Leitsatz (amtlich)
Für die Berechnung der Rentenversicherungsbeiträge, die der Rehabilitationsträger nach RVO § 1385 Abs 3 Buchst f Nr 1 zu entrichten hat, ist auch nach dem Ende des Krankengeldbezuges das nach RVO § 182 Abs 8 einem fiktiven Krankengeld zugrunde zu legende erhöhte Bemessungsentgelt maßgebend (Fortführung von BSG 1979-06-07 12 RK 38/78 = SozR 2200 § 1385 Nr 8 und BSG 1982-02-16 12 RK 81/80 = SozR 2200 § 1385 Nr 12).
Normenkette
RVO § 1385 Abs 3 Buchst f Nr 1 Fassung: 1974-08-07, § 1227 Abs 1 S 1 Nr 8a Buchst a Fassung: 1974-08-07, § 182 Abs 8 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.11.1981; Aktenzeichen S 9 Kr 122/81) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter, die die beklagte Krankenkasse als Träger der Rehabilitation gemäß § 1385 Abs 4 Buchst g der Reichsversicherungsordnung (RVO) für die nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst a RVO versichert gewesene - inzwischen verstorbene - Rehabilitandin (F.) für die Zeit vom 1. April 1976 bis 30. September 1977 an die Klägerin zu entrichten hatte.
Für diesen nach Beendigung des Krankengeldbezugs liegenden Zeitraum hatte die Beklagte die Beiträge zunächst nach einem "dynamisierten" Bemessungsentgelt berechnet und abgeführt. Gestützt auf eine Notiz in den Besprechungsergebnissen der Spitzenorganisationen der Sozialversicherungsträger vom 8./9. Juni 1978 machte sie später gegenüber der Klägerin einen Anspruch auf Erstattung eines nach ihrer Auffassung zuviel gezahlten Betrages von 1.163,71 DM mit der Begründung geltend, daß bei den nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst a RVO versicherten Personen nach Ablauf des Krankengeldanspruchs eine Dynamisierung des Bemessungsentgelts nicht mehr in Betracht komme. Den fraglichen Betrag verrechnete sie mit den von ihr eingezogenen und an die Klägerin abzuführenden Rentenversicherungsbeiträgen (Schreiben an die Klägerin vom 7. März 1979).
Das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 1.163,71 DM zu zahlen (Urteil vom 13. Juni 1980 und - nach dessen Aufhebung durch Urteil des Senats vom 14. Mai 1981 - erneut Urteil vom 27. November 1981). Das SG hat aus dem Wortlaut des § 1385 Abs 3 Buchst f Nr 1 RVO ("oder bei Gewährung von Krankengeld zugrunde zu legen wären") geschlossen, daß auch nach Beendigung des Bezuges von Krankengeld das jeweilige Bemessungsentgelt für das Krankengeld für die Beiträge zur Rentenversicherung maßgebend sei. Der Gesetzgeber habe bei den Rehabilitanden die Bezieher und die Nichtbezieher von Krankengeld gleichstellen wollen.
Mit der - vom SG im Urteil zugelassenen - Sprungrevision vertritt die Beklagte weiterhin die Auffassung, daß nach Ablauf des Krankengeldanspruchs das Bemessungsentgelt nicht mehr zu erhöhen sei.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, den von ihr zunächst abgeführten, nachträglich aber durch Verrechnung zurückbehaltenen Teil der für die Rehabilitandin F. angefallenen Rentenversicherungsbeiträge wieder an die Klägerin zu zahlen. Die ursprünglich von der Beklagten vorgenommene Berechnung der Beiträge entsprach der Vorschrift des § 1385 Abs 3 Buchst f Nr 1 RVO, so daß die Beklagte zur Rückforderung nicht berechtigt war.
Nach der genannten Vorschrift sind als Bemessungsgrundlage für die Rentenversicherungsbeiträge, die die Krankenversicherungsträger für von ihnen betreute Rehabilitanden zu entrichten haben (§§ 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst a, 1385 Abs 4 Buchst g RVO), die dem Krankengeld zugrunde zu legenden Beträge auch dann maßgebend, wenn die Beiträge nach Beendigung des Krankengeldbezuges weiter zu entrichten sind. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, in dem ua von den Beträgen die Rede ist, "welche bei Gewährung von Krankengeld zugrunde zu legen wären". Aus der vom Gesetzgeber gewählten Zeitform muß bei grammatikalischer Interpretation der Vorschrift der Schluß gezogen werden, daß die jeweils aktuelle Bemessungsgrundlage des Krankengeldes maßgebend sein soll, daß mithin die in § 182 Abs 8 RVO vorgeschriebene Anpassung (Dynamisierung) des Krankengeldes auf die Bemessung der Rentenversicherungsbeiträge durchschlägt. Diese schon vom Wortlaut der Vorschrift geforderte Auslegung entspricht auch dem Zweck des Gesetzes und den Zielvorstellungen des Gesetzgebers. Wie der Senat schon mehrfach hervorgehoben hat, will das Beitragsrecht die Rehabilitanden, wenn sie durch Teilnahme an einer Rehabilitationsmaßnahme ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage (Erwerbseinkommen) verlieren, nach Möglichkeit so stellen, wie sie ohne die zur Rehabilitation führende Behinderung gestanden hätten (vgl zuletzt Urteil vom 16. Februar 1982 - 12 RK 81/80 -, SozR 2200 § 1385 Nr 12, S 14). Dieses Ziel kann aber nur dann voll erreicht werden, wenn der für sie zu entrichtende Rentenversicherungsbeitrag sich an dem jeweils aktuellen, also dynamisierten Krankengeld orientiert und damit einem inzwischen eingetretenen Lohnanstieg und einer Steigerung der Lebenshaltungskosten folgt (vgl dazu Jung-Preuß, Rehabilitation, 2. Aufl, § 15 Erl 1). Die von der Beklagten angewandte "statische" Betrachungsweise, die konsequenterweise nicht nur für die Zeit nach Ablauf des Krankengeldbezuges, sondern auch für die noch Krankengeld beziehenden Rehabilitanden gelten müßte, widerspricht dem Wortlaut und dem Grundanliegen des Gesetzes.
Der Einwand der Beklagten, daß in § 1385 Abs 3 Buchst f Nr 1 RVO - im Gegensatz zu § 385 Abs 3a Satz 3 RVO - eine besondere Dynamisierungsvorschrift fehle und deshalb schon fraglich sei, ob das Bemessungsentgelt überhaupt zu dynamisieren sei, daß jedenfalls nach Wegfall des Krankengeldes eine Dynamisierung nicht mehr in Betracht kommen könne, erscheint dem Senat nicht begründet. Wenn der Gesetzgeber die Versicherungspflicht und die aus ihr folgende Beitragspflicht - wie bei den Rehabilitanden - an den Bezug einer Sozialleistung (Krankengeld, Übergangsgeld) knüpft und dabei zum Maßstab für die Höhe der Beiträge nicht die Leistung selbst bestimmt, weil er sie als Bemessungsgrundlage offenbar nicht für ausreichend hält, sondern das der Leistung zugrunde liegende Bemessungsentgelt für maßgebend erklärt, so vertritt dieses Entgelt für die Berechnung der Beiträge die Stelle der Leistung. Jede Änderung in der Höhe der Leistung, insbesondere eine durch eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse bedingte Leistungsanpassung, muß sich dann auch auf die Bemessung der - durch den Leistungsbezug ausgelösten und grundsätzlich für dessen Dauer zu entrichtenden - Beiträge auswirken. Wenn dies für die (nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst a iVm § 1385 Abs 3 Buchst f Nr 1 RVO abzuführenden) Rentenversicherungsbeiträge im Gegensatz zu den von den Rehabilitationsträgern nach §§ 381 Abs 3a, 385 Abs 3a RVO zu zahlenden Krankenversicherungsbeiträgen nicht ausdrücklich vorgeschrieben worden ist, so ändert dies am Ergebnis nichts. Auch ohne eine ausdrückliche Anpassungsvorschrift für die Rentenversicherungsbeiträge kann in der Rentenversicherung nichts anderes als in der Krankenversicherung gelten, zumal nach § 1400 Abs 2 RVO die Rentenversicherungsbeiträge von demselben Ausgangsbetrag wie die Krankenversicherungsbeiträge zu berechnen sind (ebenso Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger vom 19. September 1974 zum Rehabilitations-Angleichungsgesetz, Absch B II, Anm 2c, DOK 1974, 912, 923).
Erhöht sich mithin das Krankengeld aufgrund der Anpassungsvorschrift in § 182 Abs 8 RVO, so erhöhen sich entsprechend die an den Bezug von Krankengeld geknüpften Rentenversicherungsbeiträge der Krankenversicherungsträger in den Fällen des § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst a RVO. Fällt später das Krankengeld wegen vorläufiger Erschöpfung des Leistungsanspruchs weg (§ 183 Abs 2 RVO), bleibt aber der für seine Gewährung maßgebend gewesene Tatbestand der Arbeitsunfähigkeit bestehen und ist deshalb auch weiterhin Versicherungspflicht gegeben (nach § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8a Buchst a RVO: für höchstens weitere 24 Kalendermonate der Arbeitsunfähigkeit), so scheidet damit zwar eine Anpassung des - nicht mehr gewährten - Krankengeldes und damit eine unmittelbare Anwendung des Anpassungssatzes auf die Bemessung der Beiträge aus. Da die Anpassung der Beiträge jedoch - nicht anders wie die Anpassung des Krankengeldes - nur Ausdruck einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist, muß sich diese Änderung auch nach dem Wegfall des Krankengeldes, solange Versicherungspflicht fortbesteht, auf die weiter zu entrichtenden Beiträge auswirken. Für deren Berechnung ist somit auch nach dem Ende des Krankengeldbezuges ein Bemessungsentgelt maßgebend, das einem nach § 182 Abs 8 RVO erhöhten Krankengeld zugrunde zu legen wäre, also diesem "fiktiven" Krankengeld entspricht (zu der bisher nicht einheitlichen Ansicht der Sozialversicherungsträger vgl das Besprechungsergebnis vom 8./9. Juni 1978 unter Ziffer 6, DOK 1978, 686, 688).
Die Revision gegen das Urteil des SG war hiernach als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 SGG.
Fundstellen