Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorgezogenes Altersruhegeld wegen Arbeitslosigkeit an Ruhestandsbeamten. Begriff Arbeitnehmer. Nachprüfung durch Revisionsgericht
Orientierungssatz
1. Bei der Prüfung der Arbeitslosigkeit von Beamten, die nach ihrer Pensionierung ein vorgezogenes Altersruhegeld begehren, sind besonders strenge Anforderungen zu stellen. Da der Beamte durch sein Dienstverhältnis in vollem Umfang in Anspruch genommen wird, muß sein Eintritt in den allgemeinen Arbeitsmarkt, der für die Arbeitslosigkeit erforderlich ist, durch objektive und subjektive Merkmale erkennbar werden. Soweit es dabei um die Frage geht, ob bei ihm eine ernstliche Arbeitsbereitschaft besteht, kann es nicht genügen, diese aufgrund allgemeiner Behauptungen anzunehmen. Vielmehr verlangt der Grundsatz einer strengen Prüfung, daß alle erheblichen Umstände im Lebensbereich des Versicherten ermittelt werden, insbesondere auch die im wirtschaftlichen Bereich, weil erst aus einer Gesamtbetrachtung ein Rückschluß auf das Erfordernis möglich wird.
2. Als Arbeitnehmer ist derjenige anzusehen, der im Zeitpunkt der Antragstellung beim Arbeitsamt und während der Zeit der anschließenden faktischen Beschäftigungslosigkeit dem Kreis derjenigen Personen zuzurechnen ist, die anderenfalls in dieser Zeit eine abhängige Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfang ausüben würden (vgl BSG vom 1976-03-11 7 RAr 93/74 = SozR 4100 § 101 Nr 1).
3. Die Wertungen, ob die durch das Berufungsgericht festgestellten Umstände geeignet sind, die Ernstlichkeit der Arbeitsbereitschaft darzutun, und ob die festgestellten Tatsachen ausreichen, um die Schlußfolgerung auf die ernstliche Arbeitsbereitschaft zu tragen, sind Rechtsfragen, die der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegen.
Normenkette
RVO § 1248 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1972-10-16; AFG § 103 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Fassung: 1975-12-18; SGG § 163 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 10.11.1981; Aktenzeichen I JBf 128/81) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 11.06.1981; Aktenzeichen S 15 J 482/78) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um den Anspruch des Klägers auf vorgezogenes Altersruhegeld gem § 1248 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Der am 2. November 1915 geborene Kläger ist gelernter Maler und hat in seinem Beruf zwischen April 1930 und März 1937 - mit Unterbrechung durch den Wehrdienst - gearbeitet. Er hat die große Wartezeit von 180 Kalendermonaten erfüllt. Am 1. April 1937 trat er als Beamter in den Polizeidienst ein, am 1. Dezember 1975 wurde er wegen Vollendung des 60. Lebensjahres pensioniert.
Am 15. Dezember 1975 beantragte der Kläger die Gewährung von Versichertenrente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung ärztlicher Gutachten durch Bescheid vom 6. April 1976 ab; der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. Februar 1977). Am 15. Februar 1977 meldete sich der Kläger als Arbeitsuchender beim Arbeitsamt H.; am 8. März 1977 erhob er Klage auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente. Im Laufe des Klageverfahrens beantragte der Kläger die Umwandlung seines Antrags auf Berufsunfähigkeitsrente in einen Antrag auf Gewährung vorgezogenen Altersruhegeldes wegen einjähriger Arbeitslosigkeit. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 2. Mai 1978 ab, weil der Kläger nicht arbeitslos iS des § 101 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) idF vom 25. Juni 1969 (BGBl I, 582) gewesen sei.
Seine am 16. Mai 1978 hiergegen erhobene Klage begründete der Kläger damit, er habe sich intensiv um eine zumutbare Tätigkeit nach seiner Pensionierung bemüht und sei an einer Tätigkeit insbesondere deswegen interessiert gewesen, weil er seinen studierenden Sohn unterstütze und außerdem die freie Heilfürsorge, die er als Polizeibeamter genossen habe, mit der Pensionierung entfallen sei. Insgesamt habe er eine monatliche Einbuße von 700,-- DM seit seiner Pensionierung. Der Kläger brachte eine Bescheinigung der I.-Versicherung vom 19. Mai 1980 bei, aus der sich ergibt, daß er sich dort im November 1975 um eine Tätigkeit im Außendienst beworben hat. Ferner reichte er vier Bescheinigungen von ehemaligen Arbeitskollegen der Kriminalpolizei ein, nach denen diese sich auf seinen Wunsch hin ab Dezember 1975 bemüht hatten, ihm bei der Suche nach einem zumutbaren Arbeitsplatz behilflich zu sein.
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und im Urteil vom 10. November 1981 ausgeführt: Der Kläger erfülle die Voraussetzungen einer einjährigen Arbeitslosigkeit für die Gewährung des Altersruhegeldes gem § 1248 Abs 2 RVO nicht. Nach der einschlägigen Vorschrift des § 101 Abs 1 Satz 1 AFG sei arbeitslos, wer der Arbeitsvermittlung zur Verfügung und vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe. Gegen die Annahme von Arbeitslosigkeit spreche grundsätzlich nicht die Tatsache, daß ein Versicherter längere Zeit keine abhängige Beschäftigung ausgeübt habe, jedoch sei an den Nachweis des ernsthaften Willens zur Arbeit (§ 103 Abs 1 Nrn 1 und 2 AFG) als Voraussetzung für die Arbeitslosigkeit generell und speziell auch bei einem Ruhestandsbeamten ein strenger Maßstab anzulegen. Dies begründe sich daraus, daß der Beamte mit Erreichen der jeweiligen Altersgrenze - im Falle des Klägers mit 60 Jahren - in aller Regel endgültig aus dem Erwerbsleben ausscheide. An den Nachweis der Arbeitsbereitschaft eines Ruhestandsbeamten seien besondere Anforderungen zu stellen; es reiche nicht aus, wenn er sich bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos melde und sich auf die Aktivitäten der Arbeitsverwaltung verlasse, ohne Eigeninitiative zur Erlangung eines Arbeitsplatzes an den Tag gelegt zu haben. Die ernsthafte Arbeitsbereitschaft müsse durch objektive Umstände in einer Weise dargetan werden, die keinem vernünftigen Zweifel unterliege. Dieser Nachweis der Arbeitsbereitschaft sei nicht erbracht worden.
Ein Beamter scheide mit der Pensionierung nicht nur aus dem speziellen aktiven Beamtendienst aus, sondern schlechthin aus dem gesamten Erwerbsleben. Die formelle Arbeitslosmeldung sei daher noch kein Beweis dafür, daß der Ruhestandsbeamte unter den allgemeinen Bedingungen des Arbeitsmarkts auch tatsächlich ernsthaft zur Aufnahme einer Arbeit bereit sei. Der Kläger habe nicht genügend Umstände vorgetragen, die geeignet wären, Zweifel an seiner Arbeitsbereitschaft auszuräumen. Der durch die Pensionierung bedingte Einkommensverlust sei weder für sich allein genommen noch im Zusammenhang mit den Kosten für den Abschluß einer Krankenversicherung ein Kriterium, das auf einen ernsthaften Willen beim pensionierten Beamten schließen lasse, diesen Einkommensverlust durch eine anderweitige Erwerbstätigkeit auszugleichen. Zwar könne dem Kläger ein starkes Interesse an einem zusätzlichen Verdienst nicht abgesprochen werden, weil er seinem Sohn nach der Pensionierung weiterhin eine monatliche Unterstützung gewährt habe. Der Wille, diese Einkommensminderung und Einkommensbelastung durch einen zusätzlichen Verdienst auszugleichen, reiche allein nicht aus; er stehe im übrigen im Widerspruch dazu, daß der Kläger mit seinem Antrag auf Gewährung von Erwerbsunfähigkeitsrente dokumentiert habe, er könne keinerlei Arbeit mehr ausüben. An der Widersprüchlichkeit der für jedes Rentenverfahren behaupteten anspruchsbegründenden Tatsachen müsse sich der Kläger - bis zum Beweis des Gegenteils - festhalten lassen.
Mit der im Urteil des LSG vom 10. November 1981 zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts, insbesondere der Bestimmung des § 1248 Abs 2 RVO iVm § 101 Abs 1 AFG sowie die fehlerhafte Anwendung von Beweisregeln (§ 128 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Er ist der Ansicht, er habe Verfügbarkeit und Arbeitsbereitschaft in ausreichender Weise dargelegt, zumal im vorausgegangenen Rentenverfahren wegen Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit festgestellt worden sei, daß er noch arbeitsfähig sei. Er habe den in § 1248 Abs 2 RVO normierten Voraussetzungen genügt, indem er sich bei der Arbeitsverwaltung arbeitslos gemeldet und dort seinen Verpflichtungen nachgekommen sei; darüber hinaus habe er seine eigenen Bemühungen um Arbeit durch Vorlage entsprechender Bescheinigungen nachgewiesen.
Das LSG verstoße in seiner Beweiswürdigung gegen Erfahrungs- bzw Denkgesetze, wenn es ausführe, daß der erfolglos gebliebene Antrag auf Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit der Annahme von Arbeitsbereitschaft iS des § 103 Abs 1 AFG entgegenstehe. Wenn das LSG hervorhebe, daß bei Ruhestandsbeamten für die Feststellung der Arbeitsbereitschaft ein strenger Maßstab anzulegen sei, so verkenne es, daß der Kläger als Polizeibeamter früher als andere Beamte pensioniert worden sei, weil über 60- jährige Polizeibeamte die an sie gestellten Erwartungen nach Ansicht des Gesetzgebers nicht mehr erfüllen könnten. Dies bedeute aber nicht, daß pensionierte Polizeibeamte auch im allgemeinen Arbeitsleben unbrauchbar seien. Gehe man von dieser Erkenntnis aus, so bestehe keine Veranlassung, einen strengeren Maßstab für die Feststellung der Arbeitsbereitschaft als in anderen Fällen anzulegen; denn es bedeute für einen Polizeibeamten eine erhebliche soziale Veränderung, bereits mit dem 60. Lebensjahr pensioniert zu werden.
Das Arbeitsamt habe ihm während seiner über einjährigen Arbeitslosigkeit keine Arbeitsstelle anbieten können, auf die er hätte vermittelt werden können. Eigene Bewerbungen und Anfragen nach Arbeitsplätzen würden erfahrungsgemäß zunächst nicht schriftlich, sondern mündlich oder fernmündlich getätigt, so daß er sich in Beweisnot über seine Bemühungen und seine an den Tag gelegte Arbeitsbereitschaft befinde. Das LSG hätte gerade im Hinblick auf seinen Wunsch, seine Einkommensverhältnisse aufgrund seiner Familiensituation aufbessern zu müssen und zu wollen, notfalls durch Vernehmung seiner ehemaligen Kollegen feststellen müssen, ob er wirklich bemüht gewesen sei, einen Arbeitsplatz nach seiner Pensionierung zu finden. Die wirtschaftlichen und persönlichen Gründe, die ihn zu einer Arbeitsaufnahme hätten veranlassen können, seien vom LSG nicht in Zweifel gezogen worden.
Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 10. November 1981 und des Sozialgerichts Hamburg vom 11. Juni 1981 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vorgezogenes Altersruhegeld gem § 1248 Abs 2 RVO zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei in zutreffender Weise berücksichtigt und die Arbeitslosigkeit des Klägers in richtiger Würdigung der Tatsachen verneint worden. Nicht zuletzt um einem möglichen Mißbrauch des § 1248 Abs 2 RVO zu begegnen, müßten strenge Maßstäbe an die Arbeitsbereitschaft gestellt werden. Sinn und Zweck des Gesetzes sei es nicht, "Formal-Arbeitslosen" den Genuß der vorzeitigen Rente zu verschaffen. Da Mißbräuche vielfach zu verzeichnen gewesen seien, habe sich der Gesetzgeber genötigt gesehen, die Anspruchsvoraussetzungen durch eine Ergänzung des § 1248 Abs 2 RVO durch Art 4 § 1 Nr 27 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 ab 1. Januar 1982 zu präzisieren. Dem Sinn dieser Gesetzesänderung müsse Rechnung getragen werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist iS der Zurückverweisung begründet.
Altersruhegeld erhält nach § 1248 Abs 2 RVO idF (aF) des am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I, 1965) der Versicherte, der das 60. Lebensjahr vollendet, die Wartezeit nach Abs 7 Satz 2 erfüllt hat und nach einer Arbeitslosigkeit von mindestens 52 Wochen innerhalb der letzten eineinhalb Jahre arbeitslos ist.
Die Fortgeltung dieser Vorschrift ohne die durch Art 4 § 1 Nr 27 des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I, 1497) an § 1248 Abs 2 RVO angefügten Sätze 2 und 3 ergibt sich für den vorliegenden Rechtsstreit aus Art 2 § 7 Abs 5 des Arbeiterrenten-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) idF des AFKG.
Der Kläger hat das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit nach § 1248 Abs 2 Satz 2 RVO erfüllt; für eine Entscheidung, ob er auch arbeitslos iS des § 1248 Abs 2 RVO war, fehlt es jedoch an hinreichenden Feststellungen.
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Merkmale, die den im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht definierten Begriff Arbeitslosigkeit kennzeichnen, dem Recht der Arbeitslosenversicherung zu entnehmen sind (vgl BSG, Urteil vom 15. Februar 1979 - 5 RJ 12/77 = SozR 2200 § 1248 Nr 28; Urteil vom 24. Juni 1982 - 4 RJ 81/81 -; SozR 2200 § 1248 Nr 11, mwN). Gem §§ 101 Abs 1 Satz 1, 103 Abs 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) idF vom 25. Juni 1969 (BGBl I, 582) ist derjenige Arbeitnehmer arbeitslos, der vorübergehend nicht beschäftigt ist und der Arbeitsvermittlung objektiv und subjektiv zur Verfügung steht. Zu Recht hat das LSG angenommen, daß arbeitslos in diesem Sinne auch ein Beamter sein kann, der vor Erreichen des 65. Lebensjahres in den Ruhestand versetzt worden ist.
Das LSG hat jedoch nicht geprüft, ob der Kläger als Ruhestandsbeamter im vorliegenden Fall dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stand und "Arbeitnehmer" iS des § 101 Abs 1 AFG war. Es hat die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers vielmehr unterstellt und lediglich untersucht, ob und inwieweit der Kläger dem Arbeitsmarkt auch subjektiv zur Verfügung stand, also ernsthaft arbeitsbereit war.
Solange der Kläger als Beamter tätig war, gehörte er nicht dem Personenkreis zu, der eine abhängige Beschäftigung auf dem allgemein zugänglichen und dem Vermittlungsmonopol der Bundesanstalt für Arbeit unterliegenden Arbeitsmarkt ausübte. Nach der Legaldefinition in § 2 Abs 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) idF vom 3. Januar 1977 (BGBl I, 1) wird das Beamtenverhältnis als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis nämlich durch die beiderseitige Treuepflicht gekennzeichnet, die als Generalklausel eine selbständige Funktion zur Feinabstimmung der Pflichten des Beamten (§§ 52 bis 78 BBG) hat (vgl Battis, BBG, München 1980, Anm 2b zu § 2 mwN). In diesem Zusammenhang gewinnt eine besondere Bedeutung das in § 54 Abs 1 Satz 1 BBG niedergelegte Prinzip, daß sich der Beamte mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen hat. Vor seiner Versetzung in den Ruhestand stand der Kläger mithin dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung.
Auch nach der Versetzung in den Ruhestand mit Vollendung des 60. Lebensjahrs gehörte der Kläger nicht eo ipso dem allgemeinen Arbeitsmarkt an. Zwar hinderten ihn nach dem Eintritt in den Ruhestand keine nachwirkenden Dienstpflichten aus dem Beamtenverhältnis an der Aufnahme einer Beschäftigung als Arbeitnehmer; jedoch bedarf die Lösung vom bisherigen beamtenmäßigen Status und der Eintritt in den allgemeinen Arbeitsmarkt als Arbeitnehmer eines besonderen Schrittes. Denn als Arbeitnehmer ist derjenige anzusehen, der im Zeitpunkt der Antragstellung beim Arbeitsamt und während der Zeit der anschließenden faktischen Beschäftigungslosigkeit dem Kreis derjenigen Personen zuzurechnen ist, die anderenfalls in dieser Zeit eine abhängige Beschäftigung von mehr als geringfügigem Umfang ausüben würden (vgl BSG, Urteil vom 11. März 1978 - 7 RAr 93/74 = SozR 4100 § 101 Nr 1). Ein solcher einschneidender Schritt in der Umgestaltung der Lebensverhältnisse muß äußerlich erkennbar sein.
Hiernach hätte der Kläger seinen Willen, künftig als Arbeitnehmer dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen, in besonderer Weise dokumentieren müssen. Als Beamter, der jahrzehntelang in einem besonderen Dienst- und Treueverhältnis gestanden hatte und der nunmehr Empfänger angemessener Versorgungsbezüge war, hätte er nach seinem endgültigen Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis die besonderen Umstände darlegen müssen, die ihn dazu veranlaßten, wieder in den allgemeinen Arbeitsmarkt einzutreten.
Das LSG hat - unter Übergehung dieses Prüfungsschritts - erst zur Frage der ernsthaften Arbeitsbereitschaft Erwägungen angestellt, in welcher Weise es Initiativen des Versicherten bedürfe, damit er als dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehend angesehen werden könne. Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 18. Februar 1964 - 11/1 RA 239/60 = BSGE 20, 190, 197; Urteil vom 28. Februar 1963 - 12 RJ 300/61 = SozR Nr 15 zu § 1248; Urteil vom 4. Februar 1965 - 11/1 RA 142/63 = SozR Nr 33 zu § 1248; Urteil vom 23. Juli 1965 - 1 RA 143/63) kommt es an dieser Stelle ebenfalls zu dem Ergebnis, die ernstliche Arbeitsbereitschaft müsse in besonderer Weise dargetan werden.
Die ernstliche Arbeitsbereitschaft, die für den begehrten Rentenanspruch mindestens 52 Wochen vorhanden sein muß, ist ein subjektiver Zustand der Person des Arbeitnehmers, der sich der unmittelbaren Erkennbarkeit und damit auch Feststellbarkeit weitgehend entzieht. Er läßt sich nur aus tatsächlichen Umständen im Wege der Schlußfolgerung erschließen. Der 11. Senat des BSG hat zutreffend bereits darauf hingewiesen, daß es sich insoweit nicht um eine dem Revisionsgericht verschlossene Beweiswürdigung handelt (vgl BSG, Urteil vom 18. Februar 1964 - 11/1 RA 239/60 = BSGE 20, 190, 198). Auch der erkennende Senat ist dieser Auffassung. Zwar bedarf es zunächst einmal der Feststellung objektiver Tatsachen durch das Berufungsgericht; die Wertungen jedoch, ob die festgestellten Umstände geeignet sind, die Ernstlichkeit der Arbeitsbereitschaft darzutun, und ob die festgestellten Tatsachen ausreichen, um die Schlußfolgerung auf die ernstliche Arbeitsbereitschaft zu tragen, sind Rechtsfragen, die der Prüfung durch das Revisionsgericht unterliegen. Daß bei der Prüfung der ernstlichen Arbeitsbereitschaft eines Versicherten, der als pensionierter Beamter vor seiner Arbeitslosmeldung nicht dem allgemeinen Arbeitsmarkt angehört hat, besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind, hat das BSG wiederholt entschieden (Urteil vom 15. März 1962 - 4 RJ 210/59 = SozR Nr 10 zu § 1248 RVO; Urteil vom 28. Februar 1963 - 12 RJ 300/61 = BSGE 18, 287, 290; Urteil vom 18. Februar 1964 - 11/1 RA 239/60 = BSGE 20, 190, 197; Urteil vom 4. Februar 1965 - 11/1 RA 142/63 = SozR Nr 33 zu § 1248 RVO; Urteil vom 29. Juli 1976 - 4 RJ 199/74 = SozR § 1248 Nr 15; Urteil vom 15. Februar 1979 - 5 RJ 12/77 = SozR 2200 § 1248 Nr 28). Diese Prüfung muß eine Gesamtbetrachtung aller wesentlichen Umstände und insbesondere des Verhaltens des Versicherten einschließen, wenn sie dem von der Rechtsprechung aufgestellten Erfordernis Rechnung tragen soll, daß die ernstliche Arbeitsbereitschaft des Versicherten "keinem vernünftigen Zweifel unterliegt" (BSGE 20, 190, 197).
Das LSG hat zwar den Begriff der ernstlichen Arbeitsbereitschaft im Zusammenhang mit dem Anspruch eines pensionierten Beamten nach § 1248 Abs 2 RVO jedenfalls insoweit nicht verkannt, als es ebenfalls bei der Prüfung einen (besonders) strengen Maßstab anlegt; es fehlt jedoch an einer hinreichenden Darstellung und Prüfung der Gesamtumstände sowie einzelner Merkmale. Lediglich unter dem Gesichtspunkt, daß der Kläger zunächst die Erwerbsunfähigkeitsrente beantragt und dann im Klageverfahren versucht hatte, die Berufsunfähigkeitsrente zu erstreiten, kann die ernstliche Arbeitsbereitschaft nicht verneint werden (vgl BSG, SozR 2200 § 1248 Nr 28 S 65). Die Bewertung dieses Verhaltens des Klägers bleibt ein Teilaspekt, auch wenn das angefochtene Urteil die zusätzliche Feststellung enthält, der Kläger habe bei der Rentenantragstellung im Dezember 1975 angegeben, "keine" Arbeiten verrichten zu können; dieser Umstand ist weniger aufschlußreich, weil er in die Zeit lange vor der Arbeitslosmeldung fällt. Näher hätte dann schon eine Untersuchung gelegen, daß der Kläger in seiner auf Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente gerichteten Klageschrift vom 1. März 1977 die Verrichtung der von der Beklagten vorgeschlagenen einfacheren Arbeiten, etwa als Kundenberater oder Fachmann in Heimwerkerzentren, abgelehnt hatte.
Das Urteil des LSG läßt insbesondere Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation des Klägers vermissen.
Der Kläger hat vorgetragen, durch die Unterstützung seines studierenden Sohnes und den Verlust der freien Heilfürsorge, die er als Polizeibeamter genossen habe, seit seiner Pensionierung eine monatliche Einbuße von 700,-- DM erlitten zu haben. Im Hinblick darauf hätte sich das LSG gedrängt fühlen müssen, die näheren Umstände der finanziellen Belastung des Klägers nach der Pensionierung - insbesondere wegen der Unterstützung des Sohnes - zu ermitteln. Weder ist ersichtlich, inwiefern sich die Belastungen des Klägers insoweit gerade mit seiner Pensionierung erhöht haben, noch ist geklärt, wie lange der Sohn des Klägers studiert hat und ob er anspruchsberechtigt nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) war oder geworden ist. Entsprechende Ermittlungen wird das LSG nachzuholen haben.
Die hinreichend umfassende Gesamtbetrachtung erfordert auch, Anhaltspunkten nachzugehen, die bisher keine Beachtung gefunden haben. So ist zB unberücksichtigt geblieben, daß der im Jahr 1915 geborene Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidungen durch die Vorinstanzen bereits das 65. Lebensjahr vollendet hatte, das Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs 5 RVO aber offenbar nicht bezog. Die Frage der Beklagten nach Stellung eines entsprechenden Antrags im Schriftsatz vom 9. Dezember 1980 hat der Kläger am 13. Januar 1981 dahingehend beantwortet, wegen seines Antrags auf (vorzeitiges) Altersruhegeld vom 20. Februar 1978 bedürfe es keines weiteren Antrags auf Gewährung von Altersruhegeld. Ob es - ggf ohne weiteren Antrag - später zur Auszahlung einer Leistung nach § 1248 Abs 5 RVO gekommen ist bzw aus welchen Gründen sie unterblieb, läßt sich - abgesehen von der Frage, ob möglicherweise über den Anspruch auf Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres zu entscheiden gewesen wäre - den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Aus den näheren Umständen könnten jedoch Rückschlüsse auf den finanziellen Bedarf des Klägers gezogen werden. Ungeklärt ist etwa, ob in der wirtschaftlichen Situation des Klägers dergestalt Änderungen eingetreten sind, daß er sich nach seiner Pensionierung mit Vollendung des 60. Lebensjahrs zur Bewerbung um eine Arbeitsstelle genötigt sah, während er nach Vollendung des 65. Lebensjahrs - als ihm das Altersruhegeld ohne Erfüllung weiterer Voraussetzungen zustand - allein von seiner Pension leben konnte.
Erst aufgrund so aus den Gesamtumständen gewonnener objektiver Feststellungen hätte das LSG seine Schlußfolgerungen ziehen und daraus - letztlich - die Frage der ernstlichen Arbeitsbereitschaft beantworten können. In diesem Zusammenhang hätte das LSG auch der Frage nachgehen müssen, von wann bis wann der Kläger (nur) beim Arbeitsamt gemeldet war, weshalb er etwa seine Meldungen eingestellt und damit trotz behaupteten Arbeitswillens auf die Vermittlungsmöglichkeiten des Arbeitsamtes verzichtet hat.
Da das LSG bisher weder in hinreichendem Umfang den Sachverhalt aufgeklärt hat noch dem Erfordernis einer strengen Prüfung nachgekommen ist, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben und der Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen