Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wie der Einheitswert eines landwirtschaftlichen Unternehmens zu ermitteln ist, wenn das Unternehmen bis Oktober 1957 aus - einem nach BewG vom 1934-10-16 § 33 bewerteten - Eigenland und außerdem aus Pachtland bestanden hat.
Normenkette
GAL § 1 Abs. 4 S. 4 Fassung: 1965-09-14; BewG § 31; GAL § 1 Abs. 4 S. 5 Fassung: 1965-09-14, S. 2 Fassung: 1965-09-14; BewG § 33; GAL § 1 Abs. 3 Fassung: 1965-09-14, Abs. 4 S. 1 Fassung: 1965-09-14
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Juni 1970 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Altersgeld zusteht, insbesondere ob sein am 16. Oktober 1957 notariell auf seine Kinder übertragenes landwirtschaftliches Unternehmen eine Existenzgrundlage im Sinne des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte idF vom 14. September 1965 (GAL 1965) gebildet hat.
Der im September 1897 geborene Kläger beantragte im Juni 1966 Altersgeld und erklärte sich zugleich zur Nachentrichtung von Beiträgen bereit. In einer Bescheinigung vom Juni 1966 gab das Finanzamt zum Einheitswert des Unternehmens an:
|
Stich-Tag |
Einheitswert |
Wohnwert |
Landw. Fl. ha |
ha-Satz |
1.1.35 |
2950 |
1575 |
2,97 |
578 |
1.1.40 |
3230 |
1575 |
3,63 |
571 |
1.1.51 |
3600 |
1575 |
4,65 |
564 |
Nach seinen damaligen Angaben hatte der Kläger neben dem in der Bescheinigung angeführten Eigenland von 1935 bis 1949 außerdem 1,20 ha und danach noch 0,77 ha Pachtland bewirtschaftet.
Die Beklagte lehnte den Altersgeldantrag mit Bescheid vom 12. August 1966 ab. Das Unternehmen habe in den 25 Jahren vor der Abgabe nicht mindestens 15 Jahre eine Existenzgrundlage gebildet. Der Einheitswert betrage nur 2.861,13 DM, erreiche also nicht die festgesetzte Mindesthöhe von 3.200,- DM; Anhaltspunkte für eine gleichwohl gegebene Existenzgrundlage seien nicht ersichtlich. Die Beklagte vervielfachte dabei das Eigenland mit dem vom Finanzamt angegebenen (tatsächlichen) Hektarsatz und das Pachtland mit dem durchschnittlichen Hektarsatz der Gemeinde (657,- DM).
Die Klage hatte vor dem Sozialgericht (SG) keinen Erfolg, obwohl dieses bis 1949 ein weiteres Stück Pachtland von 0,38 ha mit einem Wert von 249,66 DM berücksichtigte. Ebenso erfolglos blieb die Berufung des Klägers, obgleich das Landessozialgericht (LSG) unterstellte, daß der Kläger zusätzlich eine Fläche von 0,22 bzw. 0,2387 ha gepachtet hatte. Mit dieser Fläche werde zwar bei der Berechnungsweise der Beklagten und des SG die Mindesthöhe überschritten; diese Berechnung entspreche aber, soweit sie das Eigenland betreffe, nicht dem Gesetz. Insoweit sei von dem vom Finanzamt mitgeteilten Einheitswert auszugehen und aufgrund des § 1 Abs. 4 Satz 4 GAL 1965 hiervon der Wohnungswert abzuziehen. Dann ergäben sich bei Berücksichtigung aller angeführten Flächen stets Vergleichswerte unter 3.200,- DM. Da auch die Sondervorschrift des § 33 Abs. 2 GAL 1965 wegen Rentenbezugs des Klägers nicht anwendbar sei, scheide somit ein Anspruch auf Altersgeld nach § 33 Abs. 1 oder § 34 Abs. 1 GAL 1965 aus.
Mit der zugelassenen Revision beantragt der Kläger (sinngemäß),
die Beklagte zur Zahlung von Altersgeld ab Juni 1966 zu verurteilen.
Er beanstandet den Abzug des Wohnungswertes und rügt Verletzung des § 1 Abs. 4 Satz 4 GAL 1965.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II
Die Revision des Klägers ist insofern begründet, als der Rechtsstreit zu neuer Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Nach den beiden Anspruchsgrundlagen, die das LSG in Betracht gezogen hat (§§ 33 Abs. 1, 34 Abs. 1), erfordert der Anspruch auf Altersgeld ua, daß der Kläger während der 25 Jahre, die der Abgabe vorausgegangen sind, mindestens 180 Kalendermonate Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens i.S. des § 1 GAL 1965 gewesen ist. Die Erfüllung dieser Voraussetzung hängt hier davon ab, ob das Unternehmen eine Existenzgrundlage gebildet hat (§ 1 Abs. 3 GAL 1965). Das LSG hat das bei Unterstellung einer Unternehmensabgabe zum 16.10.1957 und der weiteren Unterstellung einer Bewirtschaftung aller vom Kläger angegebenen Flächen verneint. Dem kann der Senat nicht zustimmen.
Nach § 1 Abs. 4 Satz 1 GAL 1965 ist eine Existenzgrundlage insbesondere gegeben, wenn der Einheitswert des Unternehmens eine von der Alterskasse festgesetzte Mindesthöhe erreicht. Der Einheitswert wird nach der in den folgenden Sätzen bestimmten Weise errechnet (vgl. auch § 811 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Nach Satz 2 gilt als Einheitswert der von den Finanzbehörden ermittelte Ertragswert. Dieser ist hier - für die Zeit bis Oktober 1957 - noch nach dem Bewertungsgesetz vom 16.10.1934 (RGBl I 1035) festzustellen. Nach diesem Gesetz (BewG 1934) wird er für den landwirtschaftlichen Betrieb unter Einbeziehung von Wohngebäuden und Außerachtlassung von Pachtland (§§ 2, 29, 31 BewG 1934) als Vergleichswert i.S. der §§ 37 ff BewG 1934 ermittelt. Hierzu wird die Betriebsfläche mit dem in § 38 beschriebenen (tatsächlichen) Hektarsatz vervielfacht. Sofern - wie hier - keine Zu- oder Abschläge stattfinden, bildet der so festgestellte Vergleichswert den Ertragswert des Betriebes und damit auch den Einheitswert. Das gilt jedoch nicht, wenn ein Mindestwert nach § 33 BewG 1934 anzusetzen ist (§ 37).
Auf diese Ausnahme ist die Vorschrift in § 1 Abs. 4 Satz 4 GAL 1965 zugeschnitten. Sie bestimmt, daß der "Mindestwert für Grundstücke mit Wohnhäusern außer Ansatz bleibt". Das bedeutet, daß die Vorschrift des § 33 BewG 1934 bei der Ermittlung des Einheitswertes des Unternehmens nach dem GAL 1965 überhaupt nicht anzuwenden ist. Der Senat folgert das schon aus dem Gesetzeswortlaut. Denn mit dem "Mindestwert" kann nur der in § 33 BewG 1934 beschriebene Mindestwert gemeint sein. Der Wohnungswert, den das LSG offenbar als Mindestwert i.S. des § 1 Abs. 4 Satz 4 GAL 1965 versteht, ist kein Mindestwert. Er ist lediglich Bestandteil des Mindestwertes nach § 33 BewG 1934, zu dem als weiterer Bestandteil der Wert für den übrigen Teil des Betriebes - der sog. Wirtschaftswert - hinzutritt (§§ 5 ff der DVO vom 2.2.1935; RGBl I 81). Daher ist es nicht zulässig, als Ertragswert i.S. des § 1 Abs. 4 Satz 2 GAL 1965 den Mindestwert nach § 33 BewG 1934 zu nehmen und hiervon den Wohnungswert abzusetzen. Diese Verfahrensweise hätte zudem das ungerechtfertigte Ergebnis, daß der Ertragswert des § 1 Abs. 4 Satz 2 GAL 1965 nach unterschiedlichen Hektarsätzen ermittelt würde, je nachdem, ob eine Mindestbewertung nach § 33 BewG 1934 erfolgt oder nicht. Bei dieser Mindestbewertung wird nämlich der Wirtschaftswert (der Wert für den übrigen Betriebsteil) aufgrund gekürzter Hektarsätze errechnet (vgl. § 7 Nr. 1 DVO). Die Rüge des Klägers, das LSG habe § 1 Abs. 4 Satz 4 GAL 1965 unrichtig ausgelegt, ist mithin berechtigt.
Dessen ungeachtet muß der Senat jedoch feststellen, daß das LSG auch die hier ausschlaggebende Vorschrift des § 1 Abs. 4 Satz 5 GAL 1965 nicht in einer ihrem Wortlaut und Sinn entsprechenden Weise angewandt hat. Das Unternehmen des Klägers hat sich aus Eigenland und Pachtland zusammengesetzt. Das ist gerade ein Fall des § 1 Abs. 4 Satz 5, weil bei einem Zusammentreffen von Eigenland und Pachtland "der Einheitswert des Gesamtunternehmens" nicht zu ermitteln ist; denn wie dargelegt, wird dieser unter Außerachtlassung von Pachtland festgestellt. Nach dem Wortlaut von Satz 5 ist dann "von der genutzten Fläche und dem durchschnittlichen Hektarsatz der Gemeinde" auszugehen. Die Beklagte und die Vorinstanzen haben als genutzte Fläche i.S. dieser Vorschrift nur das Pachtland verstanden. Das entspricht offenbar der Praxis der Alterskassen (vgl. das Revisionsverfahren 11 RLw 1/70). Dieser Ansicht, die einen durchschnittlichen Hektarsatz nur heranziehen will, soweit spezielle (tatsächliche) Hektarsätze nicht bekannt sind, kann der Senat nicht folgen. Sie widerspricht dem Wortlaut des § 1 Abs. 4 Satz 5 GAL 1965, der keinen Zweifel daran läßt, daß mit der "genutzten Fläche" die genutzte Fläche des Gesamtunternehmens gemeint ist. Auch die vorhergehenden Sätze des § 1 Abs. 4 - das gilt, wie schon dargetan, auch für Satz 4 - beziehen sich auf das Unternehmen als Ganzes und nicht auf Teile davon. Die Vervielfachung der gesamten genutzten Fläche, d.h. des Pachtlandes und des Eigenlandes mit dem durchschnittlichen Hektarsatz der Gemeinde ist auch sinnvoll. Für sie spricht die Einfachheit der Berechnung, die gerade in dem in § 1 Abs. 4 GAL 1965 geregelten Verfahren anzustreben ist. Dieses Verfahren soll ohne eingehende Prüfung des Einzelfalles die Fälle ermitteln, in denen die Existenzgrundlage "insbesondere gegeben", d.h. unwiderleglich zu vermuten ist. Die Vervielfachung des gesamten Eigen- und Pachtlandes mit dem durchschnittlichen Hektarsatz der Gemeinde dürfte auch generell gerechter sein als die Vervielfachung nur des Pachtlandes mit diesem Satz, weil jeder Durchschnittswert sich um so mehr der Wirklichkeit nähert, je größer die Menge (hier: Fläche) ist, auf die er angewandt wird. In Fällen aber, in denen die Vervielfachung der gesamten genutzten Fläche mit dem durchschnittlichen Hektarsatz bei einem Unternehmen mit überwiegend hochwertigem Eigenland die Mindesthöhe für eine Existenzgrundlage nicht erreicht und das unbillig erscheint, bleibt immer die Möglichkeit, die Existenzgrundlage aufgrund individueller Prüfung dennoch zu bejahen.
Ist mithin aber die gesamte Unternehmensfläche (Eigenland und Pachtland) mit dem durchschnittlichen Hektarsatz der Gemeinde von 657,- DM zu vervielfachen, dann ergeben sich bei Einbeziehung aller Flächen Werte, die in den 25 Jahren vor dem 16. Oktober 1957 für mehr als 15 Jahre die Mindesthöhe von 3.200,- DM (Mark) überstiegen haben. Für die Zeit von 1950 bis Oktober 1957 wurde die Mindesthöhe sogar schon mit den im Antrag angegebenen Flächen (4,65 plus 0,77 = 5,42 Hektar) und für die Zeit von 1940 bis 1949 mit den im Antrag (3,63 plus 1,20) und der im Verfahren vor dem SG zusätzlich angegebenen Pachtfläche von 0,38 Hektar (= 5,21 Hektar) überschritten.
Das Urteil des LSG muß deshalb aufgehoben werden. Da die tatsächlichen Feststellungen des LSG dem Senat nicht erlauben, in der Sache abschließend zu entscheiden, muß der Rechtsstreit zu neuer Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.
Hierbei hat das LSG auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.
Fundstellen