Leitsatz (redaktionell)
1. Die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Zeit vor dem 1955-04-01 ist dann untersagt, wenn die Versorgungsverwaltung erst nach Ablauf der in KOV-VfG § 43 Abs 2 festgelegten Frist tätig geworden ist.
2. Macht die Witwe - unabhängig davon, ob ihr Ehemann nach ärztlichem Urteil an den Folgen einer Schädigung gestorben ist oder nicht - die seinerzeitige Anerkennung und Rentengewährung bis zum Tode ihres Ehemannes zur Grundlage ihres eigenen Versorgungsanspruchs, dann hat die Versorgungsbehörde das Recht, die frühere Anerkennung auch dann zu berichtigen oder zu beseitigen, wenn der unmittelbar Berechtigte inzwischen verstorben ist.
3. Das gerichtliche Verfahren ist nicht dadurch beeinträchtigt, daß das Landesversorgungsamt nicht sachlich entschieden, sondern den Widerspruch als unzulässig verworfen hat.
4. Ein Verwaltungsverfahren hat auch dann iS der SGG §§ 78 ff "stattgefunden", wenn die Verwaltungsbehörde nur über einen Teil des angefochtenen Bescheids, und damit nur unvollständig über den Widerspruch entschieden oder wenn es diesen als unzulässig verworfen hat.
Einer Sachentscheidung durch die Gerichte steht daher ein verfahrensrechtliches Hindernis nicht entgegen.
Normenkette
KOVVfG § 43 Abs. 2 Fassung: 1960-06-27; SGG § 78 Fassung: 1953-09-03; BVG § 38 Abs. 1 S. 2
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 16. Juni 1967 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der im Jahre 1881 geborene Ehemann der Klägerin (v.S.) war aktiver Offizier. Kurz vor Kriegsende 1918 erhielt er aus gesundheitlichen Gründen seinen Abschied. Anschließend bewirtschaftete er ein Rittergut in der Neumark. Im Frühjahr 1945 flüchtete er mit seiner Familie nach Schleswig-Holstein. Im April 1945 beantragte die Klägerin für ihren Ehemann die "Weitergewährung der Militärpension". v.S. gab ergänzend an, er sei wegen schweren Magenblutens, das er sich im ersten Weltkrieg zugezogen habe, entlassen worden. Auf Rückfrage erklärte v.S., er habe sämtliche Unterlagen verloren und versichere an Eides statt, daß er wegen schwerer, im Krieg erworbener Magenerkrankung (starkes Magenbluten) verabschiedet worden sei; Dienstbeschädigung sei anerkannt. Der Versorgungsarzt äußerte in einer Stellungnahme, bei dem schweren Magenbluten, das während des Kriegs 1914 bis 1918 aufgetreten sei, habe es sich mit Wahrscheinlichkeit um ein anlagebedingtes Magen- oder Zwölffingerdarmgeschwür gehandelt; für die später auftretende Verschlimmerung sei Dienstbeschädigung (DB) nicht mehr wahrscheinlich. Der als Versorgungsantrag angesehene Antrag des Ehemannes der Klägerin wurde darauf durch Bescheid vom 26. Februar 1946 abgelehnt. In einem weiteren Gutachten äußerte Dr. W, es handele sich um ein altes Zwölffingerdarmgeschwür, das seinerzeit die Magenblutung verursacht habe und auch jetzt noch Beschwerden mache; WDB sei anzunehmen bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v.H. Der Versorgungsarzt erklärte darauf, "DB im Sinne der Verschlimmerung für Magengeschwürsleiden für annehmbar"; die MdE durch DB betrage 40 %, entsprechend der Versehrtenstufe I. Am 5. November 1947 erging darauf ein neuer Bescheid der Landesversicherungsanstalt (LVA) Schleswig-Holstein, Außenstelle Kiel, mit folgendem Wortlaut: "Ihr Leiden "Magengeschwür" ist auf Kriegseinwirkung zurückzuführen. Minderung der Erwerbsfähigkeit (M.d.E.) = 40 %".
Mit Schreiben vom 8. Dezember 1947 beantragte die Klägerin für ihren Ehemann die Erhöhung der MdE auf 100 %. Sie brachte eine ärztliche Bescheinigung von Dr. St vom 2. Januar 1948 bei. Danach hatte v.S. im Sommer 1947 erneut eine schwere Magenblutung mit nachfolgendem Schlaganfall erlitten; später war noch eine Perforation eines Magengeschwürs operiert worden. Auf Grund einer Stellungnahme des Versorgungsarztes lehnte die LVA Schleswig-Holstein durch Bescheid vom 16. Januar 1948 den Verschlimmerungsantrag mit der Begründung ab, DB sei lediglich im Sinne der Verschlimmerung anerkannt, die weiteren Rückfälle seien in der Art des Leidens begründet. Der Widerspruch des v.S. war erfolglos (Bescheid vom 17. Juni 1948). Am 7. Juli 1949 verstarb v.S. im Krankenhaus L.. Als Todesursache ist in der Sterbeurkunde angegeben: Ulcus ventriculi.
Am 9. Januar 1959 beantragte die Klägerin die Gewährung von Witwenrente. Das Versorgungsamt (VersorgA) holte eine ärztliche Stellungnahme von Dr. L ein und lehnte den Antrag durch Bescheid vom 7. September 1959 unter Hinweis auf § 58 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) als verspätet ab. Der Widerspruch der Klägerin wurde durch Bescheid vom 26. Februar 1960 zurückgewiesen. Im Klageverfahren schlug der Sachverständige Dr. K die Beiziehung sämtlicher Krankenblätter aus den Jahren 1946 bis 1949 vor. Der Beklagte verpflichtete sich darauf in einem gerichtlichen Vergleich vom 6. Juli 1960, "erneut in eine Prüfung einzutreten, ob der Klägerin gemäß § 38 BVG ab 1.3.1959 bis 31.5.1960 Rente im Wege des Härteausgleichs und für die Zeit ab 1.6.1960 Witwenrente gewährt werden kann". Die Klägerin nahm ihre Klage zurück.
Die Klägerin reichte anschließend verschiedene Bescheinigungen bei der Versorgungsverwaltung ein. Die Oberfinanzdirektion Düsseldorf, Wehrmachtsversorgungsstelle des Landes Nordrhein-Westfalen, übersandte ihre Unterlagen, darunter die Pensionsakte des VersorgA V Berlin aus den Jahren 1918 bis 1941. Diese Unterlagen gingen am 1. September 1960 bei dem VersorgA Köln ein. Dieses fertigte am folgenden Tage einen Auszug aus den Unterlagen. Daraus geht hervor, daß v.S. vom 5. März 1915 bis 20. April 1915 und vom 14. Februar 1918 bis 24. Februar 1918 unter heftigen kolikartigen Schmerzen erkrankt war, die jedesmal den Eindruck einer Gallensteinerkrankung machten. Sein Pensionsantrag vom 19. Juni 1918 wurde genehmigt, die Zahlung einer Kriegszulage jedoch abgelehnt, da die Gallensteinerkrankung nicht als Kriegsdienstbeschädigung angesehen wurde. Die weiteren Ermittlungen des VersorgA ergaben, daß v.S. im Jahre 1947 in den Krankenhäusern Dannenberg (Elbe), Hamburg-Barmbek, Malente und Neustadt (Holstein) behandelt worden war. Nach Beiziehung sämtlicher Krankenblätter äußerte der Versorgungsarzt Dr. R am 15. August 1961, aus den alten Akten sei nur ein Gallenleiden während des ersten Weltkrieges zu entnehmen; Unterlagen über ein Magenbluten, das 1946 behauptet sei, fehlten. Der Tod des v.S. sei die Folge des 1947 anerkannten Magengeschwürs.
Am 11. Oktober 1961 verfügte das VersorgA den Erlaß eines auf § 42 Abs. 1 Nr. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) gestützten Anfechtungsbescheides, da v.S. falsche Angaben über seine Vorerkrankung gemacht habe. Der Anfechtungsbescheid erging am 26. Oktober 1961, mit welchem der Bescheid vom 5. November 1947 aufgehoben wurde. Durch weiteren Bescheid vom 30. Oktober 1961 wurde der Antrag der Klägerin auf Witwenrente abgelehnt, weil der Tod nicht die Folge einer anerkannten Schädigung gewesen sei. Gegen den Bescheid vom 30. Oktober 1961 legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 6. Januar 1962 wandte sie sich auch gegen den Anfechtungsbescheid und beantragte hilfsweise Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Widerspruchsfrist, da sie beide Bescheide als einheitlichen Vorgang angesehen habe. Durch Widerspruchsbescheid vom 8. August 1962 wurde der Antrag auf Wiedereinsetzung abgelehnt und der Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Oktober 1961 als unzulässig verworfen. Durch weiteren Bescheid vom 9. August 1962 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 30. Oktober 1961 zurückgewiesen. Im Klageverfahren hielt der Beklagte seine Auffassung, daß der Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Oktober 1961 verspätet eingelegt sei, nicht mehr aufrecht, da dieser Bescheid nur der Klägerin, nicht jedoch ihrem Bevollmächtigten zugestellt worden war.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 9. Oktober 1963 (S 13 V 147/62) den Bescheid des VersorgA Köln vom 26. Oktober 1961 und den Widerspruchsbescheid vom 8. August 1962 aufgehoben. Durch ein zweites Urteil vom gleichen Tage (S 13 V 148/62) hat es den Beklagten verurteilt, der Klägerin Witwenrente ab 1. Juni 1960 zu gewähren. Während das Verfahren um die Witwenrente noch in der Berufungsinstanz schwebt, hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 16. Juni 1967 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG vom 9. Oktober 1963 (S 13 V 147/62) zurückgewiesen und in den Gründen ausgeführt, der Beklagte stelle nicht in Abrede, daß die in § 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG normierte Sechsmonatsfrist vom VersorgA nicht eingehalten sei. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei die Einhaltung der in § 43 VerwVG normierten Fristen auch dann geboten, wenn es sich um eine Berichtigung von Bescheiden für die Zeit vor dem Inkrafttreten des VerwVG handele, die auf die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts gestützt werde. Das Bundessozialgericht (BSG) habe diese Frage zwar mehrfach offengelassen, jedoch in seinen Urteilen vom 20. August 1963 und 20. August 1964 zu erkennen gegeben, daß es die Einhaltung der Fristen des § 43 VerwVG auch in diesen Fällen gewahrt wissen wolle. Eine unterschiedliche Handhabung der Fristbestimmungen hinsichtlich der Zeit vor oder nach Inkrafttreten des VerwVG würde zu widersprüchlichen und damit nicht unbedenklichen Ergebnissen führen. Der Anfechtungsbescheid des VersorgA Köln vom 26. Oktober 1961 sei mithin rechtswidrig. Nicht nur die 6-Monatsfrist des § 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG, sondern auch die Ausschlußfrist des § 43 Abs. 2 VerwVG sei versäumt. Dabei könne dahinstehen, ob für die Fristberechnung von dem Bescheid vom 5. November 1947 oder dem Beschwerdebescheid vom 17. Juni 1948 auszugehen sei. Bei Inkrafttreten des VerwVG nF am 2. Juli 1960 sei die Ausschlußfrist von fünf Jahren in jedem Falle abgelaufen gewesen.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Dieses Urteil ist dem Beklagten am 18. August 1967 zugestellt worden; dieser hat dagegen mit Schriftsatz vom 1. September 1967, beim BSG eingegangen am 6. September 1967, Revision eingelegt und sie innerhalb der bis zum 18. November 1967 verlängerten Revisionsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 14. November 1967, beim BSG eingegangen am 16. November 1967, begründet.
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und der zugrunde liegenden Feststellungen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Nordrhein-Westfalen in Essen zurückzuverweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Köln vom 9. Oktober 1963 - S 13 V 147/62 - die Klage abzuweisen.
Er trägt zur Begründung der Revision vor, der Bescheid vom 26. Oktober 1961 sei, selbst wenn die Voraussetzungen des § 43 VerwVG nicht erfüllt seien, jedenfalls für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Verfahrensgesetzes am 1. April 1955, also bis zum Tode des Rentenempfängers am 7. Juli 1949, nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts gerechtfertigt. Es bestehe kein Anlaß für eine analoge Anwendung der Fristen des § 43 VerwVG innerhalb der Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts. Die Besonderheiten des Rechts der Kriegsopferversorgung (KOV) erforderten es nicht, eine nach allgemeinem Verwaltungsrecht zulässige Rücknahme eines Verwaltungsaktes nur innerhalb kurzer Ausschlußfristen zu gestatten. Die Fristvorschriften des § 43 VerwVG seien nicht typisch für das Recht der KOV, sondern typisch für das Wiederaufnahmeverfahren. Die Voraussetzungen, unter denen die Behörde nach § 42 VerwVG einen Fall neu regeln müsse, seien grundsätzlich andere als diejenigen, unter denen nach § 41 VerwVG frühere Bescheide zurückzunehmen seien. Der § 41 VerwVG beziehe sich auf den falschen materiell-rechtlichen Inhalt des Bescheides, während sich § 42 VerwVG nur auf das Verwaltungsverfahren als solches beziehe, das diesem Bescheid vorausgegangen sei. Entgegen der Auffassung des LSG ergebe sich auch kein sinnwidriges Ergebnis, wenn die Ausschlußfrist des § 43 Abs. 2 VerwVG nicht angewandt werde. Die Rechtswirkungen eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung könnten durchaus für begrenzte Zeiträume aufgehoben werden. Der Berichtigungsbescheid wäre alsdann für die Zeit vor dem 1. April 1955 gegebenenfalls rechtswidrig und für die Zeit danach rechtmäßig. Dabei sei noch zu beachten, daß im vorliegenden Fall der begünstigende Verwaltungsakt seine Rechtswirkungen bereits vor dem Inkrafttreten des Verfahrensgesetzes durch den Tod des Ehemannes der Klägerin beendet habe. Der zurückgenommene Bescheid vom 5. November 1947 sei materiell-rechtlich unrichtig, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung eines Magengeschwürs als Schädigungsfolge nach § 4 SVD Nr. 27 nicht gegeben gewesen seien. Für die Annahme des Ursachenzusammenhangs seien allein die Angaben des Ehemannes der Klägerin selbst zugrunde gelegt worden, die sich jedoch als falsch herausgestellt hätten. Das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Verwaltungsaktes sei im vorliegenden Fall auch höher einzuschätzen als das Interesse der Begünstigten an dem Bestand der Entscheidung.
Die Klägerin beantragt,
1. die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen;
2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Sie führt aus, das LSG habe zutreffend und für das BSG bindend festgestellt, daß im vorliegenden Fall sowohl die 6-Monatsfrist des § 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG als auch die 5-jährige Ausschlußfrist des § 43 Abs. 2 Satz 2 VerwVG versäumt sei. Damit entfalle aber jede Anfechtungsmöglichkeit nach § 42 VerwVG. Der Anfechtungsbescheid sei aber auch nicht für die Zeit vor Inkrafttreten des VerwVG aus anderen Gründen rechtmäßig. Eine zeitlich unbegrenzte Berichtigung eines Bescheides sei nur unter den strengen Voraussetzungen des § 41 VerwVG zulässig. Diese Voraussetzungen seien jedoch hier unstreitig nicht erfüllt. Für den Fall, daß die Unrichtigkeit eines Bescheides nicht außer jedem Zweifel stehe, vielmehr nur formelle Rechtsmängel erhoben werden könnten, habe der Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit bewußt Ausschlußfristen eingeführt. Auch für das Institut der Wiederaufnahme des Verfahrens bestehe eine Ausschlußfrist von 5 Jahren. Der Gesetzgeber habe in § 42 VerwVG eindeutig geregelt, aus welchen Gründen im Recht der KOV eine Anfechtung zulässig sei, und in § 43 VerwVG genau bestimmt, welche Fristen hierfür eingehalten werden müßten. Im übrigen sei auf die Entscheidungsgründe des Berufungsurteils zu verweisen.
Der Beklagte hat die Revision frist- und formgerecht eingelegt und auch rechtzeitig begründet (§§ 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -); sie ist daher zulässig. Die Revision ist jedoch sachlich unbegründet.
Im vorliegenden Verfahren ist lediglich darüber zu entscheiden, ob der Anfechtungsbescheid vom 26. Oktober 1961 rechtswirksam ist. - Das Streitverfahren über die Zahlung der Witwenrente (S 13 V 148/62) ist noch beim LSG anhängig. - Das Landesversorgungsamt (LVersorgA) hat den Widerspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid als unzulässig verworfen, weil es zunächst der Auffassung gewesen ist, daß die Klägerin die Widerspruchsfrist (§ 84 SGG) versäumt habe. Die Prüfung, ob die Widerspruchsfrist des § 84 Abs. 1 SGG gewahrt ist, gehört zur Prüfung der Begründetheit der Klage (vgl. Beschluß BSG vom 28. September 1959 - 11 RV 492/59; BSG in SozR SGG § 162 Nr. 95). Der Senat hatte daher zuerst zu prüfen, ob dieser Bescheid in der Sache bindend geworden ist (§§ 24 VerwVG, 77 SGG). Der Beklagte hat zwar vor dem SG erklärt, daß er seine Auffassung über die verspätete Einlegung des Widerspruchs nicht mehr aufrechterhalten wolle. Durch eine derartige Erklärung könnte jedoch die kraft Gesetzes eingetretene Bindungswirkung nicht beseitigt werden; diese Erklärung kann auch nicht als Erlaß eines Zugunstenbescheides nach § 40 Abs. 1 VerwVG angesehen werden (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 234 b VIII). Der Bescheid vom 26. Oktober 1961 ist jedoch bis zur Einlegung des Widerspruchs nicht bindend geworden, weil dieser Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt (§ 27 VerwVG) und daher die Widerspruchsfrist nicht in Lauf gesetzt worden war (§ 84 SGG). Ausweislich der Akten hatte die Klägerin am 15. Februar 1961 Herrn E. vom Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinterbliebenen und Sozialrentner Deutschlands (VdK), Kreisverband Bonn, mit ihrer Vertretung beauftragt. Dieser hatte die schriftliche Vollmacht der Klägerin (§ 10 Abs. 2 VerwVG) mit Begleitschreiben vom 22. Februar 1961 dem VersorgA übersandt. "Mitteilungen" der Versorgungsbehörde - und dazu gehören gemäß § 22 Abs. 1 VerwVG auch die "abschließenden Mitteilungen der Versorgungsbehörden", die in Form eines Bescheides zu ergehen haben - sind gemäß § 10 Abs. 3 VerwVG an den Bevollmächtigten zu richten und diesem zuzustellen (§ 27 VerwVG). Die mittels eingeschriebenen Briefes an die Klägerin persönlich erfolgte Zustellung entsprach somit nicht den gesetzlichen Vorschriften; der Lauf der Widerspruchsfrist ist dadurch nicht eingeleitet worden (vgl. §§ 37 VerwVG, 66 SGG). Der von der Klägerin mit Schreiben vom 6. Januar 1962 - beim VersorgA Köln eingegangen am 8. Januar 1962 - eingelegte Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Oktober 1961 war daher jedenfalls rechtzeitig, so daß eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) gar nicht erforderlich war. Das weitere gerichtliche Verfahren ist nicht dadurch beeinträchtigt, daß das LVersorgA nicht sachlich entschieden, sondern den Widerspruch der Klägerin als unzulässig verworfen hat. Ein Vorverfahren hat auch dann im Sinne der §§ 78 ff SGG "stattgefunden", wenn die Verwaltung nur über einen Teil der belastenden Verfügungssätze des angefochtenen Verwaltungsaktes und damit nur unvollständig über den Widerspruch entschieden oder wenn es diesen als unzulässig verworfen hat. Einer Sachentscheidung durch die Gerichte stand daher ein verfahrensrechtliches Hindernis durch die Verwerfung des Widerspruchs nicht entgegen.
Das LSG ist ohne jede Erörterung davon ausgegangen, daß der Beklagte berechtigt war, einen begünstigenden Verwaltungsakt, der gegenüber dem inzwischen verstorbenen Versorgungsempfänger ergangen war, durch Anfechtungsbescheid gegenüber einem Dritten, nämlich der Klägerin, aufzuheben und dadurch rückwirkend über den Versorgungsanspruch eines bereits Verstorbenen "erneut zu entscheiden" (§ 42 Abs. 1 VerwVG). Die Berechtigung zum Erlaß eines Anfechtungsbescheides gegenüber einer dritten Person, die von dem früheren Bescheid nicht betroffen war, ist jedoch nicht selbstverständlich. Durch Verwaltungsakt können nämlich nur Rechtsbeziehungen öffentlich-rechtlicher Natur zwischen einem Träger öffentlicher Gewalt und dem dieser Gewalt Unterworfenen geregelt werden (vgl. BSG in SozR VerwVG § 47 Nr. 20). Derartige Rechtsbeziehungen - und zwar auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Versorgungsrechtsverhältnisses - haben jedoch früher nur zwischen der Versorgungsverwaltung und dem Ehemann der Klägerin, nicht jedoch zwischen dem Beklagten und der Klägerin bestanden. Das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Versorgungsverwaltung ist aber mit dem Tode des Anspruchsberechtigten erloschen (vgl. BSG 15, 14, 16). Zu diesem Zeitpunkt war ein Anfechtungs- oder Berichtigungsbescheid noch nicht ergangen. Ein Rückforderungsanspruch nach § 47 VerwVG im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, der möglicherweise gegen die Klägerin als Erbin ihres Mannes zu richten wäre (vgl. BSG in SozR VerwVG § 47 Nr. 18, Nr. 20 und Nr. 23), ist von dem Beklagten nicht geltend gemacht worden. Da die Klägerin zunächst keine Ansprüche gegenüber der Versorgungsverwaltung erhoben hatte, war somit für eine Neuregelung des Versorgungsrechtsverhältnisses nach dem Tode des Berechtigten kein Raum. Diese Rechtslage hat sich jedoch geändert, als die Klägerin im Jahre 1959 den Witwenrentenantrag gestellt und dadurch ihrerseits Rechtsbeziehungen öffentlich-rechtlicher Art zu dem Beklagten eingeleitet hat. Denn auch die versorgungsberechtigten und anspruchserhebenden Hinterbliebenen eines Beschädigten rechnen zu den Personen, die auf dem Gebiet der KOV in öffentlich-rechtlichen Beziehungen zu dem Träger der Versorgungsverwaltung stehen. Die Verknüpfung und Abhängigkeit des Hinterbliebenenrentenanspruchs von den Versorgungsverhältnissen des Beschädigten geht insbesondere aus § 38 BVG hervor. Gemäß Satz 2 dieser Vorschrift gilt der Tod stets dann als Folge einer Schädigung, wenn der Beschädigte an einem Leiden stirbt, das als Folge einer Schädigung rechtsverbindlich anerkannt und für das ihm im Zeitpunkt des Todes Rente zuerkannt war. Diese Rechtsvermutung des § 38 Abs. 1 Satz 2 BVG begünstigt die Hinterbliebenen und läßt eine abweichende Beurteilung des Ursachenzusammenhangs nicht zu, wenn das anerkannte und berentete Versorgungsleiden den Tod verursacht hat. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß der Beklagte selbst dann zur Zahlung der Hinterbliebenenrente verpflichtet ist, wenn v.S. zwar nicht nachweisbar "an den Folgen der Schädigung" (§ 38 Abs. 1 Satz 1 BVG), wohl aber an dem als Schädigungsfolge anerkannten Leiden "Magengeschwür" gestorben ist. Will aber der Hinterbliebene - unabhängig davon, ob der Beschädigte nach ärztlichem Urteil an den Folgen einer Schädigung gestorben ist oder nicht - die seinerzeitige Anerkennung und Rentengewährung bis zum Tode des Beschädigten zur Grundlage eines eigenen Versorgungsanspruchs machen, dann muß der Verwaltung das Recht zuerkannt werden, die frühere Anerkennung auch dann zu berichtigen oder zu beseitigen, wenn der unmittelbar Berechtigte inzwischen verstorben ist. Wenn schon ein Hinterbliebener das durch einen Bescheid geregelte Versorgungsrechtsverhältnis zwischen der Versorgungsverwaltung und dem Beschädigten zur Grundlage seines eigenen Anspruchs macht, so kann er dieses Versorgungsverhältnis nur so in Anspruch nehmen, wie es beim Beschädigten bestand, also möglicherweise belastet mit einem Berichtigungs- oder Anfechtungsrecht der Versorgungsverwaltung. Die Versorgungsverwaltung war daher im vorliegenden Fall berechtigt, die Rechte auf Berichtigung, die ihr im Erlebensfall gegen v.S. zugestanden hätten, auch gegenüber der Klägerin geltend zu machen, da diese einen eigenen Versorgungsantrag gestellt und diesen auf die seinerzeitige Anerkennung gestützt hat.
Die Rechte auf Berichtigung früherer Bescheide sind in §§ 41, 42 des VerwVG geregelt, das gemäß § 51 am 1. April 1955 in Kraft getreten ist. Die Besonderheit des vorliegenden Falles besteht jedoch darin, daß v.S. bereits 1949, also vor Inkrafttreten des VerwVG, verstorben ist. Der Beklagte hat den Anfechtungsbescheid vom 26. Oktober 1961 ausdrücklich auf § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG gestützt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG bietet jedoch § 42 VerwVG keine Rechtsgrundlage für die Rücknahme von Bescheiden, soweit der Beschädigte nur Leistungen für die Zeit bis zum 31. März 1955 erhalten hat, da die Rücknahme eines Bescheides nach § 42 VerwVG zwar auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem der Bescheid erlassen ist, regelmäßig jedoch nicht über den Zeitpunkt des Inkrafttretens des VerwVG am 1. April 1955 hinaus (vgl. BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 9; Urteil des erkennenden Senats vom 22. Januar 1965 - 10 RV 3/63). Das bedeutet jedoch nicht, daß Bescheide für die Zeit vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht zurückgenommen werden dürfen, weil insoweit eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gefehlt hat. Vielmehr dürfen im Bereich der KOV Verwaltungsakte, die der Begünstigte nach Auffassung der Versorgungsverwaltung durch unwahre Angaben oder durch Verschweigen von rechtserheblichen Tatsachen herbeigeführt hat (vgl. § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG), nach den ergänzend heranzuziehenden Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts auch für die Zeit vor dem 1. April 1955 zurückgenommen werden (vgl. BSG 13, 232, 237; BSG in SozR VerwVG § 42 Nr. 3 mit weiteren Hinweisen; Urteil des erkennenden Senats vom 22. Januar 1965 - 10 RV 3/63). Die Vorschrift des § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG begründet keine von dem bisherigen Recht - vgl. auch Ziff. 26 der SVA Nr. 11 - abweichende neue Ermächtigung der Verwaltungsbehörden zur Rücknahme erschlichener Verwaltungsakte, sondern bestätigt lediglich den bisherigen Rechtszustand für das Versorgungsrecht, denn auch das allgemeine Verwaltungsrecht kennt seit jeher den Grundsatz, daß erschlichene Verwaltungsakte zurückgenommen werden dürfen (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 7. Aufl., S. 222 und 249; BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 23 mit weiteren Hinweisen).
Der Bescheid vom 26. Oktober 1961 ist auch nicht deshalb unwirksam, weil ihn der Beklagte nicht auf die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts, sondern ausdrücklich nur auf § 42 Abs. 1 Nr. 3 VerwVG gestützt hat, also eine Vorschrift, die keine Rechtswirkungen hinsichtlich der Rücknahme von Bescheiden für die Zeit vor dem 1. April 1955 äußern kann. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß die Versorgungsverwaltung Gründe für die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes "nachschieben" kann, wobei die Rechtmäßigkeit alsdann auch unter Berücksichtigung der nachgeschobenen Gründe vom Gericht zu prüfen ist (vgl. BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 11). Allerdings ist ein solches "Nachschieben" von Gründen nur dann zulässig, wenn der Verwaltungsakt dadurch in seinem Wesen, insbesondere in seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt und seiner Wirkung nicht verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen dadurch nicht beeinträchtigt wird (vgl. BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 11 und Nr. 25 mit zahlreichen Nachweisen). Ob dies der Fall ist, muß stets anhand der Verhältnisse des Einzelfalles geprüft werden (vgl. BSG aaO; Urteil des erkennenden Senats vom 24. Dezember 1962 - 10 RV 383/60). Im vorliegenden Fall sind die von dem Beklagten vorgetragenen Tatsachen - wissentlich falsche Angaben des Beschädigten bei der Antragstellung - unverändert geblieben. Der Beklagte hatte lediglich verkannt, daß das VerwVG und insbesondere sein § 42 keine Rechtswirkungen für die Zeit vor dem 1. April 1955 äußern kann. Dieser Rechtsirrtum des Beklagten ist um so verständlicher, als noch im Zeitpunkt des Erlasses des Anfechtungsbescheides eine gewisse Unsicherheit in der Rechtsprechung hinsichtlich der zeitlichen Rückwirkung des VerwVG bestand. Wenn der Beklagte alsdann im Verlaufe des Verfahrens (vgl. insbesondere die Berufungsbegründung vom 14. Oktober 1964) seinen Verwaltungsakt auf die für die Zeit vor dem 1. April 1955 anwendbaren Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts gestützt hat, und wenn weiter berücksichtigt wird, daß dadurch zwar die rechtlichen Grundlagen, nicht jedoch die Rechtsfolgen geändert worden sind, dann muß dieses Nachschieben von Rechtsgründen für den vorliegenden Fall als statthaft und rechtswirksam angesehen werden.
Damit ist die Frage jedoch noch nicht entschieden, ob der Anfechtungsbescheid durch die spätere Bezugnahme auf die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts auch rechtswirksam ist. Die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts und das ab 1. April 1955 auf dem Gebiet der KOV anwendbare VerwVG unterscheiden sich hinsichtlich der hier interessierenden Anfechtbarkeit von Bescheiden in einem wesentlichen Punkt: Während das allgemeine Verwaltungsrecht keine Fristbestimmung hierfür kennt - mit Ausnahme der allgemeinen zeitlichen Einschränkung, die sich aus Treu und Glauben bzw. Verwirkung ergeben kann -, ist die Ermächtigung und Verpflichtung der Versorgungsverwaltung zur Rücknahme erschlichener Verwaltungsakte für die Zeit vom 1. April 1955 an insofern modifiziert, als die Rechtmäßigkeit der Rücknahme davon abhängig gemacht ist, daß die Verwaltungsbehörde innerhalb bestimmter Fristen tätig wird (vgl. § 43 VerwVG). Der Auffassung des Beklagten, daß diese Fristbestimmungen nur und ausschließlich auf die Bescheide anzuwenden sind, die rechtmäßig auf § 42 VerwVG gestützt sind und Rechtswirkungen nur für die Zeit vom 1. April 1955 an äußern sollen, kann insoweit nicht gefolgt werden. Bei § 43 Abs. 1 Satz 2 und bei Abs. 2 VerwVG handelt es sich um ausgesprochene Schutzvorschriften zugunsten der Rentenempfänger bzw. Versorgungsberechtigten. - In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß nicht zu prüfen ist, ob die Fristbestimmungen des § 43 VerwVG in Einzelfällen auch zuungunsten des Versorgungsberechtigten ausschlagen können; in den weitaus meisten Fällen wird insoweit jedenfalls über die Zugunstenregelung des § 40 VerwVG zu helfen sein. - Die Versorgungsverwaltung muß, wenn die Voraussetzungen für einen Änderungsbescheid vorliegen, schnell und zügig arbeiten - daher die 6-Monats-Frist des § 43 Abs. 1 VerwVG, nachdem sich die zunächst im Gesetz vorgeschriebene 3-Monats-Frist als zu kurz erwiesen hatte -, um das früher fehlerhafte oder unzureichende Verfahren schnell durch einen neuen Bescheid zu bereinigen und den Versorgungsempfänger darüber nicht unnötig lange in Ungewißheit zu lassen. Ist jedoch der verhältnismäßig lange Zeitraum von fünf Jahren (vgl. § 43 Abs. 2 VerwVG) vom Tage der früheren Entscheidung an verstrichen, dann ist eine Berichtigung überhaupt nicht mehr zulässig, sofern der frühere Bescheid auf Mängeln des Verwaltungsverfahrens beruht. Der Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes wird somit nach dem Ablauf von fünf Jahren vom Gesetzgeber als vorrangig angesehen und höhergestellt als die Bereinigung eines fehlerhaften Verfahrens. Die Rechtslage ist ähnlich wie bei dem in § 179 SGG nach den Grundsätzen der Zivilprozeßordnung (ZPO) geregelten Wiederaufnahmeverfahren; auch dort ist die Einleitungsfrist (Klagefrist) kurz begrenzt; auch dort ist nach einer Frist von fünf Jahren im Interesse des Rechtsfriedens ein Wiederaufnahmeverfahren nicht mehr zulässig (vgl. § 586 ZPO).
Die Schutzvorschriften des § 43 VerwVG bestimmen danach, ob die Versorgungsverwaltung überhaupt noch im Rahmen eines Anfechtungsverfahrens tätig werden darf. Da das VerwVG am 1. April 1955 in Kraft getreten ist, kann die Versorgungsverwaltung nach diesem Zeitpunkt nur dann einen Anfechtungsbescheid erlassen, wenn die Fristen des § 43 VerwVG gewahrt sind. Lediglich für die Frage, ob sie mittels eines Anfechtungsbescheides den früheren Bescheid auch mit Wirkung für die Zeit vor dem 1. April 1955 aufheben oder abändern und durch den Anfechtungsbescheid ersetzen kann, kommt es darauf an, ob die vor diesem Zeitpunkt (1. April 1955) geltenden Gesetze, also vornehmlich die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts, eine solche Aufhebung oder Abänderung zuließen. Unabhängig davon also, wieweit die Versorgungsverwaltung mit einem neuen Bescheid in die Vergangenheit zurückgreifen kann, ist die Frage, ob sie überhaupt mit einem neuen Bescheid tätig werden darf. In der Zeit nach dem 1. April 1955 darf die Versorgungsverwaltung unter Aufhebung oder Abänderung eines früheren Bescheides durch Erlaß eines neuen Bescheides nur tätig werden, wenn bestimmte Fristen gewahrt sind (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG: "hat ... einzuleiten" und Absatz 2: "Die erneute Prüfung von Amts wegen ist ... nicht mehr zulässig"). Hat die Versorgungsverwaltung aber ihr Recht zur Anfechtung wegen Versäumung der dafür bestimmten Fristen verloren, so kann sie es auch nicht mehr ausüben; ihr ist ein Tätigwerden insoweit schlechthin untersagt.
Mit dieser Auffassung steht der erkennende Senat nicht in Widerspruch zu der bisherigen Rechtsprechung des BSG, sondern setzt diese lediglich fort. Das BSG hat wiederholt ausgesprochen (vgl. Urteil des 11. Senats vom 20. August 1963 in SozR VerwVG § 42 Nr. 3; Urteil des 8. Senats vom 20. Februar 1964 in BVBl 1964 S. 133), daß zwar dahinstehen könne, ob die Rechtmäßigkeit der Rücknahme von Bewilligungsbescheiden für die Zeit vor dem 1. April 1955 nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts von der Wahrung der Fristen des § 43 VerwVG abhänge, weil diese Fristen in den damals zu entscheidenden Fällen jedenfalls gewahrt waren.
Diese Formulierung deutet darauf hin, daß auch die genannten Senate die Anwendbarkeit der Fristbestimmungen des § 43 VerwVG für naheliegend hielten. Der erkennende Senat hat in einer Entscheidung vom 20. August 1964 (BVBl 1965 S. 10) zunächst die Einhaltung der Fristbestimmungen des § 43 VerwVG geprüft, bevor er die materiell-rechtlichen Grundlagen der Anfechtung erörtert hat.
Die anderweitige Ansicht des Beklagten würde - worauf das LSG zutreffend hinweist - zu ungereimten, weil sinnwidrigen Ergebnissen führen. Die Rechtmäßigkeit eines Anfechtungsbescheides gegenüber einer Witwe würde zunächst davon abhängen, ob der Beschädigte vor oder nach dem 1. April 1955 gestorben ist. Im ersteren Falle könnte die Versorgungsverwaltung unbeschränkt berichtigen, während sie im anderen Fall nur für die Zeit nach dem 1. April 1955 den Fristbestimmungen des § 43 VerwVG unterworfen wäre. Das würde für den Fall, daß der Versorgungsberechtigte den 1. April 1955 erlebt hat und erst später nach seinem Tode die Anfechtung gegenüber seiner Witwe ausgesprochen ist, bedeuten, daß der Anfechtungsbescheid für die Zeit vor dem 1. April 1955 als rechtmäßig und für die Zeit danach als rechtswidrig anzusehen ist. Dieses Ergebnis kann nicht befriedigen und muß als sinnwidrig bezeichnet werden.
Im vorliegenden Fall ist der Anfechtungsbescheid am 26. Oktober 1961, also nach dem 1. April 1955 erlassen worden. Deshalb ist die Frage, ob die Versorgungsverwaltung in diesem Zeitpunkt noch mittels eines Anfechtungsbescheides tätig werden durfte, zunächst von der Wahrung der Fristen des § 43 VerwVG abhängig. Erst dann, wenn diese Fristen gewahrt wären und ein Tätigwerden der Versorgungsverwaltung gestattet hätten, würde zu prüfen gewesen sein, ob eine Aufhebung des früheren Bescheides vom 5. November 1947 mit rückwirkender Kraft - also für die Zeit bis zum 1. April 1955 gemäß den für diese Zeit anwendbaren Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts - möglich ist. Dieser Prüfung ist der Senat jedoch enthoben, da die Versorgungsverwaltung mit einem Anfechtungsbescheid wegen des Ablaufs der in § 43 VerwVG festgesetzten Fristen nicht mehr tätig werden durfte. Dabei kann dahinstehen, ob die Auffassung des LSG zutrifft, daß der Beklagte die 6-Monats-Frist des § 43 Abs. 1 Satz 2 VerwVG versäumt hat, denn jedenfalls war - was auch das LSG angenommen hat - die Ausschlußfrist des § 43 Abs. 2 VerwVG im Zeitpunkt der Bescheiderteilung und auch bereits bei Inkrafttreten des VerwVG in der durch das Erste Neuordnungsgesetz (1. NOG) geänderten Fassung abgelaufen. - Dabei kommt es nicht darauf an, ob von dem Anerkennungs- und Rentenbewilligungsbescheid vom 5. November 1947 oder von der Ablehnung des Verschlimmerungsantrages ausgegangen wird (Bescheid vom 16. Januar 1948; Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 1948). - Die hier interessierende Änderung des VerwVG ist gemäß Art. IV § 4 des 1. NOG am Tage nach der Verkündung des 1. NOG, d.h. am 2. Juli 1960, in Kraft getreten. War aber die 5-Jahres-Frist des § 43 Abs. 2 VerwVG zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen, dann konnte sie auch von der Änderung, die § 43 Abs. 2 VerwVG durch das 1. NOG erfahren hat - "diese Frist beginnt frühestens mit dem 1. Januar 1957" - nicht mehr erfaßt werden. Das Gesetz bietet insoweit keine Handhabe, bereits abgelaufene Fristen zu verlängern und in eine erst am 1. Januar 1957 beginnende Fristberechnung einzuordnen (vgl. BSG 21, 79).
Entgegen der Auffassung des Beklagten kann die Anfechtung auch nicht auf den Grundsatz von Treu und Glauben oder darauf gestützt werden, daß - wie der Beklagte schreibt - "das öffentliche Interesse an der Beseitigung des rechtswidrigen Verwaltungsaktes im vorliegenden Fall höher einzuschätzen ist als das Interesse des Begünstigten an dem Bestand der Entscheidung". Der Gesetzgeber hat im VerwVG die Voraussetzungen für die Erteilung eines Anfechtungsbescheides in der KOV abschließend geregelt und dabei dem Grundsatz der Rechtssicherheit in besonderem Maße Rechnung getragen. Dabei hat der Gesetzgeber bewußt in Kauf genommen, daß fehlerhaft zustande gekommene Verwaltungsakte, die bereits eine Bestandswirkung von mehr als fünf Jahren gehabt haben, im Interesse des Versorgungsberechtigten bestehenbleiben. Über diesen gesetzlich gezogenen Rahmen hinaus der Verwaltung noch ein allgemeines Leistungsverweigerungsrecht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben oder aus allgemeinen Billigkeitserwägungen zu gestatten, geht bei der grundsätzlichen Bedeutung der bindenden Wirkung und dem Vorrang der Rechtssicherheit nicht an (vgl. BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 27; s. auch § 42 Nr. 4). Der Sachverhalt bietet auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin ihren Witwenrentenantrag bewußt hinausgezögert hat, um vorher die Fristen des § 43 VerwVG zum Ablauf zu bringen.
Soweit der Beklagte in der Revisionsbegründung etwa andeuten will, daß auch die Voraussetzungen des § 41 VerwVG - also eine Berichtigung wegen unzweifelhafter Unrichtigkeit und ohne zeitliche Begrenzung - gegeben sind, kann er mit diesem Vorbringen schon deshalb nicht gehört werden, weil es sich insoweit um neues tatsächliches Vorbringen in der Revisionsinstanz handelt.
Der Anfechtungsbescheid vom 26. Oktober 1961 ist daher von den Vorinstanzen zu Recht als rechtswidrig angesehen und schon mit Rücksicht auf den Ablauf der in § 43 Abs. 2 VerwVG vorgeschriebenen Ausschlußfrist aufgehoben worden. Der Senat brauchte daher nicht zu prüfen, ob sonst die Voraussetzungen (vgl. § 42 VerwVG bzw. die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts) für den Erlaß des Anfechtungsbescheides und die rückwirkende Aufhebung des früheren Bewilligungsbescheides gegeben sind. Die Revision des Beklagten war als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen