgen "Verlust des linken Oberschenkels nach Schußverletzung und Bauchnarben" anzuerkennen und ab 1. Juli 1950 eine Rente nach einer MdE um 70 v. H. zu zahlen. Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt. Der frühere Pfleger des Klägers, Rechtsanwalt Dr. F, hat mit Schriftsatz vom 2. November 1962 dem LSG mitgeteilt, daß die Gebrechlichkeitspflegschaft über den Kläger durch Verfügung vom 27. September 1962 aufgehoben worden sei. Das LSG hat daraufhin nach Anhörung des Arztes Dr. W, der ausgeführt hatte, daß der Kläger nicht prozeßfähig sei, mit Beschluß vom 27. Juli 1964 den Rechtsbeistand A als besonderen Vertreter gemäß § 72 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) bestellt. Es hat diese Bestellung mit Wirkung vom 5. März 1965 wieder aufgehoben, nachdem die Mutter des Klägers von diesem Zeitpunkt an als Pflegerin ihres Sohnes bestellt worden war. Diese ist zu dem auf den 15. April 1965 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung geladen worden. Die Ladung ist ihr am 31. März 1965 zugegangen. Mit Schriftsatz vom 2. April 1965 hat sich Rechtsanwalt M unter Vorlage einer von der Pflegerin des Klägers unterzeichneten Vollmacht als Prozeßbevollmächtigter gemeldet und mit Schriftsatz vom 11. April 1965 den Antrag gestellt, den Termin vom 15. April 1965 zu vertagen. Er hat zur Begründung ausgeführt, daß er das Mandat erst am 29. März 1965 erhalten und sofort die Handakten des früheren Rechtsbeistandes A angefordert habe, in denen sich weder das Urteil der ersten Instanz noch die Berufungsbegründung des Beklagten befunden habe. Angesichts des tatsächlichen Materials und des Umfanges der rechtlichen Schwierigkeiten, die in dieser Sache enthalten seien, sei er außerstande, den Rechtsstreit so sorgfältig vorzubereiten, wie es im Interesse des Klägers geboten sei. Die Einholung von Informationen stoße auf erhebliche Schwierigkeiten, weil der Kläger schwachsinnig sei. Falls auf diese Eingabe infolge der Kürze der Zeit keine schriftliche Antwort mehr erfolge, werde er den Vertagungsantrag zum Beginn der mündlichen Verhandlung am 15. April 1965 erneut stellen. Das LSG hat den Prozeßbevollmächtigten mitgeteilt, daß über den Antrag in der mündlichen Verhandlung durch den Senat entschieden werden solle. Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 15. April 1965 hat der Prozeßbevollmächtigte des Klägers erneut die Vertagung der Sache beantragt und weiterhin einer Beweisantrag unter Bezugnahme auf den Inhalt eines in der mündlichen Verhandlung von ihm eingereichten Schriftsatzes vom 14. April 1965 gestellt.
Das LSG hat mit Urteil vom 15. April 1965 auf die Berufung des Beklagten das Urteil des SG vom 1. November 1961 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, es stehe fest, daß der Kläger am 2. Dezember 1943 beim Hantieren mit seiner Schußwaffe sich selbst die Verletzung am linken Knie zugezogen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger keinen militärischen oder militärähnlichen Dienst geleistet. Der Kläger sei weder aufgrund der Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938 bei dem Marine-Oberwerftstab beschäftigt gewesen noch habe er aufgrund einer Dienstverpflichtung oder eines Arbeitsvertrages bei der Wehrmacht Dienste geleistet. Die Dienstleistung beruhe vielmehr auf einem zwischen der Wehrmacht und einer deutschen Wach- und Schließgesellschaft geschlossenen Vertrag, demzufolge die Wach- und Schließgesellschaft ihre Bediensteten der Marine zu Bewachungszwecken zur Verfügung gestellt habe, wobei die Entlohnung durch die Wach- und Schließgesellschaft erfolgt sei. Der Einsatz des Klägers in Paris sei auch nicht mit besonderen kriegseigentümlichen Gefahren für die Gesundheit verbunden gewesen. Die Tatsache der Dienstleistung in Paris stelle selbst noch keine kriegseigentümliche Gefahr im Sinne des § 3 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) dar. Daran ändere auch nichts, daß der Kläger Munitions- und Verpflegungsdepots der Marine bewacht habe. Er sei ordnungsgemäß kaserniert gewesen und habe eine ordnungsgemäße Verpflegung erhalten. Daß er trotz seines Schwachsinns eine Schußwaffe erhalten habe, stelle ebenfalls keine kriegseigentümliche Gefahr dar, weil Wachmänner von Wach- und Schließgesellschaften auch in der Heimat mit Schußwaffen ausgestattet gewesen seien. Die Annahme des SG, eine kriegseigentümliche Gefahr habe darin bestanden, daß in Paris eine den deutschen Truppen feindliche Untergrundbewegung aktiv tätig gewesen sei, treffe - wie der Senat aus eigener Erfahrung wisse - jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt des Unfalls nicht zu. Im übrigen seien nicht die besonderen Verhältnisse in Paris, sondern das eigene, durch den Schwachsinn des Klägers begünstigte fahrlässige Verhalten für die Gesundheitsstörung verantwortlich gewesen. Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Gegen dieses dem Kläger am 12. Juni 1965 zugestellte Urteil hat er mit Schriftsatz vom 5. Juli 1965, beim Bundessozialgericht (BSG) am 8. Juli 1965 eingegangen, Revision eingelegt. Mit Schriftsatz vom 9. Juli, beim BSG am 10. Juli 1965 eingegangen, hat er den Revisionsantrag nachgeholt und mit dem Schriftsatz vom 12. Juli, beim BSG am 14. Juli 1965 eingegangen, die Revision begründet.
Er beantragt,
das Urteil des LSG Berlin vom 15. April 1965 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Berlin vom 1. November 1961 - Az.: S 46 V 913/60 - zurückzuweisen,
hilfsweise,
nach Aufhebung des Urteils des LSG den Rechtsstreit zur weiteren erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Er rügt eine Verletzung des § 62 SGG durch das LSG und trägt hierzu vor, das LSG habe den von seinem Prozeßbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11. April 1965 und in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 1965 begründeten Antrag auf Terminsverlegung überhaupt nicht beschieden. Bei dem gegebenen Sachverhalt sei es verpflichtet gewesen, diesem Vertagungsantrag zu entsprechen, da der Prozeßbevollmächtigte von der Pflegerin des Klägers erst am 29. März 1965 Prozeßvollmacht erhalten habe. Innerhalb der kurzen, bis zum Termin vom 15. April 1965 zur Verfügung stehenden Zeit habe er naturgemäß die Sache nicht mit der genügenden Sorgfalt vorbereiten können. Keinesfalls hätte das LSG den Vertagungsantrag übergehen dürfen, weil es die Sache für entscheidungsreif gehalten habe. Dem Vertagungsantrag hätte schon deshalb entsprochen werden müssen, weil der Kläger schwachsinnig sei. Mit weiterer Begründung rügt der Kläger noch eine Verletzung der §§ 103 und 128 SGG durch das LSG. Im übrigen wird auf die Revisionsbegründung Bezug genommen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zu verwerfen.
Er ist der Auffassung, daß dem Kläger deshalb das rechtliche Gehör nicht versagt worden sei, weil dessen Prozeßbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 1965 sich zur Sache habe äußern können.
Da das LSG die Revision nicht gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen hat, findet die Revision nur statt, wenn ein wesentlicher Mangel im Verfahren des LSG im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt wird (BSG 1, 150) oder wenn bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung oder des Todes mit einer Schädigung im Sinne des BVG das Gesetz verletzt ist (§ 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Werden mehrere Verfahrensmängel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt, so ist die Revision schon dann statthaft, wenn einer der gerügten wesentlichen Verfahrensmängel vorliegt, ohne daß es darauf ankommt, ob auch die übrigen Rügen des Klägers über Mängel im Verfahren des LSG durchgreifen (BSG in SozR SGG § 162 Nr. 122). Der Kläger rügt zutreffend eine Verletzung des § 62 SGG durch das LSG, weil es dem Vertagungsantrag des Klägers nicht entsprochen hat. Das SGG kennt zwar keine Vorschriften darüber, wann das Gericht einem Vertagungsantrag entsprechen muß, jedoch gelten insoweit über § 202 SGG für das sozialgerichtliche Verfahren die Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO), nämlich § 227 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 ZPO. Grundsätzliche Unterschiede des Zivilprozesses gegenüber dem sozialgerichtlichen Verfahren, die der entsprechenden Anwendung der Vorschriften der ZPO entgegenstehen würden, bestehen nicht. Gemäß § 227 ZPO muß ein Termin verlegt werden, wenn "erhebliche Gründe" vorliegen (vgl. BSG 1, 277, 280). Zu den erheblichen Gründen gehört auch die Wahrung des rechtlichen Gehörs. Das BSG hat bereits in einer Reihe von Entscheidungen zu der Frage Stellung genommen, wann der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt ist. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Beteiligten oder ihre Vertreter in der mündlichen Verhandlung zwar gehört worden sind, das Gericht aber den Sachverhalt deshalb nicht sachgemäß und vollständig mit ihnen erörtert hat, weil sie sich mit dem Gegenstand der Verhandlung und der Beweisaufnahme nicht rechtzeitig haben vertraut machen können (BSG 11, 165; BSG in SozR SGG § 62 Nr. 1, 2 und 10). Das Recht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs ist daher dann verletzt, wenn die Beteiligten nach Art und Inhalt der Beweisaufnahme oder des Umfanges der Streitsache keine Möglichkeit hatten, sich allein aufgrund des Vortrages in der mündlichen Verhandlung ein klares Bild zu machen (vgl. auch BSG 4, 60, 64) oder wenn ein Antrag auf Vertagung abgelehnt worden ist, obwohl sich der Antragsteller zu einem Vorbringen der Gegenseite oder einem Sachverständigengutachten infolge Zeitmangels nicht mehr äußern konnte. Das auch durch das Grundgesetz garantierte Recht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103) kann keine Einschränkung durch die nach § 106 Abs. 2 SGG dem Vorsitzenden auferlegte Pflicht erfahren, alle notwendigen Maßnahmen schon vor der mündlichen Verhandlung zu treffen, um möglichst den Rechtsstreit in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen (vgl. BSG in SozR SGG § 62 Nr. 14). Gerade zu den Pflichten nach § 106 Abs. 2 SGG gehört es auch, schon vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zur Wahrung des rechtlichen Gehörs zu treffen, so daß dann der Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung erledigt werden kann. Der Sinn des rechtlichen Gehörs besteht nicht allein darin, eine erschöpfende Aufklärung des Sachverhalts zu ermöglichen, sondern auch darin, die Würde des Rechtsgenossen zu wahren (vgl. BVerfG in NJW 1958 S. 665). Es genügt nicht, den Beteiligten nur theoretisch die Möglichkeit zu geben, zu einem Beweisergebnis oder zur Sache selbst Stellung zu nehmen. Es muß ihnen vielmehr hinreichend Zeit eingeräumt werden, um sich über die Beweisergebnisse und über den Sach- und Streitstand ein klares Bild zu verschaffen, um angemessen Stellung nehmen zu können (vgl. dazu auch BVerfG 4, 150 und BSG in SozR SGG § 62 Nr. 6 und 11). Diese Grundsätze für die Gewährung des rechtlichen Gehörs hat aber das LSG nicht hinreichend beachtet.
Bei dem vorliegenden Rechtsstreit handelt es sich um eine tatsächlich wie rechtlich schwierige Angelegenheit. Die Mutter des Klägers hat - nachdem sie am 5. März 1965 zur Pflegerin ihres Sohnes bestellt worden war - den jetzigen Prozeßbevollmächtigten am 29. März 1965 mit der Prozeßvertretung beauftragt. Erst nach diesem Zeitpunkt, nämlich am 31. März 1965, hat sie durch den Zugang der Ladung von der Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 15. April 1965 erfahren. Dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers stand daher bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 15. April 1965 nur ein Zeitraum von etwas mehr als zwei Wochen zur Verfügung, um sich mit dem Sach- und Streitstand zu befassen. Ein solcher kurzer Zeitraum war aber im vorliegenden Fall - wie der Kläger zu Recht vorträgt - nicht ausreichend für eine sorgfältige und sachgerechte Information und Stellungnahme. Dazu reichte dieser Zeitraum um so weniger aus, als der Prozeßbevollmächtigte von dem Kläger selbst wegen dessen Schwachsinns keine der Sache dienenden Auskünfte erhalten konnte und die Mutter des Klägers zu derartigen Auskünften schon deshalb nicht in der Lage sein konnte, weil sie erst am 5. März 1965 als Pflegerin bestellt worden war. Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat sofort auf diese Sachlage im Schriftsatz vom 11. April 1965 hingewiesen, nachdem auch der frühere, im Berufungsverfahren bestellte und vorübergehend tätige besondere Vertreter, Rechtsbeistand A, ihm keine substantiierten Auskünfte über den Rechtsstreit hatte geben können und die von diesem geführten Handakten weder das Urteil der ersten Instanz noch die Berufungsbegründung des Beklagten enthielten. Das LSG hätte daher dem Vertagungsantrag stattgeben müssen. In der Ablehnung einer Terminsverlegung liegt dann allerdings keine Versagung oder Beschränkung des rechtlichen Gehörs, wenn dem Prozeßbevollmächtigten zwar wegen später Bestellung seitens des Beteiligten zu wenig Zeit für die Bearbeitung und Terminsvorbereitung zur Verfügung stand, aber die rechtzeitige Bestellung eines Prozeßbevollmächtigten den Beteiligten zugemutet werden konnte (siehe dazu BSG 1, 280). Dies trifft für den vorliegenden Fall aber nicht zu, denn die Mutter des Klägers als seine Pflegerin hatte innerhalb von drei Wochen nach ihrer Bestellung am 5. März 1965 und noch vor Erhalt der Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung, nämlich am 29. März 1965, den Prozeßbevollmächtigten mit der Wahrnehmung der Rechte ihres Sohnes beauftragt. Ein solch kurzer Zeitraum von der Bestellung zur Pflegerin bis zur Beauftragung eines Prozeßbevollmächtigten kann unter den obwaltenden Umständen nicht als übermäßig lang angesehen werden, so daß dadurch die Vertreterin selbst die rechtzeitige Information und Stellungnahme des Prozeßbevollmächtigten verhindert hätte und damit wiederum auch die Übergehung des Vertagungsantrages durch das LSG als gerechtfertigt angesehen werden müßte. Auch der Vortrag des Beklagten, dem Kläger sei das rechtliche Gehör deshalb nicht genommen oder beschränkt worden, weil er Gelegenheit hatte und auch diese Gelegenheit wahrgenommen hat, sich in der mündlichen Verhandlung ausreichend zu äußern, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es kommt im vorliegenden Fall nicht darauf an, daß der Kläger im Verhandlungstermin vertreten gewesen ist, denn die unzulässige Beschränkung des rechtlichen Gehörs liegt hier einzig darin, daß dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers nicht ausreichend Zeit gewährt worden ist, um sich bis zur mündlichen Verhandlung zu informieren und in der Verhandlung sachgemäß Stellung zu nehmen (siehe dazu BSG 1, 280, 282). Das LSG hätte im Hinblick auf die erheblichen Gründe dem Vertagungsantrag stattgeben müssen. In der Ablehnung des Vertagungsantrags ist daher ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG zu erblicken, der die Revision statthaft macht. Sie ist auch begründet, weil die Möglichkeit besteht, daß das LSG bei Gewährung des erforderlichen rechtlichen Gehörs zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben.
Da die Gewährung des rechtlichen Gehörs in tatsächlicher Beziehung in der Tatsacheninstanz zu geschehen hat, konnte der Senat in der Sache selbst nicht entscheiden (BSG 5, 158, 165). Demgemäß war sie zur erneuten Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).
Fundstellen